Ein Polizist zielt mit Pfefferspray auf einen Liverpool-Fan

Britischer Untersuchungsbericht Französische Polizei und UEFA schuld am Chaos beim CL-Finale

Stand: 18.10.2022 11:41 Uhr

Für das Zuschauerchaos rund um das Champions-League-Finale im Mai ist neben der Pariser Polizei auch der europäische Fußballverband UEFA mitverantwortlich.

Das ist das Ergebnis eines unabhängigen Untersuchungsberichts unter der Leitung von Phil Scraton, der auch die Aufarbeitung der Hillsborough-Katastrophe 1989 geleitet hatte.

"Unsere umfassende Analyse der Erfahrungen der Fans vor, während und nach dem Champions-League-Finale ist eine Anklage gegen alle beteiligten Behörden: die UEFA, die Pariser Polizei, die lokalen und zentralen Behörden und die Stadionbesitzer", heißt es. Der Bericht, an dem fünf Experten beteiligt waren, stützt sich auf Aussagen von 485 Frauen, Männern und Kindern sowie auf Augenzeugenberichte internationaler Journalisten.

UEFA bei Wahrnehmung ihrer Verantwortung "völlig" versagt

Demnach habe die UEFA bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung "völlig" versagt. Die anhaltenden und willkürlichen Angriffe der Polizisten sowie der wahllose, rücksichtslose und unprovozierte Einsatz von Tränengas gegen "Männer, Frauen und Kinder, die auf engem Raum eingeschlossen waren, sind rücksichtslos und gefährlich gewesen", heißt es. Menschenleben seien durch ein kollektives, operatives Versagen gefährdet worden.

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass es eine unzureichende Vorbereitung vor dem Spiel durch die UEFA und die Pariser Agenturen gab sowie unzureichende Vorkehrungen für die Sicherheit der Zuschauer. Nur durch das ruhige Verhalten der Fans hätte es keine Toten gegeben, Tausende, darunter auch Kinder, seien aber nun traumatisiert.

230 Menschen verletzt

Der Anpfiff zum Endspiel zwischen Real Madrid und dem FC Liverpool (1:0) am 29. Mai im Stade de France in St. Denis verzögerte sich um mehr als eine halbe Stunde, weil viele Fans Schwierigkeiten hatten, auf ihre Plätze zu gelangen. Die Polizei setzte Tränengas ein, mehr als 230 Menschen wurden verletzt.

Polizei und UEFA hatten zunächst Fans die Schuld gegeben, die zu spät angereist seien und vielfach mit gefälschten Tickets versucht hätten, das Stadion zu betreten.

Eine Untersuchung des französischen Senats im Juli hatte dann aber bereits mangelnde Vorbereitung seitens der französischen Behörden und des Veranstalters, des Kontinentalverbandes UEFA, sowie schlecht umgesetzte Sicherheitsmaßnahmen verantwortlich gemacht. 

Erinnerungen an Hillsborough-Katastrophe

Bei vielen Liverpool-Fans hätten die Szenen Erinnerungen an den Massenansturm in Hillsborough geweckt, bei dem 97 Fans ums Leben gekommen waren, so die aktuelle britische Untersuchung. Dies habe zu kollektiven Maßnahmen der Liverpooler Fans geführt, die eine Tragödie in der französischen Hauptstadt verhindert habe - niemand kam zu Tode.

"Für die Fans, die die Hillsborough-Katastrophe von 1989 und alles, was danach geschah, überlebten, war Paris retraumatisierend", sagte die an dem aktuellen Bericht beteiligte Autorin Deena Haydon.

UEFA-Bericht im November

Die UEFA wollte sich zu dem Bericht nach BBC-Informationen nicht äußern und verwies auf einen eigenen unabhängigen Bericht zu den organisatorischen Mängeln des Endspiels. Dieser soll im November veröffentlicht werden. Die Pariser Polizei war für eine Stellungnahme auf Anfrage der BBC nicht zu erreichen.

Paris ist Gastgeber der Olympischen Sommerspiele 2024. Nach den Vorfällen des Champions-League-Finales wurde das Sicherheitskonzept für das Großereignis auf den Prüfstand gestellt.