EURO 2020 Mancini und Vialli - Italienische Bromance

Stand: 08.07.2021 14:07 Uhr

Italiens Trainer Roberto Mancini und Delegationschef Gianluca Vialli haben eine ganz besondere Verbindung. Die sogenannten Tor-Zwillinge kennen sich seit mehr als 40 Jahren. Es ist die vielleicht anrührendste Freundschaft zweier Protagonisten dieser EURO.

"La bella stagione", auf deutsch "Die schöne Saison" heißt ein Buch, das Italiens Nationaltrainer Roberto Mancini (56) mit seinem gleichaltrigen Delegationschef Gianluca Vialli geschrieben hat. Natürlich wird darin nicht die famose Entwicklung der "Squadra Azzurra" vom Tiefpunkt 2018, als man sich nicht für die WM in Russland qualifizierte, bis zur Finalteilnahme bei der aktuellen EURO beschrieben. Es ist ein Märchen anderer Art.

Sensationelle Meisterschaft mit Sampdoria

Die beiden lassen darin den sensationellen Gewinn der italienischen Meisterschaft 1991 mit Sampdoria Genua Revue passieren, den einzigen Scudetto der Vereinsgeschichte. Es war der Gipfel acht gemeinsamer Jahre bei dem Klub. An dem Gipfelsturm hatten die "Gemelli del gol", also Tor-Zwillinge genannten Angreifer mit ihren Treffern entscheidenden Anteil. Vialli steuerte 19 Treffer zu Sampdorias insgesamt 57 Saisontoren bei und wurde vor Lothar Matthäus (16, Inter Mailand) Torschützenkönig der Serie A. Mancini traf 13 Mal.

"Azurblaues Abenteuer" hält sie jung

Laut Vialli kennen sich die beiden seit mehr als 40 Jahren und schicken sich nun an, bei der EURO mit der "Nazionale" den nächsten Gipfelsturm erfolgreich zu meistern. Der knapp ein halbes Jahr ältere Vialli bekleidet dabei die Rolle des Zuarbeiters und engsten Vertrauten von Cheftrainer Mancini. Dass es überhaupt soweit kam, ist auch so ein besonderes Kapitel im Leben der beiden. Mancini holte seinen Freund 2019 an seine Seite, nachdem der zwei Mal an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt und wieder genesen war. Heute sagt Vialli augenzwinkernd: "Roby sagt, dass wir alt geworden sind. Aber dieses gemeinsame azurblaue Abenteuer hält uns jung."

Chiesa: "Wir bekommen viele wichtige Ratschläge"

Der Jungbrunnen der älteren Herren beflügelt auch die Protagonisten auf dem Platz. Seit 33 (!) Länderspielen ist Italien ohne Niederlage, hat die vergangenen 14 allesamt gewonnen. Nummer 15 würde den EM-Titel bringen. Nach Ansicht von Offensivspieler Federico Chiesa profitiert das Team enorm von der Erfahrung der Granden: "Wir bekommen viele wichtige Ratschläge. Vialli und die anderen Mitglieder im Trainerstab waren Champions. Das ist sehr wichtig für unsere großartigen Leistungen."

Als Nationalspieler keine großen Karrieren

Gut möglich auch, dass Mancini und Vialli angesichts der jüngsten Erfolgsserie mit der "Squadra Azzurra" eine gewisse Genugtuung verspüren. Denn ihre Karrieren in der Nationalmannschaft als Spieler verliefen eher mittelmäßig. Vialli bestritt von 1985 bis 1992 nur 59 Länderspiele, erzielte 16 Tore, Mancini spielte zwischen 1984 und 1994 sogar nur 36 Mal für Italien und traf dabei vier Mal. In besonders unschöner Erinnerung haben beide die WM 1990 im eigenen Land. Mancini war nur als Tourist ohne Einsatz dabei, Vialli verschoss im zweiten Spiel gegen die USA einen Strafstoß und musste seinen Stammplatz an Salvatore Schillaci abgeben, der Torschützenkönig des Turniers wurde.

Doch das ist Schnee von gestern. Nun haben beide ihren Fokus auf das EM-Finale gerichtet - mit einer Auswahl, die sich in jedem Spiel als echte Mannschaft präsentiert hat, in der sich jeder Spieler für den anderen aufopfert, und in der die Akteure gelungene Abwehraktionen wie Tore feiern.

Knochen, Schweiß, Blut und Mühe

Das Auftreten der "Azzurri" bei der EURO erinnert an eine Passage in Mancinis und Viallis Buch, in der sie den Geist der Sampdoria-Meistermannschaft von 1991 beschreiben: "Eine Mannschaft aus Freunden, die Knochen, Schweiß, Blut und Mühe investiert haben, um - jeder, so gut er konnte - eine Mission, ein Unterfangen zu stemmen: das Unmögliche möglich machen, den Status quo herausfordern und schlagen."

Italiens Verbandschef Gabriele Gravina formulierte es am Mittwoch (07.07.2021) so: "Das schönste Ergebnis ist nicht, das Finale erreicht zu haben, sondern all das, was dieses Ergebnis dem Land gibt." Diese Nationalmannschaft sei ein Symbol für die Einheit Italiens.