Halbfinale gegen England Halbfinalist Dänemark - Liebesgrüße aus Kopenhagen

Stand: 03.07.2021 23:30 Uhr

Dänemark unterstreicht mit dem Sieg gegen Tschechien und dem Einzug ins Halbfinale, dass es bei der EURO weiter auf einer besonderen Mission ist - und besonderen Rückhalt aus der Heimat erfährt.

Als es tatsächlich geschafft war und Dänemark im EM-Halbfinale stand, nach dem 2:1-Erfolg gegen Tschechien und einem wahren Kraftakt im Backofen von Baku, da sprach Dänemarks Coach Kasper Hjulmand vom großen Einsatz seiner Mannschaft. Von den müden Beinen, die sich in der zweiten Halbzeit bemerkbar gemacht hatten, gegen stärker werdenden Tschechen. Aber vor allem sprach Hjulmand über Liebe: "Wir haben soviel Liebe gespürt, vom ganzen Land, das macht uns alle stolz", sagte er am ARD-Mikrofon. "Ein großer Moment, wir genießen das."

Dänemark nach Eriksens Kollaps auf besonderer Mission

Die dänische Erfolgsgeschichte, die immer mehr an den Sensationstriumph von 1992 erinnert, geht also weiter bei dieser EURO. Und natürlich bleibt sie untrennbar mit den schockierenden Ereignissen um Christian Eriksen verbunden, Dänemarks Anführer, der im Auftaktspiel gegen Finnland mit einem Herzstillstand kollabiert war.

Seitdem sind die Dänen auf einer besonderen Mission unterwegs: Zu spüren war dies schon in Ansätzen gegen Belgien, im Spiel eins nach Eriksen, als die Dänen anstatt der erwarteten Schockstarre auf einmal Überfallfußball zeigten und den Favoriten am Rand einer Niederlage hatten. Mit den berauschenden Siegen im "Gruppen-Endspiel" gegen Russland sowie im Achtelfinale gegen Wales hatten sich die Dänen dann endgültig freigespielt.

Elfjähriger trifft Eriksen in Dänemark am Strand

Und als ob es noch ein weiteres Zeichen gebraucht hätte, ging am Tag des Viertelfinales gegen Tschechien das Foto des kleinen Björn Bindzus um die Welt: Dem Elfjährigen war am Strand in Tisvilde zufällig Eriksen über den Weg gelaufen, der sich daheim von seiner Herz-OP erholt. Eriksen posierte bereitwillig für ein gemeinsames Foto mit dem Jungen, der danach überglücklich der Boulevardzeitung "BT" erzählte, wie frisch und gesund Eriksen ausgesehen habe.

Dänemark auch zu stark für Tschechien

Seine Teamkollegen setzten ihren Erfolgszug dann im fernen Baku fort. Diesmal war es keine Offensivgala, aber ein mit Willenskraft und Überzeugung ertrotzter, am Ende dennoch logisch anmutender Sieg, der beim Beobachter den Eindruck hinterließ, das Schicksal habe noch etwas Besonderes vor mit diesen Dänen.

Auch die Tschechen, die zuvor die Niederlande mit beinharter Defensive zermürbt hatten, erweckten zumindest in der ersten Halbzeit den Eindruck, als wollten sie sich dem dänischen Fußball-Märchen nicht entgegenstellen. Gleich beim ersten Eckball der Dänen verharrten sie in Ehrfurcht - und erinnerten ein bisschen an den kleinen Maulwurf, den berühmten tschechischen Kinderfilmhelden, der sich bei einem seiner Ausflüge in die große Stadt staunend im Verkehrsgetümmel wiederfindet. Torschütze Thomas Delaney dürfte nach einer Ecke zuletzt so frei in der Jugend bei Kobenhavns Boldklub zum Kopfball gekommen sein.

Beim zweiten, letztlich vorentscheidenden Treffer demonstrierten die Dänen dann eine weitere große Stärke: Dass sie gleich mehrere Anführer im Team haben, die in der Offensive Verantwortung übernehmen, das Spiel beschleunigen und entscheidende Akzente setzen können. Joakim Maehle ließ seinen zwei EM-Treffern eine sensationelle Vorlage folgen und zeigte, warum er in Europa inzwischen einer der begehrtesten Spieler auf der linken Außenbahn ist: Mit einer technisch makellosen, präzisen Vorlage mit dem Außenrist an den Fünfmeterraum, dort musste Kasper Dolberg nur noch einschieben.

Dolberg wurde nach einer Stunde durch Yussuf Poulsen nahtlos ersetzt. Leipzigs Stürmer zeigte prompt seine beste Turnierleistung, hatte mehrere Chancen, arbeitete aber auch nach hinten und half mit, den Vorsprung über die Zeit zu bringen. Die elf dänischen Tore im bisherigen Turnier wurden von sieben Torschützen erzielt, auch dies unterstreicht ihre Stärke und mannschaftliche Geschlossenheit.

Harder: "Team wird vom ganzen Land getragen"

Womöglich sind die Dänen gar nicht mehr aufzuhalten bei diesem Turnier - ähnlich wie beim legendären EM-Triumph von 1992. Die Art, wie das Team die traumatischen Erlebnisse um Eriksen verarbeitete, habe in jedem Fall eine besondere Verbindung zwischen den Spielern geschaffen, schrieb Pernille Harder, Spielführerin des Frauen-Nationalteams, im "Guardian".

Die Spieler hätten gar nicht anders gekonnt, als offen über ihre Gefühle zu sprechen und sie miteinander zu teilen, so Harder. Sie hätten gezeigt, wie verwundbar sie sind, dies habe einen riesigen Rückhalt bei den Menschen in Dänemark erzeugt, so Harder: "Das Team wird vom ganzen Land getragen. Es gibt wirklich den Glauben, dass sie es bis ins Finale schaffen können."  Diese Liebe hat sie fürs Erste ins Halbfinale nach Wembley gegen England gebracht. Zuzutrauen ist ihnen womöglich noch mehr.