Hannovers Geschäftsführer Martin Kind

Bundesliga Die Bundesliga und die Konfrontation mit Investoren

Stand: 22.10.2022 11:28 Uhr

In der Bundesliga sorgen diverse Vorfälle mit Geldgebern für Diskussionsstoff. Selbst die Deutsche Fußball-Liga DFL sieht sich genötigt einzugreifen. Mittendrin steht die 50+1-Regel, die den Einfluss von Investoren beschränkt.

Von Thorsten Poppe

"Wichtig ist, dass ich in den nächsten 100 Jahren nicht abberufen werden kann", jubelte letzte Woche Martin Kind. Kurz zuvor hatte das Landgericht Hannover entschieden, dass seine Abberufung als Geschäftsführer der ausgegliederten Profi-Gesellschaft durch den eingetragenen Verein nichtig ist. Ein Erfolg für Kind, der gleichzeitig auch Investor bei den Profis ist.

Dennoch darf er die Geschäfte ausschließlich unter der Prämisse führen, dass er den Weisungen des Hannoverschen Sportvereins von 1896 e.V. Folge leistet. Diese Situation führt regelmäßig zu Konflikten, weil sich laut 96-Vorstand Investor Kind als Geschäftsführer der Profis nicht an Weisungen halte.

DFL: "Vereinbarkeit mit 50+1-Regel deutlich in Frage gestellt"

Dies sei aber Grundvoraussetzung zur Einhaltung der 50+1-Regel im deutschen Fußball, so die Deutsche Fußball-Liga DFL in einem Schreiben an Martin Kind. Dieses Schreiben liegt auch der Sportschau vor, darin heißt es wörtlich:

"Sollte diese Grundvoraussetzung nicht erfüllt sein, so dass das Weisungsrecht faktisch ins Leere läuft, ist die Vereinbarkeit (…) mit der 50+1-Regel deutlich in Frage gestellt" Laut DFL drohen bei Missachtung entsprechende Konsequenzen.

Offener Streit mit Hertha-Investor

Zur offenen Konfrontation ist es auch bei Hertha BSC gekommen. Investor Lars Windhorst sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, den ehemaligen Präsidenten des Vereins mit einer gezielten Kampagne geschädigt zu haben. Windhorst weist dies zurück. Da der Verein dies nun unabhängig überprüfen lässt, will Windhorst seine Anteile (64,7 %) an den ausgegliederten Profis verkaufen.

Hertha besitzt zwar ein Vorkaufsrecht, doch bei klammen Kassen scheint dieser Schritt utopisch. So formuliert Sport-Vorstand Fredi Bobic eher sarkastisch im ZDF Sportstudio, dass er davon nur für 1 Euro Gebrauch machen könne. 2019 hatte Windhorst dafür 375 Mio. Euro bezahlt.

Hertha-Investor Lars Windhorst

Hertha-Investor Lars Windhorst

Wie viel dürfen Geldgeber mitbestimmen?

Bei diesen Konflikten geht es wiederholt um die Frage, wie viel ein Geldgeber im deutschen Fußball mitbestimmen darf. Die 50+1-Regel begrenzt diesen Einfluss von Investoren und stärkt die demokratische Teilhabe von Mitgliedern des eingetragenen Vereins. Geldgeber wie Kind oder Windhorst wollen dagegen über ihr Investment "mitbestimmen".

Für Dr. Sebastian Björn Bauers von der Universität Leipzig stellt sich deshalb die Situation diffus dar. Er forscht seit Jahren zu 50+1. "Stellen Sie sich vor, Sie stehen an einer Ampel", versucht er im Gespräch mit der Sportschau die aktuelle Situation zu verdeutlichen.

"Sie haben grün und andere Autofahrer noch gelb. Das birgt ein hohes Gefahrenpotenzial. Für Investoren steht die Ampel im Moment auf gelb – ohne dabei zu wissen, ob man fahren oder stoppen sollte"

Wie eben bei Hannover 96 und Hertha BSC, bei denen die Investoren die Mehrheit an den Kapitalgesellschaften der Profis halten. Jedoch nicht über ihr Investment bestimmen dürfen, sondern weiter die demokratisch gewählten Vereinsgremien das Sagen haben. Daher sei es nicht überraschend, dass die aktuelle Ausgestaltung von 50+plus1 Interessenkonflikte begünstige, so Bauers Schlussfolgerung.

Mehr als die Hälfte der Bundesliga mit Investoren

Mittlerweile haben trotz der 50+1-Regel zehn (!) Bundesligaclubs Investoren. Am bekanntesten sind die sogenannten Werksvereine: Bayer 04 Leverkusen, VfL Wolfsburg, und die TSG Hoffenheim gehören entweder einem dahinterstehenden Konzern oder einem einzelnen Investor. Möglich macht dies eine Ausnahmegenehmigung, bei der nach 20 Jahren ununterbrochener Förderung in erheblicher Höhe ein Verein übernommen werden kann. Als nächstes könnte das z.B. im Jahr 2029 Rasenballsport Leipzig nutzen, der von einem Getränkehersteller gegründet und seit Anbeginn von ihm erheblich finanziell gefördert worden ist.

Zwar halten alle genannten Clubs formal 50+1 ein, sind aber durch eine vorläufige Einschätzung des Bundeskartellamts zur Regel mittlerweile unter Druck geraten. Denn die deutsche Wettbewerbsbehörde sieht bei diesen Clubs den Einfluss des Muttervereins auf bis zu "null" reduziert an. Und fordert deshalb seitens der DFL entsprechende Vorschläge, die diesen Ist-Zustand verändern.

Hoffenheim-Investor Dietmar Hopp

Hoffenheim-Investor Dietmar Hopp

Lösungen für Investoren-Engagement?

Dazu besitzen der FC Bayern München, Borussia Dortmund, Eintracht Frankfurt, FC Augsburg, und der VfB Stuttgart neben der bereits erwähnten Hertha externe Geldgeber. Bei diesen Clubs ist es allerdings noch zu keiner offenen Konfrontation mit Investoren gekommen. Für Clubs, die sich klar hinsichtlich der 50+1-Regel positionieren möchten, empfiehlt Sebastian Björn Bauers eine Verankerung der Regel in der Vereinssatzung.

Zum einen werde den Mitgliedern dadurch vermittelt, dass ihre Einbindung erwünscht sei: "Zum anderen ergibt sich durch die Verankerung der Regel der Hinweis, dass ein beherrschender Einfluss von Investoren nicht gewünscht wird" Bei Hannover 96 und Hertha BSC wird dieser Vorschlag allerdings weitere Konfrontationen mit den Investoren nicht vermeiden können. Zumindest bei Hannover 96 wird die DFL ab jetzt genauer hinschauen, ob 50+1 dort weiter gültig ist - oder nicht.