Der Sport in der Coronavirus-Pandemie Englands Sport öffnet für Fans - auch ohne Impfnachweis

Stand: 06.07.2021 18:41 Uhr

60.000 Menschen dürfen ohne Maske im Wembleystadion beim Halbfinale und beim Endspiel der EURO 2020 dabei sein. Doch die britische Politik geht weiter und öffnet die Ränge der Sportstätten komplett: Wimbledon darf alle Ränge besetzen, bis zu 140.000 Fans könnten zur Formel 1 nach Silverstone kommen. Impfnachweise sind nun freiwillig. Deutschland hob die Quarantänepflicht für Einreisende aus Großbritannien auf.

Premierminister Boris Johnson sagte am Montag (05.07.2021), dass es das Ziel sei, zum 19. Juli alle Beschränkungen bei der Zulassung von Fans auf den Rängen aufzuheben. "Wir werden alle gesetzlichen Beschränkungen widerrufen und die Menschen ihre eigenen Entscheidungen treffen lassen", sagte Johnson. "Alle Limitierungen werden drinnen und draußen abgeschafft. Die Beschränkungen für die Anzahl von Menschen die zu Konzerten, Theatervorstellungen oder Sportveranstaltungen gehen, werden aufgehoben." Ein Impfnachweis sei grundsätzlich nicht mehr vorzulegen, so Johnson. Es sei denn, der Veranstalter fordert dies.

Inzidenz in Großbritannien auf 250, Deutschland beendet Quarantänepflicht

In Großbritannien steigen die Infektionszahlen derzeit stark an, Grund ist die Delta-Variante des Coronavirus. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt inzwischen bei knapp 252,7, in Deutschland beträgt der Wert derzeit 5,0. Eine Lockerung der Einreisebestimmungen in Großbritannien ist aktuell allerdings nicht vorgesehen.

In Deutschland schon. Großbritannien wird ab Mittwoch nicht mehr als Virusvariantengebiet eingestuft, sondern nur noch als "Hochinzidenzgebiet". Für aus Großbritannien einreisende Menschen gilt somit keine strenge Quarantänepflicht mehr, wie das Robert Koch-Institut mitteilte. Für vollständig Geimpfte und Genesene entfällt die Quarantänepflicht ganz, für alle anderen wird sie verkürzt.

Britische Regierung: Impfungen reduzieren Behandlungen im Krankenhaus und Todesfälle

Warum öffnet die britische Regierung nun trotz der steigenden Zahlen alle Sportstätten? Premierminister Johnson sagte, dass die Impfungen gegen das Virus der Grund seien. Selbst wenn die Infektionszahlen steigen, sei die Zahl der Behandlungen in Krankenhäusern und die Zahl der Toten auf einem deutlich niedrigeren Maß.

Tatsächlich hat sich nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität die Sieben-Tage-Inzidenz seit dem Beginn der Fußball-EM Anfang Juni in dem Land mehr als vervierfacht. Die Zahl der täglichen Todesfälle, die mit einer Corona-Infektion in Verbindung gebracht werden, ist dagegen nach aktuellen Zahlen kaum gestiegen. Die Zahl der Menschen, die mit Covid-19 ins Krankenhaus mussten, stieg nach Regierungsangaben in etwa halb so stark wie die Inzidenz.

Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) warnt dennoch vor der Delta-Variante des Coronavirus. Lockerungen könnten zu einer rasanten Ausbreitung führen und damit auch die täglichen Fälle, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle schnell und signifikant ansteigen lassen, so die EU-Behörde. Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass die Variante ansteckender ist. Die Gefahr eine Übertragung an Personen aus Risikogruppen sei dadurch größer. Viele Menschen hätten zudem noch keine zweite Impfung erhalten.

Kritik von britischer Opposition, EU-Behörde warnt

Kritik kam von der Opposition. "Die Vorstellung, dass man bei steigenden Infektionszahlen gleichzeitig alle Schutzmaßnahmen ablegt ist leichtsinnig, fürchte ich", sagte der Vorsitzende der Labour-Partei Keir Starmer. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zuletzt zu Gesprächen in Großbritannien weilte, sagte schon mit Blick auf die gesteigerten Kapazitäten für die Fußball-EM: "Die britische Regierung wird ihre Entscheidungen treffen. Aber ich bin sorgenvoll und skeptisch, ob das gut ist und nicht ein bisschen viel."

Fans in Wembley: Die Inzidenz steigt, die Zahl der Fans im Stadion auch.

Fans in Wembley: Die Inzidenz steigt, die Zahl der Fans im Stadion auch.

Auch der Ärzteverband BMA ging scharf ins Gericht mit den Entscheidungen der Regierung: Die Bevölkerung selber entscheiden zu lassen, bedeute, die Angelegenheit "den am wenigsten Informierten, den sorglosesten und den gleichgültigsten Mitgliedern der Gesellschaft" zu überlassen, kritisierte der Verbandsvorsitzende Peter English.

Schon vor dem 19. Juli: Silverstone mit 140.000, Wembley mit 60.000

Ungeachtet der Kritik ist das Vorgehen für drei Großveranstaltungen bereits bestätigt. Alle finden vor dem 19. Juli statt: Das Formel-1-Rennen in Silverstone am 18. Juli sollen 140.000 Fans sehen können. Beim Tennisturnier in Wimbledon in dieser Woche dürfen die Tribünen des Centre Courts und des Court Nr. 1 ab dem Viertelfinale voll besetzt werden. Und bei der EURO 2020 stehen den Fans im Wembley-Stadion 60.000 der 90.000 Plätze zur Verfügung.

"Wir stellen sicher, dass jeder anwesende Fans entweder geimpft oder getestet ist", sagt Londons Bürgermeister Sadiq Khan im Interview mit der ARD. "Ich bin überzeugt davon, dass wir alles getan haben, um die Spiele sicher zu gestalten."

Die Veranstaltungen dürfen als Teil eines Forschungsprogramms mit negativen Tests und Impfnachweisen Fans zulassen. Eine Maskenpflicht gilt am zugewiesenen Platz nicht. In der Zeit nach diesen "Tests", deren Ergebnisse noch nicht vorliegen, ist nun geplant, alle Sportstätten komplett zu öffnen. Am 13. August startet nach aktueller Lage beispielsweise im Fußball die Premier League ohne jede Einschränkung.

Fans bei den EM-Spielen in Wembley (Quelle: UEFA)
Partie zulässige Zahl anwesend
England - Kroatien 21.500 18.497
England - Schottland 21.500 20.306
Tschechien - England 21.500 19.104
Italien - Österreich 21.500 18.910
England - Deutschland 45.000 41.973
Halbfinale 1 60.000 ?
Halbfinale 2 60.000 ?
Endspiel 60.000 ?

Der "Freiheitstag" war verschoben worden

Der sogenannte ausgerufene "Freiheitstag", an dem weitgehend alle Regeln fallen sollen, war von der britischen Regierung eigentlich schon für den 21. Juni angekündigt. Die Aufhebung der Maßnahmen folgt nun mit Verspätung - am 19. Juli. Johnson baute sich allerdings eine kleine Umkehrmöglichkeit bei weiter steigenden Fallzahlen ein: Die Entscheidungen sollen am 12. Juli nochmals offiziell bestätigt werden.

Für Wales, Schottland und Nordirland gelten die Beschlüsse nicht - sie beschließen weitgehend ihre eigenen Corona-Regeln.