Fans stehen in London vor einer Bühne, auf der die Fußball-Europameisterinnen gefeiert werden.

Große Party in London "Lionesses" feiern ihren wahr gewordenen Traum

Stand: 01.08.2022 14:41 Uhr

Nach dem ersten großen Fußball-Titel für England seit 56 Jahren kennt die Freude bei den Nationalspielerinnen keine Grenzen. Der EM-Triumph wird im Mutterland des Fußballs gebührend gefeiert - am Tag nach dem Finale auch im Herzen von London.

Tausende Fans der "Lionesses" versammelten sich am Montagmittag (01.08.2022) am Trafalgar Square, um ihre Heldinnen zu feiern. Platz sollte dort für etwa 7.000 Fans sein, hatte das Sportministerium zuvor mitgeteilt. Ob der ausreichte, war zumindest fraglich. Am Vorabend hatten knapp 90.000 Zuschauer im Wembley-Stadion gejubelt, als England im EM-Finale das deutsche Team nach Verlängerung mit 2:1 besiegte. Immerhin: Die BBC übertrug die Feier am Montag live im Fernsehen und als Stream - alle konnten, wenn sie wollten, von zu Hause aus dabei sein.

Auch die deutschen Vize-Europameisterinnen sind am Montag für ihre Turnierleistung gefeiert und geehrt worden. Beim Empfang des DFB-Teams auf dem Frankfurter Römer waren Tausende Fans dabei. Sie schwenkten Fahnen, ließen die Mannschaft hoch leben und sangen "Oh, wie ist das schön".

Wiegman: "Wir genießen die Party"

"Es ist ein bisschen hart, aber ich fühle mich okay" - Die Stimme von Englands Kapitänin Leah Williamson, mit hochgeschobener Sonnenbrille auf rotem Sonnenhut, klang noch ein bisschen wackelig, als sie sich am Morgen nach dem EM-Triumph kurz den Fragen der Moderatoren auf den Social-Media-Kanälen der "Lionesses" stellte.

Trainerin Sarina Wiegman gewährte etwas mehr Einblicke in die zurückliegende Party-Nacht, als sie sagte: "Es war verrückt. Es gab viel Musik, es wurde viel getanzt, und es gab etwas zu viel Alkohol. Es war Zeit zu feiern, nachdem wir unser Ziel erreicht hatten. Wir haben es genossen." Und die sonnenbebrillte Abwehrspielerin Rachel Daly wünschte mit einem Foto, das sie mit der Goldmedaille zwischen den Zähnen zeigte, auf Twitter lediglich "Good morning".

Dem Druck standgehalten

Der Schlusspfiff von Schiedsrichterin Kateryna Monzul war am Sonntagabend das Startsignal für die Party im Wembley-Stadion gewesen. Die England-Fans auf den Tribünen feierten zu den Klängen von "Football is coming home" und "Sweet Caroline" den ersten großen Titel einer englischen Fußball-Nationalmannschaft der Frauen. Der Jubel bei der Siegerehrung und Pokalübergabe an Kapitänin Williamson kannte keine Grenzen.

1966 hatte die englische Männer-Mannschaft im WM-Finale in Wembley Deutschland 4:2 besiegt - seitdem hatte die Fußball-Nation England auf die nächste große Feier warten müssen. Im vergangenen Jahr hatte das Männer-Team das EM-Finale - ebenfalls in Wembley - im Elfmeterschießen gegen Italien verloren. Auf den Spielerinnen lastete also ein großer Erwartungsdruck, aber sie hielten ihm geschlossen stand. Gegen Deutschland zeigten die "Lionesses" erneut eine starke Leistung. Sie beendeten das Turnier am Ende - wenn auch nach den 120 Final-Minuten vielleicht etwas glücklich - zu Recht als Siegerinnen.

