Die deutsche Fußball-Nationalspielerin Sara Däbritz (r.) beim Tackling gegen Englands Lucy Bronze im Länderspiel im November 2019 im Londoner Wembely-Stadion. Deutschland gewann 2:1.
analyse

Frau-gegen-Frau-Vergleich vor dem Finale England oder Deutschland - wer hat das bessere Team in Wembley?

Stand: 31.07.2022 11:55 Uhr

Überragende Offensive gegen beinharte Defensive - im EM-Finale England gegen Deutschland im Wembley-Stadion wird es zwischen zwei etwa gleichstarken Teams auf Nuancen ankommen. Sportschau vergleicht die Mannschaften Position für Position.

Tor

Mary Earps - Merle Frohms: Ein Gegentor versus ein Gegentor - beide Torhüterinnen haben bei dieser EM hinter einer starken Defensive gehalten, was zu halten war. Vielleicht agiert Frohms etwas abwartender beim Herauskommen. Zudem pusht Earps ihre Kolleginnen stärker.
Leichter Vorteil für England - 1:0

Merle Frohms (l.) und Jule Brand knien vor Freude auf dem Boden

Überzeugte als Nummer eins in ihrem ersten großen Turnier: Merle Frohms (l.).

Abwehr

Lucy Bronze - Giulia Gwinn: Englands rechte Abwehrseite mit der Weltfußballerin von 2020 war im Halbfinale gegen Schweden anfällig. Bronze spielte insgesamt aber trotz Knieproblemen ein starkes Turnier, das sie mit einem Kopfballtor krönte. Ein Tor erzielte Gwinn nicht. Wie zuverlässig sie hinten und auch nach vorne agiert, ist allerdings beeindruckend.
Punkt für beide - 2:1

Millie Bright - Kathrin Hendrich: Die Deutsche gehört zu den großen Entdeckungen auf der Innenverteidigerinnen-Position, ist sie doch eigentlich auf der Außenbahn zu Hause. Hendrich bringt Tempo in die deutsche Abwehrreihe. Bright ist allerdings in der Spieleröffnung stärker und hat allein wegen ihrer Statur mehr Präsenz.
Punkt für beide - 3:2

Leah Williamson - Marina Hegering: Englands Abwehrchefin spielt unauffälliger als Hegering, die das deutlich bessere Stellungsspiel hat.
Punkt für das DFB-Team - 3:3

Rachel Daly - Felicitas Rauch: Die Linksverteidigerin der "Lionesses" spielt bei Houston Dash im Angriff und hat wie Rauch einen großen Offensivdrang. Gegen Spanien kam sie mächtig ins Schwimmen. Rauch mit sehr guten Ecken und Freistößen.
Punkt für Deutschland - 3:4

Englands Abwehrspielerinnen Millie Bright (r.) und Rachel Daly feiern den 4:0-Sieg gegen Schweden im EM-Halbfinale in Sheffield.

Stark in der Defensive, stark beim Feiern: Millie Bright (r.) und Rachel Daly.

Mittelfeld

Fran Kirby - Lina Magull: Kirby ist im offensiven Mittelfeld die Frau für die Pässe in die Schnittstellen. Neben zwei Toren hat sie auch drei Vorlagen geliefert. Magull ist die Spielerin für die besonderen Momente und kann eigentlich alles am Ball. Sie machte ebenfalls zwei Tore, lieferte einen Assist, fand aber überhaupt nicht in das Halbfinalspiel gegen Frankreich.
Punkt für England - 4:4

Keira Walsh - Lena Oberdorf: Walshs Passgenauigkeit liegt im gesamten Turnier bei gut 90 Prozent. Unauffällig, aber zuverlässig im Zentrum. Oberdorf hat sich zur Leaderin gemausert, räumt bedingungslos ab, schont dabei weder sich noch Gegnerinnen.
Punkt für Deutschland - 4:5

Georgia Stanway - Sara Däbritz: Die Engländerin verkörpert Power und Dynamik - mit gerade einmal 1,63 Metern. Ohne ihr Tor zum 2:1-Erfolg im Viertelfinale gegen Spanien hätten es die "Lionesses" womöglich gar nicht ins Finale geschafft. Däbritz' große Stärke sind ihre Fähigkeiten in allen Bereichen. Bei dieser EM spielt sie konstant, ohne aber herauszuragen.
Punkt für England - 5:5

Englands Torschützin Beth Mead (v.r.n.l.) wird von Keira Walsh und Georgia Stanway gefeiert.

Englands Stolz: Georgia Stanway, Keira Walsh, Beth Mead (v.l.)

