Cristiano Ronaldo Abgehoben auf der Zielgeraden
Cristiano Ronaldo scheint daran zu scheitern, seine enorme Karriere würdig zu beenden. Er ist offenbar noch abgehobener als ohnehin schon vermutet.
Eine große Sportlerkarriere hinzulegen, ist ein Kunststück. Eine solche Karriere würdig zu beenden, ein Meisterwerk. Cristiano Ronaldo scheint sich einzureihen in die Liste jener, die an dieser letzten Hürde scheitern. Sein enormes Ego steht ihm im Weg.
Die märchenhafte Geschichte von Ronaldos Rückkehr zu Manchester United endete mit einer knappen, kühlen Meldung auf der Vereinswebseite. Einvernehmlich sei die Trennung erfolgt, schrieb United dort am Dienstag (22.11.2022). Tatsächlich war es wohl der einzige Ausweg für beide Seiten. Zu viel war passiert in den vergangenen Wochen.
Ein Interview, das tief blicken lässt
Ronaldo hatte die nun verkündete Trennung mit einem TV-Interview erzwungen, das nicht abgesprochen war mit seiem Arbeitgeber. Beim TV-Moderatoren Piers Morgan teilte er aus gegen die Klubbesitzer, seinen Ex-Trainer Ralf Rangnick und vor allem den aktuellen Trainer Erik ten Hag. "Ich respektiere ihn nicht, weil er mich nicht respektiert." Dieser Satz alleine wäre schon Kündigungsgrund genug gewesen.
In dem eineinhalb Stunden langen Interview lässt Ronaldo tief blicken, auch zwischen den Zeilen. Dort spricht ein Mann, der in den vielen Jahren als Weltstar die Bodenhaftung verloren hat. Der sich selbst als "GOAT" sieht, als größten Spieler aller Zeiten. Und der dementsprechend behandelt werden möchte.
Bruch mit ten Hag gegen Tottenham
Ronaldo und ten Hag, das hat von Beginn an nicht gepasst. Der niederländische Trainer wagte es, Ronaldo, den fünfmalige Weltfußballer, in der Premier League überwiegend auf die Bank zu setzen - eine Majestätsbeleidigung. Der endgültige Bruch folgte beim Heimspiel gegen Tottenham im Oktober. Ten Hag wollte Ronaldo kurz vor Spielende bringen, aber Ronaldo verweigerte die Einwechslung, verließ den Stadion-Innenraum vorzeitig.
"Ich habe mich provoziert gefühlt", sagte Ronaldo jetzt im Interview. "Ein Trainer kann mich nicht für drei Minuten in ein Spiel schicken, sorry. So ein Spieler bin ich nicht. Ich weiß, was ich meinen Teams geben kann." Dass Ronaldo drei Tage zuvor als Startspieler gegen Newcastle enttäuschte und seine Teamkollegen ohne ihn gegen Tottenham brillierten, scheint er auszublenden.
"Gutes Aussehen hilft auch"
Dass sein Klub ihn dann trotz Entschuldigung für die Aktion drei Tage sperrte, habe ihn enttäuscht, das sei eine Schande. Ronaldo beschrieb, wie ihn sein Sohn, der bezeichnenderweise Cristiano junior heißt, anschließend überrascht zu Hause empfing. "Wie können sie dich bestrafen, obwohl du der beste Spieler der Welt bist?" Er habe geantwortet: "Ich darf nicht spielen, weil ich mich nicht benommen habe."
Ronaldo schwebt über den Dingen, genießt seinen Sonderstatus. Er sei "stolz" darauf, dass niemand mehr Follower bei Instagram habe als er. "Ich bin eine Frucht, in die Leute beißen wollen", sagte Ronaldo, "wie eine Erdbeere. Gutes Aussehen hilft auch."
Titelverteidiger mit besten Aussichten: Cristiano Ronaldo
Enormes Angebot aus Saudi-Arabien
Ronaldo nutzte das Interview mit Piers Morgan für einen Rundumschlag. Er wolle einige Dinge ins rechte Licht rücken, auch Medienberichte aus dem Sommer, als es hieß, er wolle United verlassen. "Ich war glücklich hier. Ich war motiviert, eine große Saison zu spielen", sagte Ronaldo.
Er ärgerte sich aber vornehmlich nicht darüber, dass seine Loyalität zu United infrage gestellt wurde. Sondern dass es am Ende oft hieß: Niemand wollte Ronaldo haben. Das stimme keinesfalls, unter anderem habe er ein enormes Angebot ausgeschlagen: 350 Millionen Euro für zwei Saisons in Saudi-Arabien.
Vorbildlicher Fleiß
Superlative, das ist Ronaldos Welt. Bisher ist er mit seinem enormen Ego gut durchgekommen, weil er sportlich stets geliefert hat. Unter Teamkollegen war er beliebt und respektiert, auch wegen seines enormen Fleißes. "Ich bin ein Vorbild. Ich bin der Erste, der kommt und der Letzte, der geht. Ich gehe gerne mit gutem Beispiel voran", sagt Ronaldo.
Zwei, drei Jahre wolle er noch spielen, mit 40 Jahren seine Karriere beenden. Ein Wechsel nach Saudi-Arabien wäre eine Möglichkeit, um noch einmal fett Kasse zu machen und mögliche sportliche Defizite zu kaschieren. Er könnte beide Augen zudrücken beim Blick auf die verheerende Menschenrechtslage in Saudi-Arabien.
Noch einmal ein großer Klub?
Doch ein gelungener Karriereabschluss sähe anders aus - und ist gar nicht so schwer. Ronaldo könnte noch einmal zu einem großen Klub wechseln, vielleicht auch in seine Heimat Portugal. Zwar würde er auch dort mit seinen 37 Jahren keine Startgarantie bekommen, aber er muss auch niemandem mehr beweisen, dass er außergewöhnlich gut Fußball spielen kann.
Aber er könnte junge Spieler anleiten, vorangehen auf und neben dem Platz. Seinen Anspruch auf Sonderbehandlung zurückstellen, sich in den Dienst der Mannschaft stellen. Seine positiven Seiten zeigen, sein soziales Engagement, seinen Teamgeist. Und er könnte den entrückten Eindruck korrigieren, den er in Manchester hinterlassen hat - und in dem TV-Interview.