FC Barcelona Präsident Joan Laporta begrüßt den neuen Cheftrainer Xavi
analyse

Kaufrausch ohne Rücksicht FC Barcelona - wie die Axt im Transfer-Walde

Stand: 05.08.2022 08:56 Uhr

Der FC Barcelona sorgt nicht nur aufgrund seiner finanziellen Situation für Aufsehen auf dem Transfermarkt. Die Hauptrolle spielt Präsident Joan Laporta.

Sollte Julian Nagelsmann den Wunsch haben, in seiner Karriere mal Trainer des FC Barcelona zu werden, dürften sich seine Chancen zuletzt verschlechtert haben. "Das ist der einzige Klub der Welt, der kein Geld hat, aber jeden Spieler kauft, den er will", sagte der Coach des FC Bayern München.

Enorme Investitionen dank kreativer Geschäfte

Kritik, die Barca-Präsident Joan Laporta nicht so stehen lassen wollte. "Sie sollen auf ihr eigenes Bankkonto schauen, sie haben viel Geld für Robert Lewandowski bekommen. Ich respektiere jeden, und ich mische mich nicht in die Finanzen anderer Leute ein", sagte der 60-Jährige. "Sie haben die Stärke von Barca und den Elan des neuen Vorstands nicht richtig eingeschätzt. Es ist wahr, dass wir uns in einer unheilvollen Situation befanden, aber wir sind zurück."

Finanziell hat der 26-malige spanische Meister das vor allem mit dem Verkauf von Medienrechten und über Sponsoring-Deals geschafft. So war es möglich, mit Andreas Christensen (FC Chelsea), Franck Kessie (AC Mailand), Lewandowski, Jules Koundé (FC Sevilla) und Raphinha (Leeds United) fünf Top-Leute zu verpflichten, die drei Letztgenannten kosteten jeweils Ablösesummen von 50 Millionen Euro und mehr.

Besonders Chelsea ist Leidtragender

Aber nicht nur die wirtschaftlichen Aspekte sorgen für Aufregung auf dem Transfermarkt, auch das Verhalten der Barca-Verantwortlichen sorgt für reichlich Zündstoff. So haben sich Laporta und Co. vor allem beim FC Chelsea zu einem roten Tuch entwickelt.

Nach dem ablösefreien Transfer von Christensen ist Barcelona dem Klub um Trainer Thomas Tuchel bei zwei möglichen Verpflichtungen im letzten Moment dazwischengegrätscht. Koundé und Raphinha standen schon kurz vor dem Sprung an die Stamford Bridge, die Verträge waren ausverhandelt, die Gespräche mit den bisherigen Arbeitgebern der Vereine ebenfalls abgeschlossen - doch dann kam Barca und schnappte die Spieler noch weg.

Xavi lockt die Spieler

"Der Spieler hat uns gegenüber Chelsea vorgezogen, als er gemerkt hat, dass wir ein konsequentes Projekt mit einem Trainer, den er mag, haben. Da hatten wir einen Vorteil gegen unseren Mitbewerber", sagte Laporta über den Anteil von Coach Xavi Hernandez am Transfer. "Natürlich ist er wichtig gewesen. Ich habe mehrere Male mit ihm gesprochen. Seine Rede hat mich begeistert. Ich glaube, wir sehen den Fußball auf die gleiche Weise", bestätigte Koundé.

Xavi spielt überhaupt eine entscheidende Rolle bei den Barca-Transfers, daraus machte auch Lewandowski kein Geheimnis. "Wir hatten gleich eine gute Chemie, er meinte: ‘Ich warte auf dich.’ Xavi sagte mir, dass wir gut zusammenarbeiten und viel erreichen können. Er hat einen klaren Plan, wie er Barcelona wieder an die Spitze bringen möchte", sagte der ehemalige Stürmer des FC Bayern.

Seitdem Xavi das Traineramt im November 2021 übernommen hat, geht es bei dem damals kriselnden Verein wieder bergauf. Der 42-Jährige verkörpert als ehemaliger Weltklassespieler des Klubs wie kein anderer die Barca-DNA - und weiß, wie er Spieler begeistern kann, die eigentlich schon auf dem Weg zu einem anderen Klub sind.

Streitthema Frenkie de Jong

Auf den Weg zu einem anderen Klub könnte sich - zumindest wenn es nach den Barca-Verantwortlichen geht - auch Frenkie de Jong in absehbarer Zukunft machen. Mit Manchester United soll sich der Verein nach übereinstimmenden Medienberichten bereits auf eine Ablösesumme für den niederländischen Nationalspieler geeinigt haben - der Spieler selbst lehnt den Wechsel bislang jedoch ab.

Will den FC Barcelona nicht verlassen: Frenkie de Jong.

Will den FC Barcelona nicht verlassen: Frenkie de Jong.

Der Hintergrund ist hierbei finanzieller Natur. Barca muss Gehälter einsparen, um neue Spieler in der spanischen Liga registrieren zu können. Weil die Gesamtverdienste der Spieler den Regularien der Primera Division nicht entsprechen, musste der Klub auch Lionel Messi (jetzt Paris St. Germain) vor einem Jahr gehen lassen.

Verstößt Barca gegen das Recht?

Barca soll aufgrund des Wechselverzichts von de Jong bereits eine unmoralische Lösung vorgeschlagen haben. Laut "AS" habe Xavi dem Spieler mitgeteilt, dass er weiter mit ihm plane, sofern er auf die Hälfte seines Gehalts verzichte. Ein Angebot, das für Empörung sorgte. "Ein Klub, der ein Vermögen für neue Spieler ausgibt, während er nicht diejenigen voll bezahlt, die er unter Vertrag hat, ist unmoralisch und verstößt gegen Recht", twitterte beispielsweise der ehemalige englische Nationalspieler Gary Neville.

Auch die spanische Liga erinnerte die Barcelona-Bosse daran, dass ein solches Unterfangen nicht in Ordnung ist. "Die Spieler können nicht vom Team getrennt oder unter Druck gesetzt werden - das ist das, was der Tarifvertrag, das Gesetz, die Vernunft und Ethik auszeichnen. Diese Regeln kennt auch Barcelona", sagte La-Liga-Präsident Javier Tebas.

"Es wird noch mehr Überraschungen geben"

Barca bestreitet, de Jong unbedingt abgeben zu wollen und relativiert auch die Vorwürfe, einen Gehaltsverzicht erzwingen zu wollen. "Als erstes will ich sagen, dass wir wollen, dass Frenkie in Barcelona bleibt, das will er auch", sagte Laporta. "Alles, was wir mit ihm machen, machen wir auch mit dem Rest des Teams - aber wir können ihn nicht zu einer Gehaltskürzung zwingen. Das ist seine Entscheidung. Es gab keine Erpressung bei de Jong oder einem anderen Spieler."

Es ist dennoch eine weitere Anekdote eines Transfersommers, der zeigt, dass Barcelona mit aller Macht zurück an die europäische Spitze will. Die Verantwortlichen auf dem Transfermarkt wie die Axt im Walde. Und sie sind noch längst nicht fertig. "An alle, die wir überrascht haben: Ich würde sagen, dass wir sehr lebendig sind und zurück auf dem Markt - und es wird noch mehr Überraschungen geben", kündigte Laporta an.