Grafik Sport Inside - Katar - WM der Schande, Episode 3 – Der Plan

Doku-Serie "Katar - WM der Schande" Katar und das Sportswashing

Stand: 21.10.2022 08:35 Uhr

Katar poliert mit der WM sein Image auf und baut seine Sicherheitspolitik auf Aufmerksamkeit auf. Neben der WM ist auch der FC Bayern München Teil dieser Strategie.

Qatar Airways ist seit 2018 Sponsor von Bayern München. Die Warnungen an die Bayern, nicht Teil einer Sportswashing-Aktion zu werden, seien im Vorfeld sehr deutlich gewesen, sagt der ehemalige Human Rights Watch-Mitarbeiter Nicholas McGeehan. Ende 2016 kontaktierte das Bundeskanzleramt die Menschenrechtsorganisation und bat die Organisation um eine Einschätzung zu einer möglichen wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Katar und dem deutschen Rekordmeister.

"Entwicklung in Katar durch den FC Bayern? Dafür gibt es keine Beweise"

"Wenn der FC Bayern nicht Teil einer Imagekampagne für Katar werden wollte, dann sollte der Klub veröffentlichen, was er in Bezug auf Arbeitsreformen von Katar erwartet", berichtet McGeehan. "Und vor allem sollte der FC Bayern vor Ort Prüfungen durchführen: vom Hotel, in dem sie übernachten. Die Organisation, die sie sponsert. Den Platz, auf dem sie trainieren. Was passiert vor Ort? Sind sie mit der Situation der Menschenrechte zufrieden? Sind sie mit den Maßnahmen einverstanden? Und wenn nicht, dann müssen sie Veränderung fordern."

Bayerns früherer Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge behauptet 2019: "Seitdem Bayern München Partner von Katar ist, hat es nachweislich eine Entwicklung in Sachen Menschen- und Arbeitsrechte im positiven Sinne gegeben." McGeehan erwidert: "Meiner Meinung nach grenzt das an eine Art Wahnvorstellung und zeigt eine ziemlich arrogante Haltung in Bezug auf ihre eigene Rolle. Der Verein wiederholt die PR-Aussagen der Kataris, dass sich Dinge entwickelt hätten. Und wie der Fußball dafür verantwortlich sei und dass der FC Bayern dabei eine Rolle gespielt habe. Dafür gibt es keine Beweise."

Das Logo von "Qatar Airways" auf dem Ärmel des Trikots des FC Bayern München

Das Logo von "Qatar Airways" auf dem Ärmel des Trikots des FC Bayern München

Katar mit viel Geld im europäischen Fußball

Nicht nur die Bayern sind Teil von Katars Sponsoring-Netzwerk. 2013 wurde die staatseigene Fluglinie auch Trikotsponsor des FC Barcelona. Den Vertrag über drei Jahre ließ sich Katar rund 100 Millionen Euro kosten. Auch AS Rom und die UEFA bei der EM 2021 waren Partner.

Katars Geschäftsbeziehungen, nicht nur zu Fußballklubs, sind Teil einer aufwändigen Strategie: Dank der immensen Öl- und Gasvorkommen gibt es weltweit milliardenschwere Investitionen in Wirtschaft, Kultur, Politik. Mehr als 25 Milliarden Euro hat der katarische Staatsfonds allein in Deutschland investiert. Das Land ist zum Beispiel an Hapag Lloyd, Siemens, der Deutschen Bank und Volkswagen beteiligt.

"Katar ist ein sehr kleines Land und umgeben von zwei sehr mächtigen Ländern: Saudi-Arabien und Iran. Diese sind Partner und Freunde, aber gleichzeitig auch eine Bedrohung. Die Angst basiert auf dem Einmarsch Iraks in Kuwait 1990", sagt James Dorsey. "Katar weiß, dass sich die eigene Sicherheit vergrößert, wenn das Land für die internationale Gemeinschaft relevant ist." Sportveranstaltungen bedeuten Aufmerksamkeit und Relevanz.

Alles begann mit Boris Becker

Den Auftakt internationaler Sportveranstaltungen machte 1993 das ATP-Tennisturnier in Doha. Hauptattraktion der Katar Open ist Boris Becker. Für sein umfangreiches PR-Programm in Katar erhielt Becker damals eine sechsstellige Summe. Das Turnier existiert bis heute. Andere große Sportveranstaltungen wie die Handball-WM, eine Turn-WM oder eine Leichtathletik-WM folgten. Insgesamt hat Katar mittlerweile über 500 internationale Sportveranstaltungen ausgerichtet.

