Olaf Scholz

"Equal Pay"-Debatte Kanzler Scholz will mit Bierhoff über Geld sprechen

Stand: 14.07.2022 10:33 Uhr

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fordert die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen auch im Sport. "Equal Pay" solle besonders für Nationalmannschaften gelten, twitterte der Regierungschef. DFB-Direktor Oliver Bierhoff reagierte erstaunt und bot ein Gespräch an. Nun hat der Kanzler zugesagt. Auch Nationalelf-Kapitänin Alexandra Popp äußerte sich zur Debatte.

"Wir haben 2022", heißt es in dem Tweet, den Scholz vor dem Anpfiff des EM-Vorundenspiels der deutschen Mannschaft gegen Spanien am Dienstagabend (12.07.22) veröffentlicht hatte. Männer und Frauen sollten gleich bezahlt werden - das gelte auch für den Sport und besonders für Nationalmannschaften. Spanien sei in dieser Hinsicht ein Vorbild.

DFB-Direktor Bierhoff kündigte in der Sportschau im Ersten an, mit dem Kanzler über das "Equal Pay" im deutschen Fußball zu sprechen. "Mich wundert die Aussage. Ich lade ihn gerne ein, dann kläre ich ihn ein bisschen über die Zahlen auf", sagte Bierhoff kurz vor dem Anpfiff des EM-Spiels gegen Spanien. Bierhoff verwies auf die ausgelobte Rekordprämie in Höhe von 60.000 Euro für jede deutsche Nationalspielerin und die verbesserte Infrastruktur bei den Frauen.

Kanzler Scholz will alle deutschen Spiele anschauen

Scholz ist offenbar bereit dazu. "Natürlich wird er sich auch gerne mit Herrn Bierhoff darüber unterhalten", richtete Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch (13.07.22) aus. Hebestreit wies auch darauf hin, dass der Regierungschef die ersten beiden Spiele bei der Europameisterschaft verfolgt habe: "Er wird das auch weiterhin tun."

Langanhaltende Debatte um Bezahlung im Sport

Der Ruf nach "Equal Pay" oder einem Mindestlohn für die Fußballerinnen wird schon seit längerer Zeit immer lauter. Nationalspielerin Lina Magull forderte jüngst in der "Bild"-Zeitung: "Wir sollten ab der Zweiten Liga so gut verdienen, dass niemand mehr nebenbei arbeiten gehen muss." Als Mindestgehalt pro Monat sprach sie von 2.000 bis 3.000 Euro. "So kannst du die Entwicklung im Frauenfußball nachhaltig voranbringen."

Alexandra Popp verwies in der aktuellen Debatte - ebenfalls in der "Bild" - auf die höheren Einnahmen der Männer. Aus ihrer Sicht sei es deshalb "erstmal am wichtigsten, dass wir professionelle Rahmenbedingungen haben, gute Plätze haben". Die aktuellen Einschaltquoten bei den EM-Spielen der deutschen Mannschaft zeigen laut Popp aber, dass das Interesse da sei. Es gehe "in eine sehr gute Richtung".

Fußball-Tarifvertrag in Spanien seit 2019

In Spanien haben die Spielerinnen längst erstritten, wofür Magull und ihre Kolleginnen hierzulande bisher vergeblich kämpfen: Mehr Geld - und zwar für alle. In der spanischen Liga Primera Iberdrola ist der Wunsch nach einem Gehalt, von dem Frau leben kann, Realität. Nach über einjährigen Verhandlungen und einem Streik stand Ende 2019 ein Tarifvertrag, der ein Mindestgehalt von 16.000 Euro im Jahr inklusive Mutterschutz garantiert.

Das ist zwar nicht ganz die Summe, die sich Magull vorstellt, aber eine "historische" Vereinbarung, wie David Aganzo, Präsident der Spielergewerkschaft, über den Sieg für "Würde, Gleichheit und Gerechtigkeit" sagte. Vorher bezogen 49 Prozent der Fußballerinnen gar kein Gehalt, 31 Prozent weniger als 500 Euro pro Monat.

Voss-Tecklenburg: Mindestgehalt wäre wichtig

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg kann sich ähnliches für die deutsche Bundesliga vorstellen. Ein Mindestgehalt nach spanischem Vorbild wäre nach ihren Worten "wichtig, da immer noch nicht alle Spielerinnen Profis sind". Magull sagte, sie "brauche keine zehn oder 20 Millionen Euro im Jahr", aber "unsere Gehälter sollten steigen, damit alle - nicht nur die Nationalspielerinnen - ihren Sport professionell ausüben können."

Die Forderung passt zum weltweiten Ruf nach "Equal Pay", der auch in der Diskussion um die ungleichen EM-Prämien laut geworden war.

Unterschiedliche Gehälter in Europa

Bisher können nur Spitzenspielerinnen gut vom Fußball leben. Die verletzte deutsche Nationalspielerin Dzsenifer Marozsan etwa soll bei Champions-League-Sieger Olympique Lyon auf 350.000 Euro pro Jahr kommen, die Australierin Sam Kerr vom FC Chelsea gilt mit 500.000 Euro weltweit als Topverdienerin.

Auch die Frauen würden auf der britischen Insel wie Profis bezahlt, andernfalls bekämen die Klubs keine Lizenz, berichtete Magull: "Ich weiß nicht, warum das in Deutschland nicht geht." Allerdings fragt sich nicht nur DFB-Kollegin Laura Freigang, die sich im "Playboy" zu dem Thema äußerte, wo das Geld herkommen soll. Man könne "kein Geld ausbezahlt bekommen, was wir nicht einbringen".

DFB-Vizepräsidentin Mammitzsch: Wollen den Markt entwickeln

Laut "Saisonreport 2020/21" erlösten die zwölf Bundesliga-Klubs zusammen 15 Millionen Euro - ein Höchstwert. Der "Personalaufwand Spielbetrieb" betrug 1,35 Millionen Euro - eine Steigerung von 113 Prozent gegenüber 2011/12. "Die Entwicklung zeigt", sagte DFB-Geschäftsführer Manuel Hartmann, "dass die Professionalisierung voranschreitet." Am Ziel ist sie noch lange nicht, das weiß DFB-Vizepräsidentin Sabine Mammitzsch. Sie will "den Markt dahingehend entwickeln, dass auch höhere Gehälter gezahlt werden können".

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 12.07.2022 | 20:15 Uhr