Neapels Khvicha Kvaratskhelia jubelt mit eine Kussgeste nach seinem Treffer.

Achtelfinale der Champions League Alles kann, nichts muss - Neapel vor dem Spiel in Frankfurt

Stand: 20.02.2023 19:09 Uhr

Die SSC Neapel hat in der Champions League eine furiose Vorrunde gespielt, dort mit 20 Treffern die meisten Tore aller Teams erzielt. Auch in der Serie A dominieren die Neapolitaner. Die gute Nachricht für Eintracht Frankfurt vor dem Duell mit Neapel (Dienstag, 21.02.2023, 21 Uhr, Live-Ticker und Audiostream): Möglicherweise gibt es für die Süditaliener in dieser Saison wichtigeres als die Champions League.

"Die SSC Neapel ist eine Sinfonie", schreibt der "Corriere dello Sport". "Die Außerirdischen der SSC Neapel", titelt die "Gazzetta dello Sport". Es sind die frischen Schlagzeilen nach Neapels gelungener Champions-League-Generalprobe (2:0-Erfolg bei Sassuolo). Und sie lassen erahnen, dass Eintracht Frankfurt auf einen Gegner trifft, der sich in beängstigend guter Verfassung befindet. Spieltag für Spieltag stehen Italiens Sportmedien vor der Aufgabe, neue Lobeshymnen auf das Team von Luciano Spalletti zu erfinden.

Denn wie zurzeit Neapel hat noch nie ein Team die Serie A dominiert, mit Ausnahme von Juventus Turin 2014, das mit über 100 Punkten Meister wurde. Der aktuelle Punkteschnitt der Neapolitaner (2,69) ist sogar noch ein Stück besser als der von Juves Allzeit-Rekordteam.

Napolis Leistungen auf dem Rasen sind ähnlich beeindruckend wie die Statistik. Mit Offensivfußball und spielerischer Dominanz hat sich die SSC 15 Punkte Vorsprung vor dem zweitplatzierten Inter Mailand erarbeitet. Die Stadt am Vesuv träumt berechtigterweise von ersten Meistertitel seit 1990, seit der Ära Diego Maradonas.

Priorität liegt auf der Meisterschaft

Genau hierin könnte eine Chance für die Eintracht liegen. Trainer Spalletti, in seiner Rhetorik ähnlich clever wie in Fußballtaktik, käme zwar nie auf die Idee, die Champions League kleinzureden. Auch deswegen nicht, weil ein Erfolg im Doppelduell gegen Frankfurt für Neapel ein historischer wäre.

Angesichts der durchaus glanzvollen Geschichte des Vereins ist es zwar kaum vorstellbar, aber wahr: Noch nie in seiner 97-jährigen Geschichte ist der SSC Neapel gelungen, in ein Viertelfinale der Champions League oder des Europapokals der Landesmeister vorzudringen.

Aktuell aber gibt es für Neapel eine klare Priorität. Sie lautet Scudetto und nichts anderes. Den italienischen Meistertitel (es wäre sein erster) will sich Spalletti nicht mehr nehmen lassen. Deswegen tut Neapels Mastermind alles, um ein ähnliches Form- und Ergebnistief wie in der vergangenen Spielzeit zu vermeiden. Damals stürzte Neapel nach ein paar Wochen an der Spitze ab. Diesmal ist der Vorsprung deutlich größer und die Saison fortgeschrittener.

Keine Spieler in Sassuolo geschont

Spallettis Signale an Team und Umfeld am Wochenende bei Sassuolo waren eindeutig: Entgegen der internationalen Gepflogenheiten schonte er in der Liga keinen seiner Spieler trotz der anstehenden Champions-League-Partie. Alle Napoli-Stars mussten ran, fast die gesamte Partie (gegen Sassuolo!).

Auch seine beiden treffsichersten Stürmer Victor Osimhen und Khvicha Kvaratskhelia holte Spalletti ungeachtet einer sicheren 2:0-Führung erst in der Schlussphase vom Platz. Botschaft: Wir nehmen in der Liga unter keinen Umständen den Fuß vom Gas. Die Champions League ist Zusatzspiel.

Was Neapel allerdings bislang nicht daran gehindert hat, ihren "schönen, modernen, letalen Fußball der Zukunft" ("Corriere dello Sport") auch auf europäischer Bühne zu zeigen. Bereits in der Vorrunde im November adelte Jürgen Klopp Neapel zur formstärksten Mannschaft Europas. Vorher hatte die SSC ihre Champions-League-Gruppe mit Liverpool, Ajax Amsterdam und den Glasgow Rangers furios gewonnen.

Osimhen glücklos in Wolfsburg

Neapels bester Angreifer Osimhen hat in Frankfurt persönlich etwas geradezurücken. Es ist der erste Auftritt des Nigerianers in Deutschland seit seinen schwierigen eineinhalb Jahren beim VfL Wolfsburg. 14 Spiele, null Tore lautete die Bilanz in der Bundesliga. Seinen letzten Auftritt für den VfL hatte der heute 24-Jährige am 13. April 2018, als ihn sein damaliger Trainer Bruno Labbadia gegen Augsburg in der 80. Minute einwechselte. Von den 23.500 Zuschauern beim tristen 0:0 in der Volkswagen Arena dürfte niemand geahnt haben, dass aus dem glücklosen Jungen mit der Rückennummer 18 einmal einer der begehrtesten Fußballer Europas wird.

Zum Champions-League-Spiel in Frankfurt kehrt Osimhen als Topstar der SSC Neapel und aktueller Torschützenkönig der Serie A zurück nach Deutschland. 19 Saisonspiele, 18 Tore, durchschnittlich alle 88 Minuten trifft Osimhen. Vorzugsweise bedient von seinem kongenialen Sturmpartner Kvaratskhelia (in Neapel der Einfachheit halber Kvara oder Kvaradona genannt). Der dribbelstarke Georgier steht mit 19 Punkten auf Platz zwei der Scorerliste in der Serie A – hinter Osimhen.

Die Breite des SSC-Kaders flößt Respekt ein. Auch wenn Neapels Champions-League-Motto "Alles kann, nichts muss" lautet - in der Königsklasse sind Italiens Nationalstürmer Giacomo Raspadori und Giovanni Simeone (Sohn des Atletico-Trainers Diego Simeone) mit jeweils vier Treffern als erfolgreichste Torschützen gelistet – die beiden, die nur die Reservisten sind für das Top-Sturmduo Osimhen-Kvaratskhelia.