Englisches Team stürmt die Pressekonferenz

Nach dem Ende der kraftraubenden Verlängerung auf dem Rasen des Wembley-Stadions verlieh der Titelgewinn der siegreichen Mannschaft übrigens noch eine "dritte Luft": Als Trainerin Wiegman gerade dabei war, den Erfolg bei der anschließenden Pressekonferenz zu analysieren, kamen ihr ihre Spielerinnen lautstark "in die Quere": Angeführt von Keeperin Mary Earps, die auf den Tisch vor Wiegman kletterte, stürmte das Team in den Raum und sang zum x-ten Mal an diesem Abend: "Football is coming home". Auch in diesem Moment spürte man wieder die totale Erleichterung und Freude bei den Engländerinnen.

Glückwünsche nicht nur von der Queen

Die prominentesten Glückwünsche zum EM-Titel kamen von Queen Elizabeth II. höchstpersönlich: Der Erfolg der "Löwinnen" gehe "weit über die Trophäe hinaus, die sie so verdientermaßen gewonnen haben", betonte die "Lioness-in-chief" ("Telegraph"), "sie sind eine Inspiration für Mädchen und Frauen heute, und für künftige Generationen".

Die englischen Medien überschlugen sich derweil vor Begeisterung. "SHE are the Champions", dichtete der "Mirror" mit zwei Buchstaben die Jubelarie der Rockgruppe Queen um, ansonsten war auf den vielen Sonderseiten immer wieder zu lesen: Ein historischer Sieg, das Warten hat ein Ende, und ja, England hat im Finale Deutschland besiegt, den achtmaligen Europameister, die "Titanen". Der "tiefste Schmerz der englischen Sportpsyche" sei nun beseitigt, schrieb der "Telegraph". "Und wer weiß", orakelte umgehend der "Daily Express": "Vielleicht inspiriert der Triumph der Löwinnen sogar die englische Mannschaft von Southgate bei der Weltmeisterschaft in Katar im November". 

Williamson fällt William um den Hals

Im Überschwang der Emotionen geschah in Wembley sogar etwas völlig Unerhörtes: Bei der Ehrung der neuen Heldinnen fiel die englische Kapitänin Williamson dem zuvor ziemlich ausgelassen jubelnden Prinz William um den Hals - der aber darf, weil künftiger König, tatsächlich gar nicht angefasst werden.

Dem eher volksnahen Thronfolger, der immerhin auch Präsident des englischen Fußball-Verbandes FA ist, schien das königliche Protokoll allerdings komplett egal zu sein. Es wirkte, als genieße er die Umarmung - und in Wahrheit gab er wohl auch nur stellvertretend für sein Volk den Dank für eine historische sportliche Leistung an die "Lionesses"-Spielführerin und ihre Löwen-Herde weiter.

Prinz William umarmt bei der Siegerehrung die englische Nationalspielerin Leah Williamson.

Besondere Ereignisse erfordern außergewöhnliche Maßnahmen: Prinz William umarmt Leah Williamson.

Auch England will dem Fußball für Frauen einen Schub geben

Nun gilt es auch in England, diesen Erfolg nachhaltig zu veredeln. FA-Chef Mark Bullingham ist sich sicher, dass der EM-Titel für den Frauenfußball im Land wie ein Turbo wirken wird: "Die vergangenen Jahre waren unglaublich. Wir haben wirklich viel investiert, und die 'Lionesses' haben die Chance genutzt und etwas Unglaubliches geschafft, sagte Bullingham der BBC.

"Es gibt keinen Grund, warum wir nicht genauso viele Mädchen haben sollen, die Fußball spielen, wie Jungs, und es wird eine neue Generation von Spielerinnen inspirieren", sagte der FA-Boss. "Wir haben uns seit Jahren auf diesen Moment vorbereitet." Landesweit stünden Clubs bereit, um Mädchen aufzunehmen. Zudem habe der Verband in Schulen investiert und fußballerische Entwicklungsmöglichkeiten für Mädchen geschaffen.