Eine Frau vor dem EU-Parlament

FIFA WM 2022 Verdacht auf Korruption im EU-Parlament - mit Zusammenhang zur WM in Katar?

Stand: 13.12.2022 18:31 Uhr

Die griechische EU-Parlamentsvizepräsidentin Kaili und weitere Verdächtige stehen unter Korruptionsverdacht. Ein möglicher Zusammenhang zur WM in Katar: Kaili lobte vermeintliche Fortschritte und nahm Katar gegen Kritik in Schutz.

Eva Kaili verteidigte Katar mit Nachdruck. "Die WM in Katar ist ein Beweis dafür, wie Sportdiplomatie einen historischen Wandel eines Landes erreicht hat. Mit Reformen, die die arabische Welt inspiriert haben. Ich allein habe gesagt, dass Katar ein Vorreiter ist", sagte die sozialdemokratische Kaili am 21. November im EU-Parlament. "Trotzdem rufen einige hier dazu auf, Katar zu diskriminieren. Sie schüchtern sie ein und sie beschuldigen jeden, der mit ihnen spricht oder Kontakte hat, der Korruption."

Gegen Kaili, eine Vizepräsidentin des EU-Parlaments, und fünf weitere Personen hat die belgische Justiz am vergangenen Wochenende Haftbefehle erwirkt. Am Montagabend wurden Räumlichkeiten des Parlaments durchsucht. Ermittelt wird wegen mutmaßlicher Bestechung und Bestechlichkeit, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme auf politische Entscheidungen. Die Rede ist von "einem Golfstaat", es soll sich um Katar handeln - was mit Blick auf die WM 2022 in Katar eine sportpolitische Ebene hat.

Unter Korruptionsverdacht: EU-Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili

Unter Korruptionsverdacht: EU-Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili

"Sportveranstaltungen Gefahr für Korruption in Verbänden - aber auch in der Politik"

Am 24. November, drei Tage nach Kailis Rede, beschloss das EU-Parlament eine Resolution zur WM in Katar. Kritik wird darin am Umgang mit Arbeitern, der LGBTQIA+-Gemeinschaft und an der mutmaßlichen Korruption bei der Vergabe geübt. Doch es wird auch gelobt: Hitzeschutz auf Baustellen, die mögliche Bildung von Gewerkschaften, ein vertiefter Dialog und "beispielhafte Reformen für die Region". Der Ton wirkt insgesamt moderat und zurückhaltend. Gerade die Ausbeutung von Gastarbeitern war ein Kritikpunkt an der WM.

"Wir waren verdutzt, wie nachdrücklich solche Elemente von der sozial-demokratischen Fraktion gefordert wurden", sagt Viola von Cramon im Gespräch mit der Sportschau. Von Cramon sitzt für die Grünen im EU-Parlament. "Nun zeigt sich: Sportgroßveranstaltungen bieten eine Gefahr für Korruption, die nicht nur in die Verbände, sondern auch tief in die Politik wirken kann. Katar hat offenbar einen schwachen Punkt gesucht und gefunden."

Die Europa-Abgeordnete Viola von Cramon (Grüne)

Die Europa-Abgeordnete Viola von Cramon (Grüne)

Der italienische Europaabgeordnete Dino Giarrusso sagte der Financial Times, dass er und mehrere andere Abgeordnete in Brüssel seit 2019 von katarischen Vertretern angesprochen worden seien. "Sie hofften, den Ruf des Landes im Vorfeld der Weltmeisterschaft zu verbessern", sagte er. Seit Freitag wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft bei Durchsuchungen Bargeld in Höhe von 1,5 Millionen Euro beschlagnahmt. Kaili wurde am Dienstag vom EU-Parlament eintsimmig als Vizepräsidentin abgesetzt. Ihre Vermögenswerte in Griechenland wurden eingefroren.

Unter den Verdächtigen: Ein Menschenrechtsexperte und ein Gewerkschafter

Zu den Beschuldigten gehört mit Kailis Lebensgefährten Francesco Giorgi aus Italien ein weiterer Sozialdemokrat. Giorgi ist ein ehemaliger parlamentarischer Assistent und Spezialist für Menschenrechtsfragen und auswärtige Angelegenheiten. Auch dem Gewerkschafter Luca Visentini wird Korruption vorgeworfen, er ist ehemaliger Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes ETUC und hatte sich zuletzt ebenfalls positiv über die Situation der Menschen- und Arbeitsrechte in Katar geäußert. Er wies die Vorwürfe zurück.

"Kaili ist der Auffassung, dass sie unschuldig ist", sagte ihr Anwalt dem griechischen Privatsender Open TV. "Sie hat mit Bestechungsgeldern von Katar nichts zu tun." Zudem wurde der ehemalige EU-Abgeordnete Pier Antonio Panzeri festgenommen.

"Schaden für das gesamte Parlament ist groß"

EU-Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley (SPD) sagte am Montag in den Tagesthemen, dass das Parlament eigentlich strengere Regeln als die meisten nationalen Parlamente habe. "Aber wenn wirklich kriminelle Energie im Spiel ist, dann hilft eben auch kein Verhaltenskodex und keine Offenlegungspflicht. Dann kann man nur mit den Mitteln des Strafrechts ran." Die sozialdemokratische Fraktion werde Kailis Abwahl als Parlamentsvizepräsidentin beantragen, so Barley.

Das EU-Parlamentsmitglied David McAllister von der CDU bezeichnete am Montag beim TV-Sender Phoenix den Vorgang als "handfesten Korruptionsskandal". Das Europäische Parlament müsse nun "sehr deutlich machen, dass dieser ganze Vorgang brutal vorbehaltlos aufgeklärt werden muss". Der Schaden für das gesamte Parlament sei groß.

Katar weist Vorwürfe zurück

Das Außenministerium in Katar wies die Vorwürfe zurück. "Jede Verbindung der katarischen Regierung mit den berichteten Vorwürfen ist grundlos und gravierend uninformiert." Katar operiere nach den gültigen internationalen Gesetzen und Regeln.

Kaili hatte im November die Eröffnung der WM gemeinsam mit dem griechischen Vizekommissionspräsident Margaritis Schinas besucht und dort Regierungsmitglieder getroffen. Schinas schrieb bei Twitter, dass Katar "beträchtliche und greifbare Fortschritte bei den Arbeitsreformen erzielt hat, die auch nach der Fußballweltmeisterschaft 2022 fortgesetzt und wirksam umgesetzt werden müssen". Am Dienstag verteidigte er die Aussagen, "Alle meine öffentlichen Äußerungen zu Katar, jedes einzelne Wort, sind zu hundert Prozent mit der Politik der Kommission vereinbar", sagte der Grieche in Straßburg. "Das ist die Europäische Kommission. Wir improvisieren nicht, wir erfinden keine Positionen."