Spielszene Katar Testspiel

WM-Eröffnungsspiel gegen Ecuador Katar und der sportliche Realitätscheck

Stand: 17.11.2022 14:22 Uhr

Um bei der Heim-WM mithalten zu können, hat Katar viel investiert. Das Eröffnungsspiel am Sonntag (20.11.2022, 17 Uhr) ist der Realitätscheck.

Damit wie in den Jahren zuvor der Gastgeber das Turnier eröffnet, wurde das Spiel auf Drängen von Katar einen Tag vorverlegt. Die Partie gegen Ecuador wird das erste WM-Spiel der Geschichte für die katarische Nationalelf sein - und ein Fingerzeig für die Zukunft: Im Al-Bayt Stadion wird es nicht nur für den umstrittenen Gastgeber ernst, sondern auch für das Nationalteam. Denn Katar will sich als Fußballnation beweisen. Die Heim-WM soll dabei der Start in eine glorreiche Fußballzukunft werden.

Immense Investitionen im In- und Ausland

Für dieses Ziel ließ man nichts unversucht: Seit 2004 werden die hoffnungsvollsten Talente im Land systematisch aufgespürt und in der hoch modernen Aspire Academy in Doha gefördert. Weil es unter den 2,7 Millionen Einwohnern Katars nur rund 300.000 katarische Staatsbürger gibt, suchte der Fußballverband auch im Ausland nach Talenten, vornehmlich in Afrika, in der Hoffnung auf baldige Einbürgerung und Spielberechtigung.

Und damit nicht genug: Da die heimische Liga, die Qatar Stars League, internationalen Ansprüchen nicht genügt, hat sich die Aspire Academy zudem 2012 mit dem KAS Eupen einen europäischen Erstligisten gekauft. In der belgischen Provinz sollen die besten Akademie-Talente den Sprung in den Profifußball schaffen und den Scouts der Topklubs vorspielen.

Katar wird Asienmeister 2019

Der millionenschwere Masterplan trug zunächst Früchte. Ein Testspiel-Sieg gegen die Schweiz 2018 ließ aufhorchen, 2019 folgte der Titel bei der Asienmeisterschaft. In der FIFA-Weltrangliste kletterte Katar zwischenzeitlich auf Rang 42 - rund 40 Plätze höher als der langjährige Durchschnitt.

Doch danach stagnierte das Team und sollte jetzt für die am 20. November beginnende WM mit einem intensiven Trainingslager in Form gebracht werden. Mehr als drei Monate lang arbeitete der spanische Trainer Felix Sanchez in Spanien und Österreich abgeschirmt von der Öffentlichkeit mit seinem Kader.

Schwache Leistung gegen Kanada

Mit Testspielen in Österreich kehrte das Team Ende September in die Öffentlichkeit zurück - mit ernüchternden Leistungen: Ein schmeichelhaftes 0:2 gegen Kanada, bei dem die Kanadier mindestens eine Klasse besser waren, sowie ein 2:2-Achtungserfolg gegen Chile, wobei die Chilenen noch einen Elfmeter vergaben.

Akram Afif (r.)  von Katar gegen Chiles Esteban Pavez

Katars Akram Afif (r.) im Spiel gegen Chile

Von Oktober bis Anfang November folgten im Trainingslager im spanischen Marbella fünf letzte Testspiele vor der WM. Gegen Nicaragua, Guatemala, Honduras, Panama und Albanien erreichte Katar fünf Siege in Folge. Da die Spiele gegen vergleichsweise schwächere Mannschaften unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden, lässt sich über die Aussagekraft der Ergebnisse nur spekulieren.

Akram Afif als Hoffnungsträger

Alle Nationalspieler stehen in der katarischen Liga unter Vertrag, ihnen mangelt es an Duellen mit internationalen Topteams. Zudem fehlt es an individueller Klasse.

Größter Hoffnungsträger ist der 24 Jahre alte Flügelspieler Akram Afif, der eine Karriere genau nach Masterplan hingelegt hat: ausgebildet in der Aspire Academy, europäischer Durchbruch bei KAS Eupen, Erfahrungen gesammelt beim FC Villarreal und Sporting Gijón, dann 2018 zurückgekehrt in die katarische Liga.

Die Aspire Academy in Doha, Katar

Die Aspire Academy in Doha, Katar

Ein weiterer Spieler mit Potenzial ist Almoez Ali (26), den die Kataris im Sudan entdeckten und an die Aspire Academy holten. Als der Angreifer mit Katar 2019 das Halbfinale der Asienmeisterschaft gewann, legte der Gegner, die Vereinigten Arabischen Emirate, Einspruch ein. Abdulla und dessen Mitspieler Bassam Al-Rawi, ein gebürtiger Iraker, seien nicht spielberechtigt gewesen. Abdulla kam mit dem Hinweis durch, seine Mutter sei in Katar geboren.

Hohe Hürden für Spielberechtigung

Die FIFA-Statuten sehen strenge Regeln dafür vor, dass ein Spieler für ein Land aufläuft, in dem er nicht geboren ist. Die Statuten verhinderten, dass sich Katar eine Weltauswahl zusammenstellen konnte, wie es das Emirat etwa beim Handball getan hat. 2015 wurden Katars Handballer im eigenen Land Vize-Weltmeister.

Davon scheinen die Fußballer aktuell weit entfernt zu sein. Trotz mehrerer eingebürgerte Spieler flößt Katar der Konkurrenz keine Furcht ein. So könnte ein Negativrekord wackeln: Bisher ist Südafrika der sportlich schwächste Gastgeber einer Fußball-Weltmeisterschaft, schaffte bei seinem Vorrunden-Aus 2010 aber immerhin ein Remis gegen Mexiko (1:1) und einen Sensationssieg gegen Frankreich (2:1).

Katar unter Erfolgsdruck

Katar und seine umstrittene Heim-WM: Politisch ist der Image-Schaden bereits groß, weil weltweit Kritik geübt wird an den schlechten Bedingungen für Gastarbeiter, der Unterdrückung von Homosexuellen und weiteren Menschenrechtsverletzungen.

Nun droht auch ein sportliches Fiasko. Vier Punkte muss Katar in der Gruppe A erst einmal holen. Das Eröffnungsspiel gegen Ecuador wird dafür eine erste Herausforderung sein. Doch auch das Programm danach wird nicht leichter: Es folgen der Senegal und die Niederlande.