Die FIFA Fußball WM 2022 in Katar

FIFA WM 2022 Katar und die WM - ein lohnenswerter Kauf

Stand: 19.12.2022 08:13 Uhr

Vier Wochen Weltmeisterschaft in Katar gehen zu Ende. Der Gastgeber hat für sehr viel Geld bekommen, was er wollte. Die Kritik bleibt berechtigt. Eine persönliche Bilanz.

Von Marcus Bark, Doha

Das Kinderfest, eine Show mit traditionell gekleideten Pferden und ein paar weitere Programmpunkte fallen der Coronapandemie zum Opfer. Die Militärparade entlang der kilometerlangen Strandpromenade an der Bucht von Doha aber wird es geben, genau wie das große Feuerwerk. Katar feiert am Sonntag groß, der 18. Dezember ist der Nationalfeiertag, an dem der Emir die Parade abnehmen wird. Schon um 9 Uhr Ortszeit geht es los, neun Stunden später dürfte Tamim bin Hamad Al Thani im Stadion Lusail sitzen und zwei seiner besten Spieler sehen.

Sie gehören ihm nicht persönlich, und sie spielen auch nicht für die katarische Nationalmannschaft, die sang-, klang- und punktlos in der Vorrunde der Weltmeisterschaft scheiterte. Aber Argentiniens Lionel Messi und Frankreichs Kylian Mbappé sind zwei der Stars bei Paris Saint-Germain, und diesen Klub darf der Emir von Katar schon als sein Eigentum betrachten, auch wenn offiziell ein Staatsfonds Katars hinter dem französischen Serienmeister steckt.

Katar hat sich 2011 bei PSG eingekauft, ein Jahr, nachdem es den Zuschlag für die WM bekommen hatte, der vermutlich auch sehr viel Bestechungsgeld gekostet hat. Derzeit erschüttert ein Korruptionsskandal das Europäische Parlament, und es gibt Indizien, dass Katar seine Geldscheine im Spiel hat. 

Schöne Bilder - Katars Plan geht auf

Trotz allem darf der kleine Staat am Persischen Golf feiern, dass er in den meisten Staaten dieser Welt, auch den ganz großen, als Gewinner dieser WM gilt. Der Plan ist aufgegangen, die schönen Bilder von schönen Stadien, begeisterten Fans vor allem aus Argentinien und Marokko, haben Eindruck hinterlassen. Die Freundlichkeit der Menschen (von denen nie jemand behauptete, sie seien unfreundlich), ob in den Restaurants, Hotels und Supermärkten, bleibt als Erinnerung.  

Argentinische Fans jubeln über das Weiterkommen

Argentinische Fans beim Spiel gegen die Niederlande

Mehr als 200 Milliarden Euro soll es Katar gekostet haben, die Voraussetzungen für vier perfekte Wochen zu schaffen. Weniger als zehn Prozent davon haben die bisherigen Gastgeber einer WM bezahlt.
Geld spielt keine Rolle für das Emirat Katar, in dem die Einwohner, auch die mit einem nicht-katarischen Pass, keine Steuern zahlen müssen und die medizinische Versorgung kostenlos ist, genau wie die Stromversorgung.

Die Metro ist grandios, im Takt von zwei Minuten kommen die Züge. Selbst wenn Tausende Fußballfans in der Nacht von den Spielen zurück in ihre Hotels und Unterkünfte fahren, ist der Boden noch sauber, die Volunteers sind noch gut gelaunt, die Fahrsteige funktionieren reibungslos.
"No incidents", also keine Zwischenfälle, habe es bei bislang 62 Spielen gegeben, hat Gianni Infantino gesagt, als er am Freitag (16.12.2022) Bilanz zog und auf unangenehme Fragen antwortete, er wolle erst nach dem Finale Bilanz ziehen.

"Wir müssen präzise sein", sagte der Präsident der FIFA, als er gefragt wurde, wie denn die unterschiedlichen Angaben von Weltverband und Organisationskomitee zu toten Bauarbeitern zustande kämen.
Infantino bleibt dabei, dass nur drei Arbeiter beim Bau der Stadien ums Leben gekommen seien, die vom OK genannte Zahl der Toten von bis zu 500 gelte für sämtliche Baustellen im Zusammenhang mit der WM.

T-Shirts mit Regenbogenfarben verbannt

Um präzise zu sein, gilt das "no incidents" für Fans, die Bengalos zünden, Schmähgesänge anstimmen oder mit Stühlen bei einer Kneipenschlägerei werfen. Aber es gab einen kenianischen Wachmann, der nach einem Sturz im Stadion starb. Es gab Menschen, die T-Shirts mit den Farben des Regenbogens trugen und daher von Sicherheitskräften belangt wurden. "Women. Life. Freedom" (Frauen, Leben, Freiheit) - stand auf T-Shirts von Menschen, die für die mutigen Frauen im Iran und gegen das mörderische Regime protestierten. Auch sie wurden teilweise von der Polizei bedrängt.

Das wurde kritisiert, genau wie im Vorfeld, vor allem in Deutschland, der Umgang Katars mit den Gastarbeitern, für die Geld sehr wohl eine Rolle spielt. Die allein wegen des Geldes in Katar sind, um ihre Familien in Nepal, Bangladesch und Indien zu ernähren. Kritisiert wurde, dass Katar - wie viele andere Staaten in der Region - homosexuelle Handlungen als Straftat ansieht, dass die Meinungsfreiheit beschränkt ist, dass die Medien unter Kontrolle stehen. Es gab überzogene Kritik, die sogar in Rassismus, in Islamfeindlichkeit abgerutscht ist. Aber dafür einzustehen, die Menschenrechte zu achten, hat nichts mit übergestülpten Moralvorstellungen zu tun.

Was bleibt nach der WM?

Missstände sind Missstände, in Katar wie in Deutschland, und mit Blick auf die EM 2024 wird genau hingesehen werden, wie Arbeiter auf den Spargelfeldern bezahlt werden und unterkommen, ob Flüchtlinge willkommen sind, ob Flüchtlingsheime angezündet werden. Es wird berechtigte Kritik geben. Missstände gegenzurechnen, wäre ein schlimmer Fehler. 

Der Blick, auch der Rückblick auf die WM in Katar sollte präzise sein. Die Elite des Landes hat sich gekauft, was es wollte, und bekommen, was es wollte.


Ob die Gastarbeiter, die Frauen, die Queeren künftig bekommen, was sie verdient haben, ist eine Frage, die erst lange nach dem Finale zu beantworten ist.