Das alles sei Teil eines 30-jährigen Projekts, sagt der französische Journalist Philippe Auclair. "Es ist ein Verteidigungsprojekt. Katar will seine Sicherheit und seinen Status im Konzert der Nationen sicherstellen, indem es im Sport massiv präsent ist."

Die Fußball-WM ist ein entscheidender Teil davon. Der Journalist Jens Weinreich meint zu der Bewerbung Katars: "Das war mit absoluter Gewissheit die teuerste Bewerbung, die es nicht nur für Fußballweltmeisterschaften, auch für die Olympischen Spiele jemals gegeben hat in der Sportgeschichte. Es war höchstwahrscheinlich auch die raffinierteste Bewerbung. In diesem Ausmaß und in dieser Konsequenz, auf dieser hohen Ebene hat es so was nie wieder gegeben."

Welche Rolle spielte das Treffen im Elysee-Palast?

Im November 2010 kamen kurz vor der Abstimmung Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, der damalige katarische Thronfolger Tamim al Thani sowie Michel Platini, zu der Zeit UEFA-Präsident und FIFA-Exekutivmitglied, für ein Mittagessen zusammen. Der Verdacht bis heute: Während des Mittagessens soll ein Deal ausgehandelt worden sein, im Gegenzug für die Stimme Platinis bei der Abstimmung nur zehn Tage später. Fakt ist: Platini stimmte für Katar, dazu bekannte er sich öffentlich. Ein weiterer Verdacht: Platini soll noch drei weitere europäische Fifa-Funktionäre dazu gebracht haben, für das Emirat zu votieren. Platini erklärte in der Vergangenheit, er habe sich nichts vorzuwerfen. Auch der Einstieg Katars bei Sarkozys Lieblingsklub Paris Saint-Germain soll Teil der Verhandlungsmasse gewesen sein.

Michel Platini (l.) grüßt den französischen Politiker Nicolas Sarkozy (r.)

Michel Platini (l.) grüßt den französischen Politiker Nicolas Sarkozy (r.)

2011 kaufte sich der katarische Investmentfonds "Qatar Sports Invest" für 130 Millionen Euro tatsächlich beim französischen Spitzenklub Paris Saint-Germain ein. Das Treffen im Elysée-Palast beschäftigt seit Jahren die französischen Strafermittler. Sie untersuchen, ob bei der Vergabe an Katar auch auf französischer Staatsebene geschachert wurde.

Der Kauf von Paris Saint-Germain hat in der Zwischenzeit den Fußball in Europa signifikant verändert. Die Mannschaft um Lionel Messi ist eine Ansammlung der prominentesten Spieler der Welt. Für Paris gibt es keine finanziellen Grenzen: Über eine Milliarde Euro hat Katar bisher für Spieler ausgegeben. Und mit dem Sportsender beIN Sports liefert Katar Geld in das System. "Wenn man die TV-Rechte für die großen Wettbewerbe besitzt, zum Beispiel für die Champions League sind sie es, die den Fußball am Leben erhalten. Der Fußball braucht sie", sagt Journalist Auclair.

Die PSG-Stars Lionel Messi (l.) und Kylian Mbappé klatschen sich ab

Die PSG-Stars Lionel Messi (l.) und Kylian Mbappé klatschen sich ab

FIFA Partner Katars mit der WM

Nun ist die FIFA Partner Katars - mit der Fußball-WM, einer der wichtigsten Sportveranstaltungen weltweit. "Die Beziehung zwischen der FIFA und dem WM-Organisationskomitee bestand darin, sich in der Öffentlichkeitsarbeit abzusprechen", sagt McGeehan von FairSquare. "Insbesondere wenn es um die Ausbeutung von Arbeitern ging. Der Gedanke daran ist schockierend. Wenn man zurückblickt, wie die FIFA auf Kritik an Katar für sehr lange Zeit reagiert hat, ist es naiv von uns zu glauben, dass es anders gelaufen ist."

Vierteilige Dokuserie im WDR-Hintergrundmagazin "Sport inside"

Tausende tote Gastarbeiter, undurchsichtige Vergabeverfahren, Boykott-Diskussionen: Die Fußball-WM in Katar ist eines der kontroversesten Sportereignisse unserer Zeit. Das WDR-Investigativformat "Sport inside" recherchiert bereits seit 2010 zu den Hintergründen dieser WM. Die vierteilige Doku-Serie "Katar - WM der Schande" und der Podcast "Die WM-Sklaven - Katar und die Geschichte der Gastarbeiter" zeigen die Ergebnisse dieser langjährigen Recherchen. Die Serie ist ab dem 7. Oktober in der ARD Mediathek und der Podcast ab 4. November in der ARD Audiothek verfügbar.