Daniel Schlager

Abseits-Tor von Mönchengladbach in Bochum Farkes heftige Kritik an Schiedsrichter Schlager

Stand: 09.11.2022 13:15 Uhr

Schiedsrichter Daniel Schlager verteidigt seine Entscheidung, Mönchengladbach ein Abseits-Tor abzuerkennen. Borussia-Trainer Farke reagiert wütend.

Als Ramy Bensebaini in der 82. Minute einen Kopfball versenkte, war der Jubel bei den Mönchengladbachern groß. Sie hatten 0:2 zurückgelegen, Bensebainis Tor wäre der 2:2-Ausgleich gewesen. Kaum jemand im Stadion und wohl auch an den Bildschirmen zweifelte daran, dass der Treffer regulär war. Doch dann bekam Schiedsrichter Daniel Schlager ein Signal von seinem Video-Assistenten Johann Pfeifer.

Am Bildschirm schaute sich Schlager die Szene noch einmal an - und die geht so: Jonas Hofmann schlägt einen weiten Eckball von rechts, hinten im Strafraum köpft Marvin Friedrich den Ball zurück vors Tor. Dort spielt Bochums Innenverteidiger Vasilios Lampropoulos den Ball so nach außen, dass er wieder bei Hofmann landet. Dieser flankt, Bensebaini köpft, Tor.

Schlager begründet Entscheidung

Unstrittig ist, dass Hofmann beim Kopfball von Friedrich in Abseitsposition stand, denn nach seinem Eckball war er noch nicht weit genug zurückgelaufen. Strittig ist aber, ob die Abseitsposition strafbar war. Dafür muss der Schiedsrichter bewerten, ob die Abwehraktion von Lampropoulos kontrolliert war.

Schlager entschied sich für ein Nein als Antwort. "Der Spieler versucht, in höchster Not zu klären, aber das tut er nicht kontrolliert. Wenn er den Ball kontrolliert spielt, spielt er nach vorne. Wenn er aber in höchster Bedrängnis ist und attackiert wird, hat er eben nicht die Zeit und keine Kontrolle über die Situation." Schlager erkannte das Tor wegen Abseits wieder ab.

Schiedsrichter Schlager zur neuen Regelauslegung

Sportschau, 09.11.2022 13:28 Uhr

Farke: "Unfassbare Fehlentscheidung"

Mönchengladbachs Trainer Daniel Farke war gänzlich anderer Ansicht. "Das war eine offensichtliche unfassbare Fehlentscheidung. Sie ist fachlich falsch und auch vom Prozess her falsch", sagte er im Sportschau-Interview. "Die Abwehraktion ist absichtlich. Der Ball tanzt durch den Fünfer, der Spieler will den Ball klären. Es wäre das erste Mal in der Fußballgeschichte, dass der Spieler dafür kritisiert wird, wenn er den Ball nach außen klärt."

IFAB ändert Regelauslegung beim "deliberate play"

Die Fußballregeln werden vom IFAB festgelegt. Die dortigen Regelhüter hatten zu Saisonbeginn die Auslegung für Situationen wie die in Bochum konkretisiert. Anlass waren mehrere Szenen, in denen klare Abseitspositionen aufgehoben wurden, nur weil ein Verteidiger den Ball zuvor berührt hatte.

Das IFAB schränkte deshalb die Situationen ein, in denen eine Abwehraktion als kontrolliert gewertet werden soll, als sogenanntes "deliberate play". Eine Abseitsposition solle nur noch dann aufgehoben und neu bewertet werden, wenn der Verteidiger eindeutig die Chance hatte, den Ball kontrolliert zu einem Mitspieler zu passen, ihn zu erobern oder zu klären.

Indikatoren für eine kontrollierte Abwehraktion

Als Indikatoren dafür, dass ein Abwehrspieler den Ball kontrolliert spielen konnte, nennt das IFAB:

  • Der Ball war lange unterwegs und der Spieler hatte klare Sicht auf ihn
  • Der Ball war nicht schnell
  • Die Flugrichtung des Balles war nicht unerwartet
  • Der Spieler hatte Zeit, seine Körperbewegung zu koordinieren, hat sich zum Beispiel nicht instinktiv gestreckt
  • Ein Ball am Boden ist leichter zu spielen als ein Ball in der Luft

Farke kritisiert VAR-Eingriff

Der Blick auf den Fall Lambropolous: Er konnte den recht langsamen und nicht abgefälschten Ball gut sehen. Der Ball sprang kurz vor ihm auf, er konnte ihn kurz über dem Boden spielen. Bleibt noch Punkt vier, der Blick auf die Körperbewegung.

"Lampropoulos kann den Ball nur mittels eines Ausfallschritts beziehungsweise einer Streckbewegung spielen." So zitiert der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Peter Sippel, den sportlichen Leiter der Bundesliga-Schiedsrichter, in einer Mitteilung vom Mittwoch. "Entscheidend ist, dass der Spieler Lampropoulos sich vor, während und selbst nach dem Kopfball von Gladbach-Spieler Marvin Friedrich noch im Zweikampf mit dem Gladbacher Spieler Nico Elvedi befindet. Es handelt sich entsprechend nicht um ein kontrolliertes Spielen, sondern um eine Abwehraktion in Not."

Schlager verweist auf Schulungen

Farke dagegen kritisierte, dass der Videoassistent Schiedsrichter Schlager überhaupt an den Bildschirm geholt hat, er bezeichnete dieses Vorgehen als Desaster. "Der VAR darf sich melden, wenn es eine glasklare Fehlentscheidung ist. Das war hier überhaupt nicht der Fall."

Schlager dagegen argumentierte, angesprochen auf die breite Kritik aus den Mönchengladbacher Reihen, so: "Für uns ist es schon eine klare Fehlentscheidung, weil es zum Sommer eine neue Regelauslegung gab. Bei den Vereinen wurde auch eine Schulung gemacht, da wurde genau dieses Thema, genau diese Spielsituation, besprochen. Auf dem Feld habe ich es auch so wahrgenommen, dass die Situation unkontrolliert ist."

Farke: "Dann muss er Rockstar werden"

Farke war so aufgebracht, dass er mit der Kritik an Schlager noch weiterging. "Dieser Schiedsrichter hat das ganze Spiel über die Bühne genutzt, sich vom Publikum feiern zu lassen. Es geht aber nicht darum, dass sich der Schiedsrichter hier vom Publikum wie ein Rockstar feiern lässt. Dann muss er Rockstar werden. Sondern er soll qualitativ gute Entscheidungen treffen. Aber er hat die Steilvorlage seines VAR-Kollegen genutzt, das Ding zu verwandeln und den nächsten brandenden Applaus des Publikums hier genießen zu können."

Die Bochumer Fans feierten die Aberkennung des Tores fast wie einen eigenen Treffer. Der VfL rettete den Vorsprung über die Zeit und holte drei wichtige Punkte im Abstiegskampf. Mönchengladbach verpasste dagegen die Chance, näher an die europäischen Plätze heranzurücken.

Farke spricht über "unfassbare Fehlentscheidung"

Sportschau, 09.11.2022 13:30 Uhr