Enorme Budget-Unterschiede 2. Bundesliga: Das große Gefälle

Stand: 30.07.2021 14:00 Uhr

Es war keine pompöse Eröffnungszeremonie, mit der am vergangenen Freitag (23.07.2021) die 2. Bundesliga in der Arena auf Schalke eröffnet wurde. Bunte Fahnen mit den Logos der 18 Zweitligisten, dazu zwei große blaue Ballons der am Auftaktspiel beteiligten Vereine FC Schalke 04 und Hamburger SV. Knapp 20.000 Augenzeugen wurde vorgeführt, wie viel Tradition und Strahlkraft sich auf einmal im Unterhaus wiederfindet.

Die zweite Liga ist zum Sammelbecken vieler Klubs geworden, die mal tonangebend im deutschen Fußball waren. 31 deutsche Meisterschaften und zwölf Titel der einstigen DDR-Oberliga vereinen sich hier, dazu mit Werder Bremen, dem HSV und Schalke drei Klubs aus den Top sieben der ewigen Tabelle.

Die Ballung der namhaften Traditionsvereine hat allerdings auch Folgen für die wirtschaftlichen Grundvoraussetzungen: Denn nie waren die finanziellen Rahmendaten so unterschiedlich wie diesmal in der angeblich "stärksten zweiten Liga aller Zeiten".

Absteiger kommen mit großen Budgets

Seit die Deutsche Fußball Liga (DFL) vor wenigen Wochen die wirtschaftlichen Kennzahlen der 36 Profiklubs offenlegte, die sich auf die Saison 2019/2020 bzw. das Geschäftsjahr 2020 bezogen, ist das gewaltige Gefälle belegt. Vor der Abstiegssaison hantierten der SV Werder Bremen (118 Millionen Euro Umsatz/70 Millionen Euro Personalaufwand) und vor allem der FC Schalke 04 (170/111) mit Größenordnungen, die gemessen an der Etattabelle locker zum Klassenverbleib hätten langen müssen. In der Bundesliga wohlgemerkt.

Der Abstieg bedeutet, dass der gewaltige Kostenblock abschmelzen muss, denn mit der Pandemie haben sich bei den Grün-Weißen wie den Königsblauen gewaltige Verluste angehäuft. Hier wie dort gelang es nicht, die Gehälter den reduzierten Einnahmen anzupassen. In Bremen lag die Personalkostenquote zeitweise bei 75 Prozent vom Umsatz – ein Wahnsinnswert. Es mutet daher schon grotesk an, dass beide Klubs auch in der zweiten Liga teilweise noch Gehälter zahlen (müssen), von denen die meisten Konkurrenten träumen.

Am ehesten bewegt sich der Hamburger SV (94/44) auch im vierten Zweitligajahr in solchen Sphären, aber selbst der vor zwei Jahren abgestiegene Verein Hannover 96 (55/34) oder der im selben Jahr abgerutschte 1. FC Nürnberg (53/24) arbeiten noch mit Rahmenbedingungen weit über Liga-Schnitt. Die Kennzahlen von Fortuna Düsseldorf (80/ 38) sind in Bundesliga-Zeiten erwirtschaftet worden, dürften jetzt auf einem ähnlichen Level sein.

Gesamtumsatz der zweiten Liga lag zuletzt bei 725 Millionen Euro

Was auffällig ist: Selbst bei langjährigen Zweitligisten hat sich eine erhebliche Diskrepanz herausgebildet. Der Gesamtumsatz der zweiten Liga belief sich 2019/2020 auf 725 Millionen Euro, die zweithöchsten Einnahmen in der Liga-Historie, obwohl es wegen der Corona-Krise bereits einen Rückgang von 7,2 Prozent gab.

Der rechnerische Durchschnittsklub kam in 2019/2020 auf einen Umsatz von 40,3 Millionen Euro und einen Aufwand von 43,5 Millionen, wobei die ersten sechs Vereine Einnahmen von 69,3 Millionen generierten und Kosten von 75 Millionen hatten. Dort ist bekanntlich das ganze Handeln danach ausgerichtet, dieser Liga alsbald wieder zu entfliehen.

Der FC St. Pauli ist mehr als gesundes Mittelmaß

Solide wirtschaften Vereine wie der seit 2011 in der zweiten Liga heimische FC St. Pauli, der hier seine eigene Wohlfühloase gefunden hat, vor der Pandemie in seinem Stimmungstempel am Millerntor auch regelmäßig mehr als 29.000 Zuschauer im Schnitt begrüßte, breite Unterstützung seiner Partner erfährt und große Beliebtheitswerte abseits der Hamburger Stadtgrenzen sammelt.

