Fußball | Bundesliga Der FC Bayern und die Sache mit der Wertschätzung

Stand: 08.02.2022 12:17 Uhr

Nach David Alaba verlässt schon der zweite Topspieler den FC Bayern München ablösefrei. Niklas Süle beklagte sich über mangelnde Wertschätzung - genau wie zuvor Jérôme Boateng und Toni Kroos.

Als Niklas Süle seinen Wechsel zu Borussia Dortmund publik machte, konnte er sich einen kleinen Seitenhieb auf den FC Bayern München nicht verkneifen. Er habe "von der ersten Kontaktaufnahme an sofort gespürt, dass die Verantwortlichen des Vereins ganz große Lust darauf haben, mit mir zu arbeiten", sagte der Nationalspieler: "Ich hatte das Gefühl, als Mensch und als Fußballer gewollt zu werden. Die Art und Weise, wie sie sich um mich bemüht haben, hat mir imponiert, sodass ich schnell wusste, wo ich künftig spielen werde."

Mit der Verpflichtung Süles landete Borussia Dortmund einen echten Transfercoup. Der 26 Jahre alte Innenverteidiger ist ablösefrei. Er erhält einen Vertrag über vier Jahre bis 2026. Dabei hätte Süle seinen am Saisonende auslaufenden Vertrag bei den Bayern auch verlängern können. Gespräche über eine weitere Zusammenarbeit waren aber gescheitert. "Es ist bei Niklas das Thema, dass er sich nicht genügend wertgeschätzt fühlt", sagte Süles Berater Volker Struth.

Rummenigge: "Brauchbarer Spieler"

Das zielt womöglich vor allem auf Karl-Heinz Rummenigge. Der ehemalige Vorstandschef hatte kritisiert, dass sich Süle nie "richtig durchgesetzt" habe. Er bezeichnete ihn als "brauchbaren Spieler". Das sehen andere bei den Bayern anders. "Uns alle nervt, dass der Niklas geht, er wird uns fehlen", sagte Kapitän Manuel Neuer. Auch Trainer Julian Nagelsmann ließ zuletzt immer wieder durchblicken, dass er Süle gerne behalten hätte. Und tatsächlich stand der Champions-League-Sieger von 2020 auch in dieser Bundesligasaison in allen Partien auf dem Rasen, in denen er nicht verletzt war. Stichwort "richtig durchgesetzt".

Auch Boateng beklagte sich

Mangelnde Wertschätzung wird den Bayern nicht zum ersten Mal vorgeworfen. Beispiel Jérôme Boateng. Der spielte zehn Jahre in München, gewann 2013 und 2020 das Triple aus Meisterschaft, Pokalsieg und Champions-League-Erfolg. Doch dann war er den Bayern nicht mehr gut genug und wurde 2021 vom Hof gejagt - ablösefrei. Auch das kam beim Team und beim damaligen Trainer Hansi Flick nicht sonderlich gut an. Auch Boateng beklagte über Jahre das fehlende Vertrauen der Vereinsoberen.

Der Weggang Boatengs bleibt vor allem als Kommunikationsdesaster in Erinnerung. Der wurde nämlich kurz vor dem wichtigen Spiel in der Champions League gegen Paris Saint-Germain vor vollendete Tatsachen gestellt.

Schlammschlacht mit Alaba-Berater

Ähnlich schlecht lief es bei David Alaba. Vor dem Wechsel des Österreichers zu Real Madrid lieferten sich die Bayern eine öffentliche Schlammschlacht mit dessen Berater. Alaba habe ein absurd hohes Gehalt gefordert, hieß es damals. Dem widersprach der Defensivspezialist energisch: "Geld war kein Faktor für mich." Am Ende ließen die Bayern ihn ziehen. Neben Alaba und Boateng verließ damals auch Javi Martinez die Münchner ablösefrei.

Kroos fühlte sich als einer von vielen

Der Wechsel von Alaba erinnerte wiederum stark an Toni Kroos. Der war nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 2014 für rund 30 Millionen Euro Ablöse ebenfalls zu Real Madrid gewechselt, nachdem Gespräche über eine Vertragsverlängerung gescheitert waren.

Auch Kroos sprach oft von – man ahnt es – mangelnder Wertschätzung. So wurde vor allem seine unspektakuläre Spielweise oft kritisiert. "In München war das Gefühl schon so: Das ist einer von vielen Nationalspielern, die wir haben. Und er ist von seiner Spielweise her auch nicht der auffälligste. Er ist halt auch dabei", hat Kroos hinterher mal gesagt: "Im Nachhinein kann man sicher sagen, dass es der ein oder andere bereut hat, mich gehen gelassen zu haben. Auch wenn der FC Bayern das nicht gewohnt ist, dass ein Spieler ihn freiwillig verlässt, war's dann eben so."

Tolisso auf dem Sprung

Und so ist es jetzt auch bei Süle. Er geht freiwillig. Den Bayern steht indes schon das nächste Problem ins Haus. Auch den Weltmeister Corentin Tolisso könnte der Klub ohne Ablöse verlieren. Real Madrid soll an dem 27 Jahre alten Franzosen interessiert sein. Wie bei Süle läuft auch dessen Vertrag im Sommer aus. Wie auch immer diese von jetzt schon mehreren Spielern geforderte "Wertschätzung" aussieht - wenn die Bayern nicht weiterhin Leistungsträger an die Konkurrenz verlieren wollen, sollten sie diese vermutlich erhöhen.