Caroline Asteroth, SG Andernach Frauen

Spagat zwischen Fußball und Job Weg bis zur Professionalisierung ist bei den Frauen weit

Stand: 14.07.2022 09:22 Uhr

Der Fußballsport soll in Deutschland auch für Frauen professionalisiert werden. Wie weit der Weg bis dahin noch ist, zeigt ein Beispiel von der SG Andernach aus der Zweiten Liga. Dort ist das Kicken für die Fußballerinnen noch viel mehr Hobby als ein Job.

Von Olaf Jansen

Caroline Asteroth hat es sonntags zuweilen enorm eilig. Die Mittelfeldspielerin der SG Andernach hatte erst kürzlich wieder - es war einer der letzten Liga-Spieltage im Mai - nach der Partie ihres Teams gegen die zweite Mannschaft des FC Bayern München kaum duschen können, um es noch rechtzeitig zur Arbeit zu schaffen. Sie konnte die Partie noch nicht einmal zu Ende spielen. Um 11 Uhr war Anpfiff, um 13.10 Uhr begann ihr Spätdienst in einem Krankenhaus im knapp 20 Kilometer entfernten Koblenz.

Für die 30-jährige Krankenpflegerin ist das Alltag. "Frauenfußball in der Zweiten Liga ist Hobby", sagt sie. Und das ist durchaus aufwändig: Viermal in der Woche ist Training in Andernach, am Wochenende dann ein Spiel. Bei manchen Auswärtspartien steht für die Andernacher Frauen ein Zwei-Tages-Trip auf dem Programm.

Zweite Liga: Sechs Tage Fußball pro Woche

Das heißt: Sechs von sieben Tagen in der Woche gehen für den Fußball drauf - und das fast ausschließlich aus Liebe zum Sport. "Ich bekomme vom Verein zwar eine kleine finanzielle Unterstützung, aber von professionellen Strukturen ist das alles so weit entfernt wie die Erde vom Mond", sagt Asteroth. 3.000 Euro Gehalt, die man als Zweitligaspielerin garantiert bekommen solle, wie Nationalspielerin Lina Magull kürzlich in einem "Bild"-Interview forderte - das ist am Zweitliga-Standort Andernach schlicht undenkbar.

Bundesligafußball nebenbei und als Hobby betreiben - in Deutschland ist das nicht ungewöhnlich - übrigens nicht nur in der Zweiten Liga. So bekamen die Frauen von Bundesligist SGS Essen während der Corona-Pandemie erhebliche Probleme, als die Spielerinnen eine Woche vor Saison-Restart in eine freiwillige Quarantäne gehen mussten. Weil dort fast alle Spielerinnen Fußball nur nebenberuflich betreiben, mussten die meisten dafür in ihren Jobs Sonderurlaub einreichen.

Fußball für Frauen ist in Deutschland unterentwickelt

Die Fußballstrukturen für Frauen in Deutschland sind im Vergleich zur Männer-Variante nach wie vor unterentwickelt. "Andere Länder wie Frankreich, Spanien und England haben uns längst überholt, was die Professionalisierung des Frauenfußballs angeht", sagt Ulf Baranowsky. Der Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV) fordert: "Wir müssen schnellstens Tempo aufnehmen und uns daran machen, den Abstand zu diesen Ländern aufzuholen."

Die nackten Zahlen belegen die Problematik: Der jährlich erscheinende DFB-Saisonreport zum Frauenfußball zeigt, dass eine Professionalisierung in diesem Bereich nur dort möglich zu sein scheint, wo Klubs aus dem Männer-Profibereich den Fußball für Frauen erheblich unterstützen.

Schmale Etats bei den Traditionsclubs

In Deutschland gehen im Moment der FC Bayern München und der VfL Wolfsburg voran. Vereine wie die TSG Hoffenheim, der SC Freiburg und Eintracht Frankfurt folgen, der 1. FC Köln und Bayer Leverkusen sind ebenfalls auf dem Weg. Borussia Dortmund hat jüngst erst ein Frauenteam gegründet, das sich momentan allerdings sportlich noch auf dem Weg der Unterklassigkeit in Richtung Bundesliga befindet. Sozusagen "Relikte" aus vergangenen Tagen sind hingegen reine Frauen-Traditionsclubs wie die SGS Essen, der SC Sand oder Turbine Potsdam, die mit erheblich kleineren Etats auskommen müssen.

In der abgelaufenen Spielzeit waren es acht von insgesamt zwölf Klubs im Oberhaus, die gleichzeitig auch eine Männermannschaft in der Bundesliga, Zweiten Liga oder Dritten Liga unterhalten, dazu kamen vier Frauen-Klubs. Durchschnittlich haben die Spielerinnen ihre Clubs 1,3 Millionen Euro gekostet - für den gesamten Kader, für ein Jahr, wohlgemerkt.

"Um die Teams herum muss sich etwas ändern"

Gewerkschafts-Chef Ulf Baranowsky sieht allerdings nicht nur bei den finanziellen Verdienstmöglichkeiten für die Spielerinnen erhöhten Entwicklungsbedarf. "Vor allem in den Strukturen, beim Staff um die Teams herum, muss sich dringend etwas ändern", sagt er.

Was er meint: Während deutsche Frauen-Teams meist noch mit einem kleinen Trainer- und Betreuerteam auskommen, können beispielsweise die Mannschaften in der englischen Profiliga bereits auf Mitarbeiter-Teams zurückgreifen, die denen der Männer-Mannschaften ähneln. Der FC Chelsea und Manchester City haben zum Beispiels Staffs mit nahezu 20 Mitarbeitenden, die den Spielerinnen die professionellste Betreuung bieten.

Der Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV, Ulf Baranowsky, spricht während einer Pressekonferenz zu den Journalisten.

"Die Frauen müssen sich organisieren", sagt VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky.

"Die Frauen müssen sich organisieren"

Noch ist der Frauenanteil im Mitgliederbestand der VDV schwindend gering. Das soll sich laut Baranowsky aber so schnell wie möglich ändern. "Die Frauen müssen sich auch untereinander organisieren, um ihre Wünsche und Ideen gemeinsam formulieren zu können", meint er.

Vor 50.000 Fans zu spielen, "wäre schon cool"

"Eine gute Idee", findet das Zweitligaspielerin Asteroth. Bessere Strukturen, vor allem aber mehr frei im Fernsehen empfangbare Bundesligapartien wären für sie ebenfalls ein Schlüssel zur längst fälligen Weiterentwicklung ihres Sports: "Dann würde das Interesse steigen, und wir könnten vielleicht auch bald vor 50.000 Zuschauern spielen, wie zuletzt der FC Barcelona in der Frauen-Champions-League gegen den VfL Wolfsburg. Das wäre schon cool." Wobei die angesprochene Partie sogar mehr als 90.000 Fans im Camp Nou verfolgten.

Früher, so die Krankenpflegerin, sei Deutschland mal führend gewesen, was internationalen Fußball bei den Frauen angeht. "Mittlerweile sind wir abgehängt."