Joshua Kimmich nach dem WM-Aus.

FIFA WM 2022 Geknickter Kimmich und der Jahrgang 95/96 - noch eine Chance

Stand: 02.12.2022 17:28 Uhr

Die "gescheiterte Generation" muss sich quälenden Fragen nach dem Warum für das WM-Desaster stellen. Bei der Heim-EM 2024 gibt es eine Gelegenheit zur Wiedergutmachung.

Von Marcus Bark, Doha

Es geht jetzt erstmal nach Hause, und dann vermutlich schnell in den Urlaub. Manche Spieler sind sogar direkt von Doha aus in die Auszeit gestartet.

Aber schon in gut einem Monat werden viele Nationalspieler nach Katar zurückkehren. Sie werden mit dem FC Bayern München in der Aspire Academy trainieren und dabei auf das Stadion Khalifa International blicken. Dort begann für die deutsche Mannschaft die Weltmeisterschaft 2022 in Katar, und dort endete sie am 23. November mit dem 1:2 gegen Japan im Grunde auch schon.

Kimmich spricht vom schwierigsten Tag seiner Karriere

Das faktische Aus kam am Donnerstag (01.12.2022), eine gute Woche später. "Das ist sicher für mich der schwierigste Tag meiner Karriere", sagte Joshua Kimmich nach dem 4:2 gegen Costa Rica. Er war "der Meinung, dass es heute sogar möglich war, acht Tore zu erzielen", und darin zeigte sich das Dilemma der Mannschaft.

Die Diskrepanz zwischen dem, was ist, und dem, was hätte sein können und gewünscht war, ist groß, bisweilen sehr groß.

Kimmich: "Habe Angst, dass ich in ein Loch falle"

Die deutsche Nationalmannschaft wollte bei den vergangenen drei großen Turnieren den Titel holen, schied aber jeweils früh aus. Joshua Kimmich war stets dabei. Daher sagte er: "Ich werde mit dem Misserfolg in Verbindung gebracht. Das ist nichts, wofür man stehen möchte. Ich habe Angst, dass ich in ein Loch falle."

Kimmich ist 27 Jahre alt. Er hat dreimal den DFB-Pokal gewonnen, siebenmal die deutsche Meisterschaft, einmal die Champions League. Er ist auch Weltmeister, allerdings Klub-Weltmeister.

Quälende Fragen nach dem Warum

Sieben Spieler des FC Bayern bildeten das Gerüst des deutschen Kaders für die WM 2022. Kimmich, Manuel Neuer, Leon Goretzka, Serge Gnabry, Leroy Sané, Jamal Musiala und Thomas Müller standen sämtlich gegen Costa Rica in der Startelf. Dieser Block ist das Siegen gewohnt, nicht das Scheitern in Serie. 

Am Ende des Tages muss man schon sagen, dass auch viel Unvermögen dabei war.
Joshua Kimmich

Die Fragen nach dem Warum sind quälend, auch wenn Kimmich schon in den Katakomben des Stadions Al Bayt treffend sagte: "Am Ende des Tages muss man schon sagen, dass auch viel Unvermögen dabei war." Er zielte vor allem auf die Chancenverwertung ab: "Das Thema hatten wir auch bei Bayern schon. Es ist ein Problem, das sich durchzieht. Da können wir nicht immer von Pech sprechen."

Antonio Rüdiger fand auch klare Worte. "Ich denke, in beiden Mannschaftsteilen fehlt einiges. Ich kann mich nicht ausnehmen. Als Mannschaft haben wir defensiv nicht so funktioniert", sagte der Innenverteidiger von Real Madrid, dessen Nebenmann Niklas Süle sogar noch zum Block der Bayern gezählt werden kann, denn bis zu seinem Wechsel im Sommer zu Borussia Dortmund spielte er fünf Jahre für die Münchner.

Jahrgang 95/96 - eine gescheiterte Generation

Süle wurde 1995 geboren. Er gehört damit wie Kimmich, Gnabry, Sané und Goretzka zum hoch gelobten, oft beschriebenen Jahrgang 95/96, der nun mit Blick auf die Nationalmannschaft als "gescheiterte Generation" gilt. Das ist ein hartes Urteil, aber ein von Fakten untermauertes.

Die Generationen davor waren deutlich erfolgreicher. Das Gerüst der Weltmeister von 2014 bildeten sechs Spieler, die 2009 Europameister mit der U21 wurden: Manuel Neuer, Mesut Özil, Jérôme Boateng, Mats Hummels, Benedikt Höwedes und Sami Khedira. Nach ihnen kam der Bruch, obwohl es doch schien, als ginge es so erfolgreich weiter. Deutschland gewann 2017 mit dem Jahrgang 95/96 vorweg, zu dem auch der in Katar wegen einer Verletzung fehlende Timo Werner zählt, den Confed-Cup, die Generalprobe vor der WM.

Heim-EM als weitere Chance für Kimmich und Co.

Die nun als gescheitert geltende Generation wird eine weitere Chance bekommen, ergänzt durch Jamal Musiala, der bei der EM 2024 in Deutschland vielleicht auch im Nationaltrikot abgeklärter im Abschluss sein wird. Florian Wirtz, der nach seinem Kreuzbandriss noch nicht für Katar berücksichtigt wurde, wird sehr wahrscheinlich einen Platz in der Mannschaft finden. Bei Youssoufa Moukoko, gerade erst 18 Jahre alt geworden, muss die weitere Entwicklung abgewartet werden.

Rüdiger: Talent allein reicht nicht

Oliver Bierhoff, nun seit 18 Jahren für die Nationalmannschaft in verantwortlicher Position tätig, sagte in Doha, dass er der Mannschaft vertraue, weil sie "jung sei" und voller Talent. Antonio Rüdiger behauptete, dass Talent nicht reiche. Der Mannschaft fehle "die Gier" und das "Dreckige". Der Jahrgang 95/96 hat vermutlich noch eine Gelegenheit, sein Repertoire zu erweitern.