Ausgleich eingeleitet und jetzt gegen "seine" Engländer Jamal Musiala - nominiert für Spiele wie gegen Ungarn

Stand: 24.06.2021 01:18 Uhr

In einem wilden Spiel gegen Ungarn, bei dem Deutschland über weite Strecken enttäuschte, zog Joachim Löw mit EM-Debütant Jamal Musiala am Ende einen entscheidenden Joker. Der dankte ihm das Vertrauen - und darf sich jetzt auf ein ganz spezielles Duell freuen.

Von Christian Hornung, Marco Schyns

Auf die Idee, diesen jungen Mann mit zur EURO zu nehmen, muss man erstmal kommen. Nur sieben Mal stand Jamal Musiala in der abgelaufenen Saison in der Startelf des FC Bayern, 19 Mal sammelte er manchmal nur sehr wenige Joker-Minuten. Erst am 26. Februar dieses Jahres wurde er volljährig, ein Bundesligaspiel über 90 Minuten hat er noch gar nicht gemacht.

Aber Löw hat sich etwas dabei gedacht, nicht Julian Brandt aus Dortmund mitzunehmen oder noch einmal Marco Reus zu überreden. Er wollte diesen Musiala mit seiner Frische und seiner Frechheit. Genau für ein Spiel mit einem Verlauf wie gegen Ungarn.

Einer, der in der Tiefe dribbelt

Es war ein Spiel ohne Tiefe. Entsprechend ging der Vorwurf an die deutschen Offensivkräfte, bei diesem extrem glücklichen 2:2 nicht ausreichend die Tiefe gesucht haben, einerseits in Ordnung, andererseits standen eben genau in dieser Tiefe auch immer bis zu zehn Ungarn. Es musste also jemand her, der nicht den Platz hinter einer Abwehrkette braucht wie beispielsweise Timo Werner. Und genau deshalb fiel Löws Wahl auf Musiala.

Musiala schert sich nicht darum, ob ein Dribbling erfolgversprechend sein könnte, ob da vielleicht zu viele Gegenspieler stehen - er macht es einfach. Er dribbelt auch in eine dicht besetzte Tiefe - so wie unmittelbar vor dem erlösenden Moment in der Münchner Arena.

Volles Risiko vom Bundestrainer

Erst zwei Minuten zuvor hatte Löw seine beiden letzten Offensiv-Optionen gezogen: Kevin Volland und Jamal Musiala. Sie ersetzten Robin Gosens und Matthias Ginter, also zwei deutlich defensiver orientierte Spieler. Löw, dem in seiner Ära oft und oft auch zu Recht Zögern und Zaudern vorgeworfen wurde, riskierte alles. Das war konsequent: In den Minuten zuvor war die deutsche Mannschaft zwar feldüberlegen, Torchancen aber kamen nur selten heraus.

Das änderte sich mit Musiala. Nach einem missglückten Anspielversuch von Werner auf Thomas Müller schaltete der Youngster am schnellsten, eroberte den Ball, ließ zwei Ungarn stehen und flankte flach ins Zentrum in Richtung Leon Goretzka.

Tor von Goretzka eingeleitet

Der Ball landete noch einmal bei Werner, dessen abgeblockter Schuss dann die freie Bahn für Goretzka ermöglichte. Der direkte Assist für das Tor ins Achtelfinale liegt damit zwar nicht bei Musiala, aber tatsächlich war es der Bayern-Youngster, der mit seinem Mut, dem schnellen Erkennen der Situation und seiner Risikobereitschaft das nun folgende Duell mit England erst ermöglichte.

Ausgerechnet gegen England. Dass Musiala in diesem Aufeinandertreffen am kommenden Dienstag (29.06.21, 18 Uhr, live im Ersten und bei Sportschau.de) das DFB-Trikot und nicht das der "Three Lions" trägt, ist gar nicht so selbstverständlich. Und wird von den Briten vor dem Wiedersehen auch sicher noch ausschweifend thematisiert.

In den Nachwuchsteams noch ein Engländer

Denn erst am 25. März dieses Jahres gab Musiala sein Nationalmannschafts-Debüt für Deutschland - kurz nachdem sich der 18-Jährige für das DFB-Team und gegen die englische Nationalmannschaft entschieden hatte. Für die "Three Lions" hatte Musiala, der mit seiner Familie lange in England lebte, in diversen U-Nationalteams gespielt, 23 Mal war er seit der U15 und bis zuletzt zuletzt 2020 für die U21 für England im Einsatz.

Zwischen 2011 und bis zu seinem Wechsel 2019 zum FC Bayern München spielte Musiala für den FC Chelsea, jetzt wird sein Auftritt im Wembley Stadion ein Auswärtsspiel für ihn. In der Startelf wird er mit ziemlicher Sicherheit nicht stehen. Aber wenn es wieder eng werden sollte, wenn ein unbekümmerter, unbelasteter Dribbler gebraucht wird, dann weiß Löw, auf wen er bauen kann.