Fußball | Finanzen Fananleihen: Solide Geldanlage oder nur Fanartikel?

Stand: 08.12.2021 14:07 Uhr

Um den wirtschaftlichen Druck durch Corona und andere Faktoren abzufedern, setzen Fußballklubs verstärkt auf Anleihen. Schalke 04 etwa will im Frühjahr bereits die vierte Anleihe ausgeben. Vor allem Fans sollen Geld geben, um klamme Kassen zu füllen

Von Thorsten Poppe

21 Millionen Euro Verlust hat der FC Schalke 04 im ersten Halbjahr 2021 gemacht. Für das gesamte Jahr rechnet der Traditionsverein mit einem Fehlbetrag im niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich.

Damit werden die ohnehin schon hohen Schulden von über 200 Millionen Euro weiter steigen. "Die Situation, in der sich Schalke 04 befindet, ist weiterhin herausfordernd", betont die beim Klub für Finanzen zuständige Vorständin Christina Rühl-Hamers.

Deshalb setzen die "Knappen" schon länger auf alternative Finanzierungsformen, wie sogenannte Fananleihen. Vor allem um seinen finanziellen Verpflichtungen aus den vorherigen Anleihen nachkommen zu können.

Im Frühjahr 2022 soll bereits die insgesamt vierte Schalke-Anleihe auf den Markt kommen. Und mit einem Volumen in Höhe von 34,1 Millionen Euro eine vorherige in exakt derselben Höhe ablösen. "Im Kern geht es um die Refinanzierung der Anleihe 2016/2023, die in gut eineinhalb Jahren fällig wird", erklärt Rühl-Hamers. "Das Volumen von 34,1 Millionen Euro ist ein großer Brocken, den wir frühzeitig und strategisch angehen wollen."

Die Rückzahlungsansprüche der alten Anleihe könnte der Verein dann durch die Neue bedienen. Und so Zeit gewinnen, bis er diese hohe Summe endgültig wieder zurückzahlen muss. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die 34,1 Millionen Euro auch zusammenkommen.

Hohe Rendite, hohe Risiken

Denn erst kürzlich hatten die "Knappen" eine Anleihe aufgelegt, die über 15 Millionen Euro für den Verein einspielen sollte. Am Ende sind es nur knapp 9 Millionen Euro gewesen. Obwohl Fans dafür 5,75 Prozent Zinsen pro Jahr erhalten sollen. Eigentlich ein verlockendes Angebot in Zeiten, in denen die Bank das Ersparte kaum oder sogar gar nicht verzinst.

Allerdings könnten die Vereine auch manchmal zu solchen Finanzierungsformen gezwungen sein, weil die Banken beispielsweise an sie keine Kredite mehr vergeben würden, erklärt Dr. Daniel Weimar. Und falls doch, dann würden sehr hohe Zinsen fällig. Die Fananleihen kämen die Vereine letztendlich preiswerter, ergänzt der Sportokonöm im Gespräch mit der Sportschau.

Für die Anleger bergen diese Anleihen allerdings hohe Risiken. "Im Verhältnis zum Risiko der Anleihen erscheinen fünf Prozent Zinsen eher relativ gering als hoch“, sagt Weimar. Doch darüber schauen Anhänger auch mal hinweg, weil "Fans neben den monetären Renditen teilweise durch eine emotionale Rendite entlohnt werden", so der Sportökonom.

Mehr Fanartikel als Geldanlage?

Auch der ehemalige Bundesliga-Profi und heutige Kapitalmarktexperte Jürgen Molnar verweist auf ein hohes Risiko. Für ihn sind die Anleihen von Bundesligavereinen mehr Fanartikel als seriöse Geldanlage. "Da muss man auch damit rechnen, dass es eben auch mal zu Ausfällen kommen kann", sagt er.

Vielen Vereinen würde die Kapitalkraft fehlen, sprich das Eigenkapital, erklärt Molnar. Somit könne eben auch schnell etwas passieren, wie die Coronakrise ja aktuell gezeigt habe. Plötzlich sei das komplette Finanzgerüst mit dem Wegfall der Zuschauereinnahmen zusammengebrochen, und dann seien die Fans als Klein-Investoren "die Gelackmeierten".

Wie schnell das gehen kann, zeigt das Beispiel des 1. FC Kaiserslautern und seiner Anleihe aus 2019, die rund drei Millionen Euro in die Vereinskassen gespült hat. Der ehemalige Verein von Jürgen Molnar geriet durch die Geisterspiele schnell in neue Finanznöte.

Vor kurzem bat der Klub deshalb die Käufer der Anleihe um Stundung der Zinsen. Dazu kam es jedoch nicht, weil zu wenig Anleihenzeichner dazu bereit waren. Und so muss der FCK seinen Verpflichtungen nun doch nachkommen.

Finanzieller Kollaps "Abstieg"

Auch Werder Bremen, wie Schalke 04 in der vergangenen Saison aus der Bundesliga abgestiegen, setzt neuerdings auf eine Fananleihe. Denn nach dem Abstieg in die zweite Liga sinken die Einnahmen der Klubs stärker als ihre Ausgaben.

Daher vergrößere sich die finanzielle Lücke, welche durch neue Kapitalquellen zu schließen sei, betont Sportökonom Daniel Weimar: "Hier sind Fan-Anleihen ein Mittel, um diese Lücke auszugleichen und den Wiederaufstieg kurzfristig zu realisieren."

Gerade wenn die Einnahmen rapide sinken, ist die Ausgabe von Anleihen im Profi-Fußball also beliebt. Größere Klubs wie etwa der nationale Marktführer FC Bayern München haben darauf noch nie zurückgreifen müssen. Es sind also eher die kleineren Profiklubs, die solche Anleihen ausgeben.

Totalverlust droht

Und bei denen droht schneller der Totalverlust für die Fans, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt. Alemannia Aachen hatte 2008 die "Tivoli-Anleihe" ausgegeben. Doch der Klub stieg kurz danach bis in die 3. Liga ab und musste Insolvenz anmelden. Das geliehene Fan-Geld war weg. Arminia Bielefeld konnte eine Fananleihe im Jahr 2016 nur deshalb abwickeln, weil ein Teil der Anhänger auf Auszahlung von Zinsen und auf die Rückzahlung der Anleihe verzichtet hatte.

Die Stiftung Warentest hat zu Beginn dieser Saison ebenfalls darauf hingewiesen, dass Fans nur Geld bei ihrem Herzensverein investieren sollten, dessen Verlust sie verkraften können. Inzwischen scheint sich die Erkenntnis, dass die Fananleihen eine riskante Investition sind, aber auch bei den Anhängern durchzusetzen. Denn auch die Fananleihe bei Werder Bremen verfehlte wie bei Schalke 04 deutlich ihr Finanzierungsziel.

Disclaimer: Eine frühere Version des Beitrags erschien am 2. November 2021, damals war die Ausgabe einer vierten Anleihe seitens des FC Schalke 04 noch nicht bekannt. Die entsprechenden Informationen wurden ergänzt.