Fußball | Premier League Manchester City - Guardiolas Genugtuung

Stand: 23.05.2022 08:15 Uhr

In einem dramatischen Finale gegen den FC Liverpool sicherte sich Manchester City die vierte Meisterschaft in der Premier League in fünf Jahren. Der Titel ist für Trainer Pep Guardiola eine besondere Genugtuung.

Von Hendrik Buchheister

Pep Guardiola liebt es, die Kontrolle zu haben, doch als feststand, dass Manchester City ein episches Meisterschaftsfinale gegen den FC Liverpool in der Premier League für sich entschieden hatte, war er machtlos gegen seine Gefühle (Highlights im Video ab Minute 34:50). Der Trainer wurde von seinen Assistenten in einer Jubeltraube eingeschlossen, und als er wieder zum Vorschein kam, war zu sehen, dass er Tränen in den Augen hatte.

Joker Gündogan bringt City den Sieg

Die Entscheidung um den Premier-League-Titel war auf besonders nervenaufreibende Weise gefallen. Manchester City lag gegen Aston Villa nach 69 Minuten sensationell 0:2 zurück und drohte, den Platz an der Tabellenspitze im letzten Moment an den FC Liverpool zu verlieren.

Ein denkwürdiges Comeback mit drei Toren innerhalb von fünf Minuten, zwei davon durch den eingewechselten Ilkay Gündogan, brachte Manchester City den benötigten Sieg (3:2). Da kann einem schonmal die Gefühlswelt durcheinander geraten. Guardiolas emotionaler Ausnahmezustand dürfte aber noch einen anderen Grund gehabt haben. Die Meisterschaft ist für ihn eine persönliche Genugtuung, und zwar in vielerlei Hinsicht.

Manchester City in der Champions League wieder gescheitert

Es ist keine drei Wochen her, dass Manchester City wieder einmal in der Champions League gescheitert war, diesmal denkbar dramatisch, im Halbfinale gegen Real Madrid. Im Rückspiel bedeuteten ein später Kollaps und der unvermeidbare Karim Benzema das Aus und befeuerten die ewige Debatte, ob Guardiola Europas Krone nur mir dem FC Barcelona erobern kann.

Das gelang ihm als Trainer 2009 und 2011. Bei Manchester City ist seine wichtigste Mission, der Gewinn der Königsklasse, bislang unerfüllt. Außerdem wurde der Zusammenbruch im Rückspiel in Teilen der englischen Öffentlichkeit als Hinweis auf fehlende Sieger-Mentalität gedeutet. Eine Saison ohne eine einzige Trophäe wäre ein Debakel gewesen für den Scheich-Klub.

Medien feiern Pep Guardiola nach viertem Titel in der Premier League

Nach dem vierten Premier-League-Titel in fünf Jahren - das war zuvor in England nur Sir Alex Ferguson gelungen - ist die Fachwelt wieder voll des Lobes für Guardiola. "Pep ist einer der größten Trainer, die es jemals gab. Seine Mannschaft ist über die Jahre so konstant", sagte "Sky Sports"-Fachmann Roy Keane, Ex-Kapitän von Manchester United.

Sein TV-Kollege Micah Richards, ein ehemaliger Manchester-City-Verteidiger, flehte Guardiola an, seinen im kommenden Jahr auslaufenden Vertrag zu verlängern, was immer wahrscheinlicher scheint. Das Aus in der Champions League war wie vergessen nach dem Erfolg im Meisterschaftsfinale. Und kann eine Mannschaft, die im entscheidenden Spiel der Saison nach einem 0:2 zurückkommt, wirklich Probleme mit der Mentalität haben?

Gündogan-Einwechselung als Geniestreich

Dass eine Einwechselung die Partie gegen Aston Villa drehte, nämlich die von Ilkay Gündogan für Bernardo Silva in der 68. Minute, dürfte für Guardiola ein zusätzlicher Genuss sein. Er hat in der Vergangenheit mehrfach wichtige Spiele vercoacht mit seltsamen, unnötig komplizierten Personalentscheidungen, vor allem in der Champions League. Gündogan zu bringen, war aber ein Geniestreich.

Mit dem Ex-Dortmunder war Manchester City dynamischer und hatte mehr Zug zum Tor. Bei seinen beiden Treffern spielte er eine unter Guardiola entdeckte Stärke aus - nämlich, dass er am langen Pfosten abstaubt. Zur neuen Saison hat Manchester City wieder einen echten Mittelstürmer, wenn Erling Haaland von Borussia Dortmund kommt.

Es wird debattiert, ob er der richtige Mann für Guardiolas System ist, weshalb der Trainer im Vorlauf auf das Saisonfinale vorsorglich um Geduld warb. Die allgemeine Erwartung ist allerdings, dass Manchester City mit Haaland noch gnadenloser wird.

Guardiola lobt Jürgen Klopp und FC Liverpool

Als Guardiola nach dem erfolgreichen Abschluss der Spielzeit vor die Presse trat, war es ihm wichtig, Verfolger Liverpool zu loben. "Die Größe unserer Leistung hat mit der Größe unseres Gegners zu tun. Ich hatte als Spieler und Trainer noch nie einen solchen Rivalen", sagte Guardiola. Er pflegt ein herzliches Verhältnis zu seinem deutschen Kollegen Jürgen Klopp, hatte zuletzt aber auch zu erkennen gegeben, wie sehr ihn der Konkurrent vom River Mersey nervt.

Ganz England würde Liverpool die Meisterschaft wünschen, hatte Guardiola geklagt. Das ist objektiv nicht haltbar, trotzdem dürfte die Meisterschaft auch deshalb eine besondere Genugtuung für Manchester Citys Trainer sein.