2:2 gegen Ungarn Goretzka - feine Füße und großes Herz

Stand: 23.06.2021 22:33 Uhr

Leon Goretzka rettet Deutschland vor dem Ausscheiden und setzt nebenher noch ein Zeichen in Richtung Ungarn und UEFA. Auch im Achtelfinale gegen England wird er ein Faktor sein.

Die Szene in der 84. Minute vereinte alles, was man zu diesem Spiel wissen musste: Über Umwege landete der Ball im Strafraum vor den Füßen von Leon Goretzka. Der in der 58. Minute eingewechselte Mittelfeldspieler zog mit voller Entschlossenheit aus 13 Metern ab. Sein abgefälschter Schuss landete unhaltbar für Ungarns Keeper Peter Gulacsi zum 2:2-Endstand im Netz. Und öffnete die Tür zum Achtelfinale gegen England im Wembley-Stadion in London am Dienstag (29.06.2021 / 18 Uhr live im Ersten und im Steam auf sportschau.de).

Klares Statement

Goretzkas Jubel war ein Mix aus Freude und Erleichterung - und einem klarem Statement. Im Freudentaumel vergaß Goretzka nicht, dass der Abend nicht nur unter einem sportlichen Stern stand. Er lief an der ungarischen Fankurve entlang und formte mit seinen Händen ein Herz. Zuvor hatte die UEFA verboten, dass das Münchner Stadion in Regenbogenfarben erleuchtet, weil es ein politisches Statement gegen Ungarn sei, wo ein neues Gesetz zukünftig Darstellungen von Homo- und Transsexualität in Lehrplänen verbieten soll.

Nicht einmal eine Stunde nach dem Spiel twitterte der 26-jährige Mittelfeldspieler des Rekordmeisters FC Bayern München das Jubelfoto mit den Worten "Spread Love" (Verbreitet Liebe) und Regenbogenfahnen-Emoji.

Die Geschichte der Regenbogenfahnen war die eine Geschichte des Abends und überhaupt des ganzen Tages - zahlreiche Fans auf den Rängen, die in regenbogenfarbener Kleidung oder mit den Farben der LGBTQ-Bewegung versehenen Fahnen kamen, hatten schon zuvor für einen Sieg der Toleranz gesorgt.

Deutsche Mannschaft tut sich schwer

Die andere war die einer deutschen Mannschaft, die sich gegen defensiv clever agierende Ungarn wahnsinnig schwer tat. Nichts war zu bemerken von der Eurphorie, die nach dem 4:2 gegen Portugal herrschte - stattdessen taten sich die Deutschen vor dem gegnerischen Tor schwer und vergaßen obendrein das Verteidigen. In der elften Minute ließ Mats Hummels Adam Szalai im Strafraum laufen, der Mainzer traf zur Führung.

Deutschland fand im Anschluss kein Mittel gegen die stark kämpfenden Ungarn. Nach langem brotlosen Anrennen erzielte Kai Havertz dann endlich den Ausgleich (66.), eher Zufallsprodukt als herausgespieltes Tor. Doch wenige Augenblicke später lag das DFB-Team nach einem Tor von Andras Schäfer unter freundlicher Mithilfe von Manuel Neuer und fast der gesamten Defensive wieder zurück - und wäre aufgrund des Unentschiedens zwischen Portugal und Frankreich (2:2) draußen gewesen.

Musialas Dribbling legte Grundstein des Ausgleichstreffers

Dann kam Goretzka - und regelte im Handstreich alles, was es zu regeln gab. Bundestrainer Joachim Löw hatte sich zuvor dagegen entschieden, den Bayern-Spieler, der gegen Portugal (4:2) nach einer Verletzung sein Comeback feierte, in die Startelf zu stellen. Stattdessen gab er Leroy Sané die Chance, der jedoch sehr enttäuschte. Goretzka sollte seine Kräfte bündeln für einen Jokereinsatz - eine Rechnung, die aufging.

Überhaupt hatte Löw ein gutes Händchen: Goretzkas Vereinskollege Jamal Musiala war der zweite entscheidende Joker. Sein Dribbling gegen drei Verteidiger ermöglichte Goretzka erst die Möglichkeit seiner Heldentat. Der Youngster kam erst zwei Minuten vor dieser Einzelaktion ins Spiel. In den beiden Partien zuvor hatte er sogar nur auf der Tribüne gesessen.

Goretzka gab sich nach der Partie cool: "Zweifel hatte ich zu keinem Zeitpunkt". Diese Einstellung dürfte dem DFB-Team auch im Achtelfinale gegen England helfen. Dann womöglich von Anfang an - als Startspieler mit Herz.