EURO 2020 Elf Eigentore - wie das passieren konnte

Stand: 07.07.2021 22:26 Uhr

Elf Eigentore hat es bei der EURO 2020 bislang gegeben, mehr als bei den 15 EM-Turnieren zuvor zusammen. Die Ursachen sind Zufälle und Fehler - aber auch die Auswirkungen einer Offensivstrategie.

"Teilweise steckt ein taktischer Trend dahinter", sagt Tobias Escher vom Taktik-Blog laptoptrainer.de im Gespräch mit der Sportschau. Mit dem Eigentor von Dänemarks Simon Kjaer im Halbfinale gegen England fiel das elfte Eigentor des Turniers.

Zwei Kategorien von Eigentoren: Torwartfehler und ein Taktiktrend

Für Escher lassen sich die Eigentore vor allem in zwei Kategorien einteilen:

1. Torwartfehler: Vier der elf Eigentore haben Torhüter erzielt. Bei Lukas Hradecky (Finnland) und bei Wojciech Szczesny (Polen) prallte der Ball vom Pfosten an die Torhüter und von dort ins Tor. Der slowakische Torwart Martin Dubravka faustete sich den Ball selbst ins Tor, Spaniens Unai Simón traf bei einem Rückpass von Pedri den Ball nicht richtig, der dann ins Tor kullerte. "Die Torhüter machen bei dieser EM viele Fehler", sagt Escher.

2. Scharfe, halbhohe Flanken: Die zweite Kategorie von Eigentoren fällt laut Escher in einen taktischen Trend. "Vier Eigentore sind nach sehr ähnlichen Spielzügen gefallen", sagt der Taktikexperte. Dabei habe die angreifende Mannschaft jeweils das Spiel auf den anderen Flügel verlagert und so einen Seitenwechsel vollzogen. "Die Bälle kamen in die letzte Linie, so dass der Spieler außen mit dem ersten oder zweiten Kontakt sofort scharf und halbhoch flankte. Die Verteidiger beförderten den Ball dann in das eigene Tor", sagt Escher.

"Das kann ein gutes Mittel sein. Durch den Seitenwechsel müssen sich die Verteidiger drehen, gleichzeitig auf die Spieler hinter sich achten und mit der Flanke umgehen." Das sorge für Desorientierung in der Verteidigung, was zu Fehlern führe. "Vor allem Deutschland setzt auf diese Taktik", sagt Escher. Es gebe häufig Seitenwechsel zwischen den Außenverteidigern Robin Gosens und Joshua Kimmich.

Die beiden portugiesischen Spieler Ruben Dias und Raphael Guerreiro trafen auf diese Weise gegen Deutschland ins eigene Tor. Der türkische Spieler Merih Demiral erzielte per Eigentor in diesem Muster beim Eröffnungsspiel gegen Italien das erste Tor des Turniers. Aber auch Mats Hummels unterlief ein solches Eigentor gegen Frankreich.

In keine der beiden Kategorien passten drei Eigentore: Kjaers Eigentor gegen England war keine Folge eines Richtungswechsels, er rutschte einfach in den Ball. Der Treffer des Schweizers Denis Zakaria ins eigene Tor gegen Spanien war schlicht ein entscheidendes Abfälschen. Und dem Slowaken Juraj Kucka unterlief gegen Spanien ein eher tapsiges Eigentor.

Die Eigentore der EURO 2020
Nr. Spieler Gegner Endergebnis
1 Merih Demiral (Türkei) Italien 0:3
2 Wojciech Szczesny (Polen) Slowakei 1:2
3 Mats Hummels (Deutschland) Frankreich 0:1
4 Ruben Dias (Portugal) Deutschland 2:4
5 Raphael Guerreiro (Portugal) Deutschland 2:4
6 Lukas Hradecky (Finnland) Belgien 0:2
7 Martin Dubravka (Slowakei) Spanien 0:5
8 Juraj Kucka (Slowakei) Spanien 0:5
9 Pedri (Spanien) Kroatien 5:3 n. V.
10 Denis Zakaria (Schweiz) Spanien 2:4 i. E. (1:1)
11 Simon Kjaer (Dänemark) England 1:2 n. V.

Geht es so weiter? Durchaus möglich

"Die Nationalmannschaften setzen einen Trend um, der sich zuletzt auch im Klubfußball zeigte", sagt Taktikexperte Escher. In der Bundesliga hätten einige Mannschaften in der abgelaufenen Saison auf diese Form der Spielverlagerung gesetzt, so Escher. "Vor allem Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt sind häufig so aufgetreten." Der Trend könnte sich also auch in der Bundesliga fortsetzen.