Fußball | Champions League Champions-League-Reform: Fans und Ligen für Änderungen, Topklubs dagegen

Stand: 05.11.2021 00:23 Uhr

Viele Fangruppen protestierten in dieser Woche erneut gegen die Reform der Champions League ab 2024. Die UEFA hat eine Hintertür für Nachverhandlungen geöffnet, die nationalen Ligen hoffen noch auf Änderungen. Die Spitzenklubs wollen aber an den Plänen festhalten.

Am aktuellen Spieltag der Gruppenphase der Champions League war ein Spruchband in mehreren Stadien präsent: "Stop UCL Reforms" ("Stoppt die Reform der Champions League"). Das gleichlautende Plakat platzierten Fans von Borussia Dortmund, Bayern München, Young Boys Bern, FC Porto, FC Liverpool bei den Spielen ihrer Klubs. "Fußball für Millionen von Fans - nicht für Milliarden von Euros", hieß es auf weiteren Spruchbändern.

Gemeint ist die Reform der Champions League ab dem Jahr 2024, die das UEFA-Exekutivkomitee am 19. April 2021 beschloss. Viele Fangruppen sind völlig unzufrieden mit diesen Plänen.

Die Kernpunkte:

  • Wegfall der Gruppenphase, Einführung einer Gesamttabelle: Die Klubs auf den Plätzen 1 bis 8 spielen im Achtelfinale, die auf den Plätzen 9 bis 24 in einer Zwischenrunde.
  • 36 statt 32 Teams spielen mit.
  • Von den vier zusätzlichen Teams sollen sich zwei nicht mehr über ihre nationale Liga, sondern über den Fünf-Jahres-Koeffizienten der UEFA qualifizieren. Das ist eine Rangliste der Klubs unter Berücksichtigung der Europapokalergebnisse der jeweils vergangenen fünf Jahre. Es ist ein Rettungsnetz für schwächelnde Spitzenklubs, wenn sie die Champions League in ihrer heimischen Liga verpassen.
  • Die Vorrunde soll pro Klub zehn statt bisher sechs Spiele umfassen.
  • Die Gesamtzahl der Spiele steigt von 125 auf 225.

In ihrem Beschluss hat die UEFA kommunikativ deutlich eine Hintertür für Veränderungen an diesen Plänen aufgestoßen. Darin heißt es wörtlich: "Änderungen am neuen Format (…) können bei Bedarf noch vorgenommen werden." Und der Bedarf ist da.

Ligenverband: "Wir sind mit vielen Dingen nicht glücklich"

"Wir denken, dass es noch Änderungen geben wird", sagte Jacco Swart, Geschäftsführer des europäischen Ligenverbands European Leagues. Er äußerte sich am 28. Oktober nach der Generalversammlung des Verbands, in dem auch die Deutsche Fußball Liga organisiert ist.

Jacco Swart, Geschäftsführer der European Leagues

Jacco Swart, Geschäftsführer der European Leagues

"Es ist klar, dass wir mit vielen Dingen, die da entschieden wurden, nicht glücklich sind. Es wird eine zweite Phase in diesem Vorgang geben", sagte der Niederländer. Für die Ligen, inklusive der Bundesliga, steht eine Menge auf dem Spiel.

Die Probleme und Befürchtungen der Ligen sind:

  • Mehr Spieltage für den Europapokal heißt weniger Termine für nationale Wettbewerbe. Das könnte viele nationale Dinge in Europas Fußball in Frage stellen: den Ligapokal in England, Rückspiele in Italiens Pokal, 20 Klubs mit 38 Spieltagen wie in England und Spanien oder auch die deutsche Winterpause.
  • Mehr Spiele in Europa könnten auch zu einer Verschiebung von TV-Einnahmen und Sponsorengeld führen, weil Medien und Unternehmen das Geld dann in die Champions League statt beispielsweise in die Bundesliga stecken könnten.
  • In der Konsequenz könnte so noch mehr Geld bei den großen Klubs landen und das große Problem der Ungleichheit in den nationalen Wettbewerben mit Dauer-Meistern wie Bayern München, Roter Stern Belgrad oder Celtic Glasgow weiter befeuern.
  • Eine Qualifikation für die Champions League über den Koeffizienten wertet die nationalen Ligen ab. Sie wären nicht mehr der alleinige Schlüssel für die Teilnahme an der Königsklasse.

Claus Thomsen aus Dänemark, der neue Vorsitzende der European Leagues, kritisierte vor allem die Koeffizientenregel, die auf fünf Jahre alte Ergebnisse zurückblickt. "Das wollen wir ansprechen. Der Zugang muss über sportliche Leistungen geregelt sein, nicht über historische Ergebnisse", sagte Thomsen.

Klub-Vereinigung: "Das Gesamtpaket bleibt aus unserer Sicht sinnvoll"

Dem widerspricht die europäische Klub-Vereinigung ECA. "Es ist einfach, ein bisschen zu einfach, sich auf einen einzelnen Aspekt zu stürzen, wenn es sich doch um ein großes Paket an Reformen handelt", sagte ECA-Geschäftsführer Charlie Marshall nach der Generalversammlung der Organisation am 7. September 2021.

Er wies den Ansatz deutlich zurück, dass der Koeffizient keine sportlichen Leistungen widerspiegele. Leistungen im Europapokal seien selbstverständlich sportliche Leistungen. "Dahinter steckt eine Logik. Das Konzept stützt sich auf alle europäischen Wettbewerbe", sagte Marshall. "Das Gesamtpaket bleibt aus unserer Sicht sinnvoll."

Jedes Zugeständnis muss teuer erkauft werden

Die Verhandlungspositionen der Lager für die Gespräche mit der UEFA über das Format ab 2024 sind also klar, Kompromisse dürften aber teuer werden. So könnte beispielsweise ein Entgegenkommen der Spitzenklubs beim Koeffizienten den Ligen die Möglichkeiten nehmen, in den Verhandlungen die Anzahl der Spieltage zu verkleinern - was aber eines der Hauptanliegen ist. Sogar das Gegenteil könnte die Folge sein: Die ECA sprach zuletzt an, auch die Europa League und die Europa Conference League jeweils von 32 auf 36 Teams zu vergrößern, was bislang nur für die Champions League vorgesehen war.

Mit der Neuregelung des Financial Fairplay spielt zudem ein weiteres Thema möglicherweise eine Rolle. In der Fußballpolitik sind solche Themen nie ganz zu trennen, gerade wenn sie parallel verhandelt werden. Ein Zugeständnis bei der Reform der Champions League könnte auf der anderen Seite zu einem Entgegenkommen bei den finanziellen Regularien führen.

Die Chance der geplatzten Super League verpasst?

Für die Position der Ligen spricht, dass sich die Ziele mit denen der organisierten Fanszenen in großen Teilen decken. Zustimmung in der Öffentlichkeit ist dadurch leichter herzustellen. Allerdings ist möglicherweise ein Momentum verloren gegangen: Die Reform sollte die Super League verhindern, gegründet wurde diese trotzdem.

In der Folge saßen zwölf der größten Klubs Europas viele Wochen nicht mehr am Verhandlungstisch, die UEFA wollte nach Informationen der Sportschau mit den anderen Interessenvertretern aber erst nach Ende der Europapokal-Endspiele und der EM über die Reform der Champions League sprechen. Neun der zwölf Super-League-Klubs sind jedoch mittlerweils in der ECA und der UEFA rehabilitiert - mindestens im Hintergrund sind sie damit wieder Teilnehmer der Reformverhandlungen mit der UEFA. Diese würden "in den kommenden Monaten" laufen, hieß es vom europäischen Ligenverband.