Angriff

Beth Mead - Svenja Huth: 6 Tore und 5 Vorlagen - Beth Mead ist die mit Abstand beste Scorerin des Turniers. In Sachen Dribbelstärke kann Svenja Huth mithalten, bei der Defensivarbeit ist die Vize-Kapitänin sogar noch besser, aber in Sachen Torgefahr zieht Mead davon.
Punkt für England - 6:5

Ellen White - Alexandra Popp: Vieles im englischen Spiel schien vor der EM auf Ellen White als Star des Teams hinzudeuten. Doch angesichts der überragenden Vorstellung Meads und der super Joker-Qualitäten von Alessia Russo (vier Treffer) spricht kaum noch jemand von Englands gesetzter Mittelstürmerin, die selbst "nur" zweimal getroffen hat. Popp ist derweil deutsche Torgarantie und Anführerin in Personalunion und hat mit sechs Treffern wie Mead noch Chancen auf den Goldenen Schuh.
Punkt für Deutschland - 6:6

Jubel beim DFB-Team nach einem Tor von Alexandra Popp

Geballte Power: Svenja Huth, Giulia Gwinn, Alexandra Popp und Sydney Lohmann (v.l.).

Lauren Hemp - Jule Brand: Angesichts ihrer schillernden Offensiv-Kolleginnen wirkt Hemp beinahe unscheinbar. Mit einem Tor, einer Vorlage und nimmermüdem Anrennen verfügt sie allerdings über ein Energie-Level wie Huth und hat auch großen Anteil am englischen Erfolg. Brand kam im Halbfinale gegen Frankreich zu ihrem ersten EM-Einsatz von Beginn an. Hinterher bekam die mit 19 Jahren jüngste Spielerin im DFB-Team Lob von allen Seiten. Gerade, weil sie auch defensiv überraschend reif gespielt hatte. Im Duell mit der erfahrenen Hemp hat sie allerdings (noch) das Nachsehen.
Punkt für England - 7:6

Trainerinnen

Sarina Wiegman - Martina Voss-Tecklenburg: Wiegman könnte das Kunststück fertigbringen, bei zwei aufeinanderfolgenden EM-Turnieren mit zwei unterschiedlichen Nationen den Titel zu holen. Vor fünf Jahren hatte die Niederländerin schon ihr Heimatland bei der Heim-EM zum Titel geführt. Schon jetzt steht fest: Auch in England hat sie sehr gute Arbeit geleistet, ihre Bilanz: 19 Spiele ohne Niederlage, 104:4 Tore.

Nach einem Freundschaftsspiel zwischen den Niederlanden und Deutschland im Februar 2021 gehen die Trainerinnen Sarina Wiegman (M.) und Martina Voss-Tecklenburg Arm in Arm vom Platz.

Kennen und schätzen sich: Sarina Wiegman (M.) und Martina Voss-Tecklenburg.

Aber auch MVT hat ein bärenstarkes Team geformt. Nach der bitteren WM-Enttäuschung 2019 und der holprigen Vorbereitung, hätte wohl niemand erwartet, dass Deutschland in England so stark auftreten und mit solchen Leistungen ins Finale einziehen würde.
Punkt für beide - 8:7

Fazit: England mit 8:7 vorn

Der Sportschau-Check sieht die Engländerinnen in ihrer individuellen Qualität minimal vorn, inklusive Coaches endet der Vergleich Position für Position 8:7 für die "Lionesses". Nicht berücksichtigt werden können in dieser Bewertung natürlich die möglicherweise spielentscheidenden Komponenten Teamspirit und Glück.

Was sagt Sportschau-Expertin Nia Künzer?

"Es ist ein EM-Finale zwischen zwei Teams auf Augenhöhe. Ein bisschen verkürzt kann man vielleicht sagen, dass Englands überragende Offensive auf die sehr gute Defensive Deutschlands trifft - und ich hoffe, dass die Defensive den Ausschlag gibt. Es kommt auf die Effektivität bei der Chancenverwertung an. Die deutsche Mannschaft hat bereits gezeigt, dass sie sich auch unter großer Belastung nicht nerven und stressen lässt. Und auch wenn sich England zuletzt von der Stimmung in den Stadien eher hat berauschen lassen, kann es auch negativen Druck bedeuten, wenn die Fans so viel vom Team erwarten."

Ausgewählte statistische Werte vor dem Finale
England Deutschland
Tore 20:1 13:1
Ballbesitz 58,4 % 53 %
Passgenauigkeit 85,6 % 78 %
Balleroberungen 219 223
begangene Fouls 40 60
erlittene Fouls 50 48
Gelbe Karten 2 8
Tacklings 60 68
Ecken 25 35
Quelle: uefa.com

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 31.07.2022 | 17:30 Uhr