Sportpolitik | Menschenrechte Sportswashing - und jetzt für ein paar Tage mal wieder Bahrain

Stand: 16.03.2022 18:16 Uhr

China, Saudia-Arabien, Katar, bis zum Kriegsbeginn auch Russland: Sportswashing erfüllt in der Regel für Regime seinen Zweck, auch wenn es kurzzeitig den Blick auf Menschenrechte lenkt. Für ein paar Tage gilt das nun auch wieder für Bahrain. Dort findet am Wochenende der Auftakt der Formel-1-Saison statt.

Wie politisch beladen schon allein die Ansetzung eines Fußballspiels sein kann, zeigte sich am Sonntag (13.03.2022) in der englischen Premier League. Der FC Chelsea, assoziiert mit dem russischen Oligarchen Roman Abramowitsch, traf auf Newcastle United, also Saudi-Arabien. Streng genommen ist es ein saudischer Fonds, der den Klub aus dem Nordosten Englands kaufte, aber solche Differenzierungen sind zu vernachlässigen.

Genauso ist es bei Manchester City. Hinter dem Klub, der wieder auf dem Weg ist, englischer Meister zu werden und dieses Mal aber wirklich die Champions League gewinnen will, stecken die Vereinigten Arabischen Emirate. So wie Katar hinter Paris Saint-Germain steckt, das wieder französischer Meister wird und wieder nicht die Champions League gewinnen wird.

Schaden für Al-Khelaifi? Eher nicht

Das brachte Nasser Al-Khelaifi Ärger mit den Fans ein. Sie forderten nach dem Aus bei Real Madrid das Aus des Bosses. Der Statthalter Katars beim französischen Hauptstadtklub hat nach Medienberichten auch Ärger mit der Justiz. Die Bundesanwaltschaft der Schweiz soll 28 Monate Haft beantragt haben, unter anderem wegen Korruption.

Bestätigen kann das Bundesstrafgericht in Bellinzona das nicht, da es von Beschuldigten stets nur anonymisiert spricht. Die Verhandlung, auf die sich die entsprechenden Medien berufen, war jedoch öffentlich, und in der Verhandlung werden die Klarnamen genannt. Ob die Forderung nach mehr als zwei Jahren Haft Al-Khelaifi schadet, der es auch im europäischen Fußballverband UEFA schon zu einem Spitzenfunktionär gebracht hat? Eher nicht.

Besuch in Saudi-Arabien

Die Berichte, dass Saudi-Arabien vor kurzem an einem Tag 81 Todesurteile vollstreckte, hat auch kaum jemanden aufgeschreckt, schon gar nicht Gianni Infantino. Just in jener Woche, als die 81 Menschen ihr Leben lassen mussten, besuchte der Präsident des Weltverbandes FIFA den Staat, der 2018 einen kritischen Journalisten zerstückeln ließ.

Der Sportminister aus dem Königshaus bedankte sich via Twitter für den Besuch. Ein Land, das schon mehrmals vom mächtigsten Fußballfunktionär der Welt besucht wurde, in dem die Spanier mit ihren Nobelklubs aus Madrid und Barcelona den Supercup ausspielen, das die Chefin der Deutschen Fußball Liga als Austragungsort für den Supercup ins Gespräch bringt - das kann schon gar nicht so schlimm sein, wie vor allem im Westen immer behauptet wird.

Das ist das Prinzip von Sportswashing, also dem Versuch, durch die Ausrichtung von Sportveranstaltungen und/oder den Betrieb von Sportvereinen im Ausland das Image aufzupolieren.

Auch teure Rechnungen gehen auf

Die Rechnung scheint aufzugehen, selbst wenn es richtig teuer wird wie bei Olympischen Spielen. China hat die Bilder, die Aufmerksamkeit und die Hymne des deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach bekommen, die es erhofft hatte und erwarten durfte. Die Uiguren? Waren auch Thema, aber nur am Rand des Randes.

Auch durch Sportswashing gelang es Wladimir Putin über Jahrzehnte, sein wahres Gesicht im Halbdunkel zu verstecken. Seit dem Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine kommen selbst alte Freunde nicht mehr umhin, Russland auszuschließen.

Die Invasion mit all ihren Folgen überlagert andere Themen, selbst die Coronapandemie. Katar könnte ein Profiteur des Krieges werden, falls es die Erlöse durch Gasverkäufe steigern kann. Der Golfstaat profitiert schon jetzt davon, dass acht Monate vor Beginn der Weltmeisterschaft (21. November bis 18. Dezember) kaum über die Menschenrechtssituation dort gesprochen wird.

