Fußball Transfermarkt - warum die versprochene Demut eine Illusion ist

Stand: 01.09.2021 06:00 Uhr

Sinkende Einnahmen, auch Existenzängste - die Corona-Pandemie hat den europäischen Spitzenfußball getroffen. Klubs und Verantwortliche versprachen eine neue Demut - doch von der ist nicht mehr viel zu spüren.

16. März 2020. Der Sitz der Deutschen Fußball-Liga, Frankfurt. So offen, so demütig, so selbstkritisch wie selten spricht DFL-Geschäftsführer Christian Seifert über das Geisterspiele-Konzept zur Fortsetzung des Spielbetriebs der Bundesliga. Die Fans hätten "tief sitzende Vorbehalte" gegenüber dem Profifußball "in seiner jetzigen Form". Diese Botschaft war eng verzahnt mit dem Ziel, die Politik zu überzeugen, dass wieder gespielt werden kann.

Auch Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund, meint zum damaligen Zeitpunkt: "Wir müssen uns selbstkritisch überprüfen. Jeder weiß, dass die Ablösesummen zu hoch sind. Ein bisschen Demut tut ganz gut." Doch dieses Versprechen ist mit Blick auf den Transfermarkt nur kurzfristig eingehalten worden.

Sportökonom Frick: "Sinkende Ausgaben nur eine Momentaufnahme"

Prof. Dr. Bernd Frick ist Sportökonom an der Universität Paderborn. Er hat am Hamburgischen Weltwirtschafts-Institut eine Studie zum vergangenen Transfer-Sommer 2020 veröffentlicht und meint: Wenn die Stadien wieder voll sind und dadurch die Einnahmen der Vereine wieder steigen, dann werden auch die Ausgaben wieder rasant wachsen. "Als Ökonom achte ich weniger darauf, was mir Menschen erzählen, sondern mehr darauf, was sie tun", sagt Frick, die versprochene Demut sei aus seiner Sicht nicht langlebig.

Fakt ist: Von Sommer 2017 bis Sommer 2019 sind die Transferausgaben aller Vereine aus den fünf europäischen Top-Ligen stetig in die Höhe geschossen: Von rund 4,58 Milliarden Euro auf 5,56 Milliarden Euro – ein Zuwachs von knapp 22 Prozent. Dann kam Covid-19: Ausfallende Spieltage, fehlende TV-Gelder, keine Zuschauereinnahmen durch die Geisterspiele.

Allein in der Bundesliga werden rund 16 Prozent (538 Millionen Euro) der Einnahmen durch die Spieltage generiert. Die Folge im vergangenen Transfer-Sommer: Die Ausgaben sanken tatsächlich – um deutliche 40 Prozent.

Messi, Ronaldo, Grealish – ein irrer Transfer-Sommer

Doch diese Delle wird sich wieder in einen Anstieg umkehren, meint Sportökonom Frick. Und Anzeichen dafür gibt es zumindest international ganz aktuelle: Zum Beispiel durch Mega-Transfers wie den von Jack Grealish (für 118 Millionen Euro zu Manchester City) oder Cristiano Ronaldo (für 15 Millionen Euro Sockelablöse und 29 Millionen Euro Gehalt pro Jahr zu Manchester United). Auch in Frankreich ging Paris St. Germain für 76 Millionen Euro shoppen.

Dass Lionel Messi, Sergio Ramos, Georginio Wijnaldum und Gianluigi Donnarumma in der Statistik zwar als ablösefrei auftauchen, darf dabei nicht den Blick täuschen: Allein Messi soll bei PSG bis zu drei Millionen Euro pro Monat (!) kassieren.

Mit diesen Summen konnte und kann die Bundesliga zwar grundsätzlich nicht mithalten, aber der Verein, der in diesem irren Transfer-Sommer hinter Manchester City am zweitmeisten zugeschlagen hat, kommt tatsächlich aus Deutschland: RB Leipzig. Insgesamt 91,62 Millionen Euro legten die Leipziger für Spieler wie André Silva, Angelino oder Benjamin Henrichs hin.

Frick: Versprochene Zurückhaltung der Bayern nur ein Vorwand

Und was macht Rekordmeister FC Bayern? Noch vor wenigen Wochen kündigte Präsident Herbert Hainer an, dass die Bayern "erhebliche Schleifspuren" durch die Corona-Pandemie erfahren haben und erteilte nach der Verpflichtung von Dayot Upamecano weiteren Deals eine Absage: "In diesem Sommer sind keine großen Transfers möglich." Kurz vor Ende der Transferperiode wurde dann die Verpflichtung von Marcel Sabitzer bekannt.

Ökonom Frick sieht in dieser versprochenen Zurückhaltung lediglich einen rhetorischen Trick: "Das dient mal wieder der Beruhigung der Fans. Das ist einfach eine strategische Rhetorik – wie vieles in den vergangenen Monaten. Der FC Bayern hat die höchste Transfersumme ausgegeben, die je für einen Trainer in der Bundesliga ausgegeben worden ist. Dayot Upamecano hat einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag gekostet. Jetzt ist noch Marcel Sabitzer gekommen. Was das mit Zurückhaltung zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht."

Fazit und Ausblick nehmen Illusion

Auch in Bezug auf die allgemeinen und grundsätzlichen Aktivitäten der sogenannten "Big Player" meint Frick: "Ich beobachte da keine Verhaltensänderung. Es gibt zwar vielleicht vereinzelt kleinere Vereine, die zurückhaltender agiert haben und werden. Aber das wird die Ausnahme bleiben. Insgesamt wird die Delle nur vorübergehend sein."

Mit Blick auf die englische Premier League rechnet Frick schon für das kommende Jahr wieder mit einem deutlichen Plus an Ausgaben. Auch in der Bundesliga wird das langfristig wieder passieren, schätzt er. Spätestens dann, wenn die Stadien wieder zu 100 Prozent ausgelastet werden können.