Das schlägt sich auf der Einnahmenseite nieder: Bei 47 Millionen Euro Umsatz und 24 Millionen Personalaufwand bildet der Kiezklub mehr als gesundes Mittelmaß. Etwas weniger erwirtschaftete der seit 2014 zweitklassige 1. FC Heidenheim, der mit seinen Kenndaten (34/16) ähnlich aufgestellt ist wie der Fast-Aufsteiger und DFB-Pokalhalbfinalist Holstein Kiel (27/15).

Dessen Präsident Steffen Schneeloth, zugleich stellvertretender Sprecher des DFL-Präsidiums, sagte kürzlich: "Von einem Verein wie dem FC St. Pauli, der mehr als 50 Millionen Euro Umsatz erzielt, sind wir sicher noch sehr weit entfernt. Insgesamt haben wir als verhältnismäßig neues Mitglied der 2. Liga im vierten Jahr in Folge in Relation zu den eingesetzten wirtschaftlichen Mitteln eine gute sportliche Performance hingelegt." Er sehe die größten Wachstumschancen mit einem neuen Stadion.

Schmale Budgets in Sandhausen und Aue

Dagegen stehen strukturschwache Zweitligisten wie der SV Sandhausen (seit 2012 in der 2. Bundesliga) oder Erzgebirge Aue (16. Zweitligasaison seit 2003), deren sportliches Abschneiden eine gewisse Hochachtung verdient. Bei Sandhausen betrug der Umsatz 2020 gerade mal knapp 17 Millionen Euro, davon flossen fast 13 Millionen ans Personal.

In Aue war ebenfalls Schmalhans Küchenmeister: Bei einem Umsatz von 19,5 Millionen betrug der Personalaufwand rund 12 Millionen, am Ende blieben im Gegensatz sogar noch 13.000 Euro Gewinn hängen. Sandhausen oder Aue sind die Klubs, an denen sich die Aufsteiger Dynamo Dresden und Hansa Rostock wirtschaftlich sofort orientieren können.

Die meisten Klubs schreiben seit 2019 rote Zahlen

Die schmale Budgetierung ist an manchen Standorten dadurch bedingt, dass Spiel- und Werbeerträge hier nur einen geringen Anteil der Einnahmen ausmachen können, das Gros kommt über die Medienerlöse hinein, die sich im Laufe der Jahre immer weiter gesteigert haben. Die mediale Verwertung spülte 266 Millionen Euro in die Kassen der 18 Zweitligisten, machte im Schnitt 36 Prozent der Erlöse aus.

Die pandemiebedingten Einbrüche haben in der vergangenen Saison noch mehr durchgeschlagen, diese Zahlen sind allerdings noch nicht veröffentlicht. Bereits in 2019/2020 schrieben nur noch sieben Zweitligisten schwarze Zahlen, obwohl erst die Schlussphase der Saison von Corona betroffen war. Ein Problem, dass die zweite Liga mit der ersten Liga teilt.

Enorme Unterschiede zur Bundesliga

Apropos Bundesliga: Die Diskrepanz ist enorm, wie der Gesamtumsatz zeigt: Die 725 Millionen Euro stehen 3,8 Milliarden Euro (Bundesliga) gegenüber. Weshalb Klaus Allofs, für Fußball und Entwicklung zuständiges Vorstandsmitglied von Fortuna Düsseldorf, kürzlich anmerkte: "Die Einnahmeunterschiede bei TV- und Sponsorengeldern sind zwischen erster und zweiter Liga einfach gewaltig. Jedes weitere Jahr in der zweiten Liga vergrößert den Rückstand."

Er könne sich vorstellen, den Sockelbetrag der TV-Gelder für die kleinen Klubs zu erhöhen, aber das System sei eben so angelegt, "dass es schwierig ist, den Anschluss an die großen Vereine wiederherzustellen". Wobei auch der SC Freiburg, FSV Mainz oder FC Augsburg durch langjährige Erstliga-Zugehörigkeit zu diesen so genannten "großen Vereinen" gehören würden, die bei einem Abstieg zunächst recht weich fallen - sie hätten einen immensen wirtschaftlichen Vorteil.

Im internationalen Vergleich steht die 2. Bundesliga glänzend da

Doch Wehklagen der Zweitliga-Verantwortlichen ist nicht angebracht, da die Bundesliga einen Teil ihrer erwirtschafteten Medienerlöse in die 2. Bundesliga umleitet. Und Fakt ist auch, dass die zweithöchste deutsche Spielklasse im internationalen Vergleich bestens dasteht, umsatztechnisch ungefähr auf einer Stufe mit der niederländischen Eredivise steht und weit vor den meisten anderen ersten Ligen Europas liegt.

Nur ein Beispiel: Die österreichische Bundesliga begnügt sich mit 266 Millionen Euro Gesamtumsatz. Diese von den besten zwölf Klubs Österreichs erwirtschaftete Summe übertrafen die zwei prominenten Bundesliga-Absteiger aus Bremen und Gelsenkirchen zusammen - trotz Misswirtschaft.