Süle Neuer Schlotterbeck enttäucht
analyse

FIFA WM 2022 Zum Auftakt der WM eine "Vollkatastrophe"

Stand: 23.11.2022 19:39 Uhr

Gut zwei Drittel des Spiels überzeugt die deutsche Nationalmannschaft gegen Japan, um dann einen krassen Abfall zu erleben, den auch der Bundestrainer zu verantworten hat. Manuel Neuer, ebenfalls teilschuldig, spricht von einer "Vollkatastrophe".

Von Marcus Bark, Doha

Es war das erste Spiel bei einer Weltmeisterschaft für Mario Götze seit jenem Finale in Rio de Janeiro, das er mit seinem Tor entschied. Mehr als acht Jahre später war der Weltmeister von 2014 das genaue Gegenteil von glückselig, auch wenn die 1:2-Niederlage gegen Japan noch zu reparieren ist. Die Bildschirme in den Katakomben des Stadions Khalifa International zeigten nochmal die beiden Treffer der Japaner. Götze schüttelte den Kopf und sagte damit das gleiche wie Antonio Rüdiger, der allerdings ein Wort benutzte: "Lachhaft."

DFB-Coach Flick: "Brutale Enttäuschung"

Bundestrainer Hansi Flick spürte eine "brutale Enttäuschung" und vermutlich auch ein bisschen Neid auf seinen Kollegen Hajime Moriyasu, der sogar von den japanischen Reportern Applaus vor der Pressekonferenz bekam.

 

Deutscher Leistungsabfall in der Schlussphase

Wäre so etwas auch in Westeuropa üblich, hätte das Spiel nach etwa 70 Minuten enden müssen, um Flick zu beklatschen. Die deutsche Fußballnationalmannschaft führte da zwar nur mit 1:0, aber sie war bis dahin ganz eindeutig die bessere Mannschaft und hatte noch einige weitere sehr gute Möglichkeiten vergeben. In der Defensive sah es auch passabel aus, denn die Japaner waren allein nach einem bösen Ballverlust des späteren Torschützen İlkay Gündoğan zu einer guten Konterchance und einem Abseitstor gekommen.

Antonio Rüdiger erfüllte die Rolle als Abwehrchef mit Bravour, bügelte die kleinen Mängel seiner Nebenleute, die bei der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) immer eingepreist werden müssen, aus.

Musiala zeigt, was er kann

Offensiv zeigte Jamal Musiala, dass er schon näher an einem Topstar als an einem außergewöhnlichen Talent ist. Nur in einer Szene waren ihm seine erst 19 Jahre anzusehen. Nach einem spektakulären Dribbling drosch er den Ball über das Tor, statt ihn in die Ecke zum 2:0 ins Netz zu legen.

 

Dann kam, was bei der deutschen Nationalmannschaft auch immer eingepreist werden muss: ein Leistungsabfall, die Spieler wurden nervöser, die Furcht vor dem Ausgleich war zu spüren.

Kapitän Neuer schlägt Alarm

"Irgendwie hat man schon gemerkt, der ein oder andere Spieler fängt an zu wackeln. Wir zeigen uns nicht mehr so auf dem Platz", klagte Neuer. Dass es schon gegen Japan "ins Bröckeln gerät, ist dramatisch", schimpfte der Kapitän.

Fehlerkette vor Japans Siegtor

Auch er gehört in die Reihe derer, die an der Wende teilhatten, die Deutschland nun im Spiel gegen Spanien extrem unter Druck setzt. Den Spalt am ersten Pfosten, den Takuma Asano vom VfL Bochum für den entscheidenden Treffer nutzte, sollte ein Torwart nicht frei lassen, schon gar nicht einer von der Klasse Manuel Neuers. Niklas Süle hätte vorher die Höhe seiner beiden Kollegen halten können, um Asano ins Abseits zu stellen. Rüdiger und Nico Schlotterbeck hätten aber auch den üblichen Schritt zurück machen müssen, denn der weite Pass auf Asano war vorherzusehen.

Schlotterbeck mit fatalem Fehler

Schlotterbecks Duell mit dem Torschützen erregte dann beinahe Mitleid bei Beobachtern. Der Innenverteidiger fürchtete das Foul, das vermutlich einen Elfmeter und eine Rote Karte nach sich gezogen hätte. So erlaubte er dem Japaner das Tor, das Kopfschütteln nach sich zog.

Die Wechsel waren mitendscheidend

Es war allerdings auch dem Gegner geschuldet, dass die Partie kippte, denn Japans Coach Moriyasu passte seine Taktik den Bedürfnissen an und wechselte gut. Beide Torschützen waren neu ins Spiel gekommen, dazu auch Takumi Minamino, der die deutsche Defensive mit Dribblings vor Probleme stellte.

DFB-Trainer Flick lag vor allem mit einem Wechsel falsch, denn die Dribblings von Musiala, die gegen die massive Defensive der Japaner in der Schlussphase nochmal wichtig geworden wären, waren nicht mehr möglich. Götze war für den Münchner gekommen. 

Angesichts des Spielverlaufs wirkt auch die Auswechslung Gündoğans kritikwürdig, aber Leon Goretzka war zuvor von vielen in der Startelf erwartet worden, hat im Verein bewiesen, dass er auf höchstem Niveau spielen kann, gehört außerdem an der Seite von Joshua Kimmich im Mittelfeld zum großen Block der Bayern.

Eher als Gündoğans Auswechslung ist die Aufstellung Schlotterbecks zu hinterfragen. Der Dortmunder verlor in den Wochen vor dem Turnier immer mehr an Form. Beim 2:4 des BVB in Gladbach drei Tage vor dem Abflug zur Vorbereitung in den Oman leistete sich der ehemalige Freiburger eklatante Fehler. Der aktuelle Freiburger Matthias Ginter wirkte im Verein wesentlich stabiler.

Erneute Auftaktniederlage für die deutsche Nationalmannschaft

Etwa zwanzig schlechte Minuten von vielen, auch dem Bundestrainer, führten wie bei der WM 2018 und der EURO 2020 zu einer Auftaktniederlage, oder wie Kapitän Neuer sagte, in die "Vollkatastrophe".