Begrenzung der Zuschauerkapazitäten Warum die Bundesliga-Stadien bald wieder voll sein dürften

Stand: 23.08.2021 13:12 Uhr

Die Drohkulisse steht: Bundesligaklubs bringen juristische Schritte ins Spiel, um die Zuschauerbegrenzung in den Stadien zu kippen. Ein aktuelles Urteil hebt sie in eine starke Position - und Ungeimpfte in eine schlechte.

Maximal 50 Prozent Auslastung, 25.000 Zuschauer als absolute Obergrenze - diese Beschränkungen für Fußballspiele könnten bald fallen. Denn juristisch gibt es nach Ansicht des Rechtswissenschaftlers Björn Schiffbauer gute Gründe, die gegen diese Regelung sprechen.

Einer möglichen Klage von Klubs rechne er persönlich "relativ hohe Chancen ein", sagte Schiffbauer im Sportschau-Interview, "auch wenn man nie weiß, wie die Gerichte am Ende entscheiden." Der Kölner ist aktuell Gastprofessor am Institut für Öffentliches Recht an der Universität Freiburg und Mitglied im Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes.

Präzedenzfall: Tanzverbot in Berlin

Schiffbauer begründet seine Einschätzung vor allem mit einem aktuellen Fall aus Berlin. Dort hat das Verwaltungsgericht am 20. August das generelle Verbot von Tanzveranstaltungen in geschlossenen Räumen gekippt. Es ließ Veranstaltungen vorläufig zu, die ausschließlich für Geimpfte und Genesene sind - denn für diese Personengruppen bewertete das Gericht das Verbot als "voraussichtlich unverhältnismäßig".

Stadt Hamburg setzt auf 2G

"Hier hat das Verwaltungsgericht gesagt, dass die unternehmerische Freiheit der Betreiber überwiegt", sagte Schiffbauer. "Das ist ein sehr guter Präzedenzfall, der sich auch auf die Situationen übertragen lässt, die mit Bundesliga-Fußball und anderen Sportveranstaltungen zu tun haben." Die Eilentscheidung des Gerichts sei zwar vorläufig, die Hauptsache müsse noch entschieden werden. "Aber die Weichen sind jedenfalls in die Richtung gestellt", so Schiffbauer.

Dazu passt der Vorstoß der Stadt Hamburg vom Dienstag (24.08.2021): Der rot-grüne Senat beschloss, dass Kinos, Kneipen und Theater ihre Häuser weitgehend voll auslasten können, wenn sie ausschließlich Geimpfte und Genesene einlassen.

Bobic droht, Spahn weckt Hoffnungen

In der Profifußball-Szene waren zuletzt die Forderungen lauter geworden, die Zuschauerbeschränkungen in deutschen Stadien aufzuheben - so wie es im europäischen Ausland meist schon der Fall ist. Hertha-Geschäftsführer Fredi Bobic sprach bei der "Bild" sogar davon, dass er sicher sei, dass Bundesligisten in diese Richtung klagen werden.

Doch es mehren sich die Anzeichen, dass der Gang vors Gericht nicht nötig sein wird. Bundes-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am Dienstag bei der "Bild": "Ich denke, man kann eins machen: Dass man bei den Teilnehmerzahlen Geimpfte und Genesene anders rechnet als Getestete. Es können ohne Zweifel deutlich mehr Geimpfte und Genesene in einem Stadion - zumal unter freiem Himmel - dann auch als Zuschauer dabei sein, als es sonst möglich ist."

Ungeimpfte bald außen vor?

Auch mit Blick auf den Präzedenzfall aus Berlin hält der Jurist Schiffbauer Spahns Vorstoß "für eine sehr gute Idee. Er berücksichtigt gerade diese Differenzierung zwischen Genesenen und Geimpften und Getesteten. Getestete sind nach all dem, was wir wissen, deutlich gefährlicher für das öffentliche Gesundheitssystem als Geimpfte und Genesene."

Auch das Berliner Gericht hatte bei seiner Entscheidung über das Tanzverbot argumentiert, dass Ungeimpfte keinen erhöhten Schutz vor Ansteckung und schweren Verläufen hätten und potenziell infektiöser seien. Deshalb gilt das Verbot für Ungeimpfte weiterhin, selbst wenn ein negativer Test vorliegt.

2G oder 3G?

Die Klubs in Berlin können nun wählen, ob sie ausschließlich Geimpften und Genesenen (2G) Zutritt gewähren wollen und damit von den Lockerungen profitieren. Oder ob sie auch weiterhin Ungeimpfte mit negativem Test hereinlassen wollen (3G), dann aber die strengeren Regeln beibehalten müssen.

Ein ähnliches Modell könnte auch auf die Fußballklubs zukommen. Der 1. FC Köln, Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen haben bereits früh auf ein 2G-Modell weitgehend ohne Einlass für Ungeimpfte gesetzt. Für Kinder, Jugendliche und Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, gelten Ausnahmen.

Entscheidung wohl hinter den Kulissen

Ein weiteres Argument gegen einen Gang vor Gericht: Mit Klagen würden die Bundesligisten die vertrauensvolle Basis zerstören, die sie während der Pandemie zu den Ämtern und Parteien aufgebaut haben. So hegt auch RB Leipzig aktuell keine Absicht zu klagen mit dem Hinweis auf den "stetigen Austausch mit anderen Vereinen und der Politik".

So dürfte es auch aus Sicht des Rechtswissenschaftlers Schiffbauer auf eine Lösung hinter den Kulissen hinauslaufen. "Es wäre jetzt vielleicht der Zeitpunkt für die Bundesligisten, mal an die Politiker heranzutreten, falls das noch nicht geschehen ist, und zu sagen: Hört mal zu, in Berlin ist das hier geschehen, wir haben hier Normenkontrollanträge vorbereitet - vielleicht gestattet ihr uns einfach eine Ausnahme von dieser 25.000-Zuschauer-Begrenzung. Das geht nämlich auch."

Angesichts der hohen Einnahmeausfälle dürften die Klubs auf schnelle Entscheidungen drängen. Allerdings muss jedes Bundesland separat entscheiden, ob und wie es die Regelung kurzfristig ändert. So könnte es in den kommenden Wochen zu einem Flickenteppich mit unterschiedlichen Stadion-Auslastungen kommen.