Brücken bauen durch Dialog - die gescheiterte Strategie

Hinfahren, hinsehen, über den Dialog Brücken bauen, vorher höchstens mal ein bisschen kritisch fragen - das ist der breite Konsens mit Blick auf das Großereignis am Persischen Golf, auch beim Deutschen Fußball-Bund. Diese Strategie galt auch für Russland und China.

In dieser hochgefährlichen politischen Lage die Aufmerksamkeit auf Menschenrechte zu lenken, ist schwierig, zumal in einem Land, das nochmal deutlich kleiner ist als Katar.

Die Formel 1 bringt ein paar Tage Aufmerksamkeit

Bahrain, der Nachbar im Persischen Golf, hat dazu nur einmal im Jahr die Gelegenheit. Das Event, mit dem das Königreich seinen Ruf aufpoliert, bietet auch den Opfern des Regimes, die Stimme zu erheben. Sayed Ahmed Alwadaei ist eines von ihnen.

Er sei selbst in seiner Heimat gefoltert worden, schreibt der Direktor des "Bahrain Institute for Rights and Democracy" (BIRD) in einem Brief an ausgewählte Formel-1-Fahrer, darunter den viermaligen deutschen Weltmeister Sebastian Vettel. Insofern wisse er, was viele Menschen in seiner Heimat durchmachen müssten.

Die Regierung Bahrains teilte über einen Sprecher mit: "Das Königreich Bahrain hat die Menschenrechtsreformen in der Region vorangetrieben, und andere Behauptungen spiegeln nicht die heutige Realität wider."

Alwadaei lebt inzwischen in London im Exil. Im Gespräch mit der Sportschau sagte er am Montag (14.03.2022), dass auch viele Parlamentarier in Europa einen Brief erhalten hätten mit der Bitte um Unterstützung, genau wie ein Schreiben an Stefano Domenicali, den Chef der Formel 1, die am 20. März in Bahrain ihre Saison eröffnet.

Bittschreiben an Boss Domenicali und Fahrer

Domenicali habe einen neuen Vertrag, gültig bis 2036, mit Bahrain unterzeichnet, ohne vorher mit Menschenrechtsorganisationen zu sprechen. Dies stehe im Widerspruch zu Versprechungen von vergangenem Jahr, das Thema "Gewalt, Verletzungen von Menschenrechten und Repressionen" in Bahrain "sehr ernst" zu nehmen.

Da das Schreiben an Domenicali bis zum 14. März ohne Antwort geblieben sei, habe Alwadaei seines - wie dem Formel-1-Chef angekündigt, öffentlich gemacht.

Als Anhang verschickte der Direktor von BIRD eine Zusammenfassung der Menschenrechtslage in seiner Heimat. So gebe es etwa 1.400 politische Gefangene. Viele davon säßen ein, weil sie sich 2011 an Protesten für mehr Demokratie beteiligten. Damals gab es Unruhen, die dafür sorgten, dass das Formel-1-Rennen abgesagt wurde.

An Protesten gegen das Regime und für mehr Freiheit war auch Mohammed Ramadhan beteiligt. Er sitzt deswegen im Gefängnis, sagen BIRD und andere Menschenrechtsorganisationen. Verurteilt zum Tode ist er wegen der Tötung eines Polizisten. Das Geständnis, das es gab, soll unter Folter erzwungen worden sein.

Hamilton soll den Vater aus der Todeszelle holen

Im März 2021 ging ein Video viral, das Ahmad Ramadhan zeigt. Mohammeds Sohn hatte ein Bild für sein Idol Lewis Hamilton gemalt und den siebenmaligen Weltmeister gebeten, sich für seinen Vater einzusetzen. "Wir beten jeden Tag dafür, dass wir ihn eines Tages wieder zu Hause in den Arm nehmen können", sagte Ahmad.

Hamilton soll sein Versprechen wahrgemacht haben, sich sowohl bei der britischen als auch der bahrainischen Regierung für Mohammed Ramadhan eingesetzt haben. Geholfen hat es bislang nichts. Sayed Ahmed Alwadaei sagt: "Mohammed sitzt immer noch in der Todeszelle. Er kann jederzeit hingerichtet werden." Bald ist die Formel 1 wieder aus dem Land. Das zweite Rennen steht schon eine Woche später an. In Saudi-Arabien.