Roger Schmidt

Vor Viertelfinale gegen Inter Schmidts Benfica hofft auf den großen Coup

Stand: 10.04.2023 21:26 Uhr

Die Meisterschaft ist zum Greifen nah, in der Champions League hofft man auf den Außenseiter-Coup - Benfica Lissabon steht vor erfolgversprechenden Wochen. Der Architekt sitzt auf der Trainerbank und spricht deutsch.

"Crunchtime", so nennen Sportler gern die Tage und Wochen, in denen es um die Saisonentscheidungen in ihrem Metier geht. Das ist natürlich auch im Fußball so - auch im portugiesischen. Und mittendrin in allen wichtigen Entscheidungen steht ein Mann, der mit seinem Klub in dieser Spielzeit ganz groß absahnen könnte: Roger Schmidt hat mit seinem Klub Benfica Lissabon in der nationalen Meisterschaft eine Hand am Pokal. Und in der Champions League gelten die Portugiesen als jener Geheimtipp, der das Zeug dazu hat, den ganz Großen diesmal gehörig die Show zu stehlen.

Meisterschaftsentscheidung erstmal vertagt

Am Freitag bezog der "Große Schmidt", wie der 56-Jährige in Lissabon mittlerweile ehrfürchtig genannt wird, gegen Verfolger FC Porto eine Niederlage. Sieben Spieltage vor Schluss der Serie führt Benfica die Tabelle mit sieben Punkten Vorsprung auf Porto an. In 27 Partien holte man 23 Siege, spielte zweimal Unentschieden und kassierte nur zwei Niederlagen.

Die vorläufige Meisterschaftsentscheidung ist also vertagt. Es wäre der insgesamt 38. Meistertitel für das stolze Benfica, das eine riesige Fangemeinde in ganz Portugal hinter sich weiß und nach Mitgliedern der zweitgrößte Verein auf der Welt ist. Der Klub ist natürlich erfolgsverwöhnt, hat aber eine mittlere Durststrecke hinter sich - 2019 war man das bisher letzte Mal ganz vorn.

"Am richtigen Ort"

"So viel Leidenschaft und Liebe für den Fußball wie hier, habe ich noch nie erlebt", sagt Schmidt, der in Lissabon offenbar so etwas wie seinen Traumjob gefunden hat. "Ich habe das Gefühl, am richtigen Ort zu sein. Ich bin sehr glücklich, dass Benfica an mich glaubt", ließ er vor Wochenfrist vernehmen, als Benfica seinen Vertrag vorzeitig bis 2026 verlängerte. Man hatte das schon seit Längerem tun wollen, es ging letztlich um die Höhe des Grundgehalts und die Ablösesumme im Fall eines vorzeitigen Ausstiegs aus dem Vertrag.

Dass Schmidt dem Verein den Rücken kehrt, ist allerdings nicht zu erwarten. Es stehen riesige Möglichkeiten bevor für den Mann, der es einst als Aktiver selbst nur bis zu Deutschlands dritter Liga gebracht hatte. Zum Top-Trainer wurde er anschließend auch eher zufällig, als man im ostwestfälischen Delbrück sein diesbezügliches Talent im Amateurbereich erkannte. Schmidt, der seinerzeit hauptberuflich als Ingenieur arbeitete, ergriff die Trainerchance beim Schopf, als 2007 Preußen Münster bei ihm anklopfte. Schmidt kündigte seinen "zivilen" Job und setzte fortan alles auf die Karte Fußballtrainer.

Markenzeichen Offensivpressing

Über Münster landete der gebürtige Sauerländer beim SC Paderborn, Bayer Leverkusen, Peking und Eindhoven, bevor er 2022 zu Benfica ging. Seine Spielphilosophie blieb dabei immer gleich: Schmidt setzt auf konsequentes Offensivpressing, will stets so schnell wie möglich nach vorn in die Spitze spielen.

Bei Benfica hat Schmidt eine Mannschaft mit Spielern geformt, die international zuvor kaum klangvolle Namen hatten. Julian Draxler ist zwar da, doch der Deutsche spielte bislang aufgrund von Formschwäche und Verletzungsproblemen kaum eine Rolle. Die Protagonisten von Schmidts Benfica sind andere: der Torjäger Gonçalo Ramos natürlich, aber auch João Mário, ein Mittelfeldspieler, der früher eher selten getroffen hat und nun mit einiger Regelmäßigkeit. Und die Abwehr dirigiert Nicolás Otamendi, 35, mit Argentinien unlängst Weltmeister geworden.

"Schmidt hat Persönlichkeit"

Otamendi ist voll des Lobes über seinen Trainer, mit dem er seit dem vergangenen Sommer zusammenarbeitet. "Ich kannte ihn vorher noch nicht", sagte der Kapitän und Abwehrchef in einem UEFA-Interview: "Er ist ein Trainer mit sehr klaren Ideen, der den Spielern viel Vertrauen gibt. Auch das Training ist gut, und er hat Persönlichkeit. Das ist wichtig für eine junge Mannschaft."

Benficas Nicolas Otamendi jubelt über sein Tor zum 1:0.

Benficas Nicolas Otamendi

Denn es sei nicht einfach, einen solchen Kader zu managen. "Aber er macht das in seiner ersten Saison in der bestmöglichen Form", sagt der 35-Jährige.

Intern wird man in Lissabon den nationalen Titel schon als gesichert ansehen, insgeheim schauen sie in der fußballverrückten Metropole auf einen anderen Wettbewerb - die Champions League.

Inter Mailand im Blick

Am Dienstag geht's da im Viertelfinale gegen Inter Mailand. "Eine tolle Mannschaft", sagt Schmidt über den Gegner. "Aber es gibt in diesem Duell keinen Favoriten", findet er. Vor allem auf das Heimspiel hat er es abgesehen. "Wir sind im Estadio da Luz eine Macht. Da macht es wirklich Spaß für uns und mit der Unterstützung unserer Fans sind die Spiele dort etwas ganz Besonderes", glaubt Schmidt.