Fußball | EM Warum Großbritannien und Irland lieber die EM wollen

Stand: 07.02.2022 22:13 Uhr

Großbritannien und Irland haben sich gegen eine Bewerbung für die WM 2030 entschieden und wollen lieber die EM 2028 ausrichten. Die UEFA wird als der verlässlichere Partner gesehen.

Der britische Premierminister Boris Johnson hat gerade keinen Lauf. Seit Wochen sieht er sich Rücktrittsforderungen gegenüber, wegen der "Lockdown-Partys" an seinem Amtssitz. Nun musste er noch mitansehen, wie eins seiner erklärten Prestige-Projekte den Bach runtergeht: eine gemeinsame Bewerbung des Vereinigten Königreichs und Irlands für die Fußball-Weltmeisterschaft 2030.

Erst ein Mal, 1966, fand bislang eine WM im Mutterland des Fußballs statt. Zuletzt hatten sich die Briten vor mehr als zwölf Jahren beworben, damals für die WM 2018, wurden aber bei der berüchtigten Doppel-Vergabe an Russland und Katar ausgebootet. Nun plante die von Johnson geführte konservative Regierung einen neuen Anlauf, das WM-Turnier endlich wieder auf die Insel zu holen. Es sei einfach an der Zeit, "den Fußball nach Hause zu holen", verkündete Johnson im Vorjahr und gab dafür eine 2,8 Millionen Pfund teure Machbarkeitsstudie in Auftrag.

WM 2030 - Verbände aus dem Königreich und Irland geschlossen gegen Bewerbung

Deren Ergebnisse liegen nun vor - und haben die beteiligten Fußball-Verbände aus England, Schottland, Wales, Nordirland und den irischen Verband nun veranlasst, auf eine WM-Bewerbung zu verzichten. Dies gaben die fünf Verbände am Montag (07.02.2022) in einer gemeinsamen Stellungnahme bekannt. Sie kündigten an, stattdessen eine Bewerbung für die Europameisterschaft 2028 vorzubereiten. Wegen der "besseren Erfolgsaussichten", wie Mark Bellingham, Vorstandschef der englischen Football Association, in der BBC sagte.

Tatsächlich wurden die Chancen für eine erfolgreiche WM-Bewerbung als eher gering eingeschätzt. Zum einen gibt es für 2030 bereits Kandidaten aus Europa, die angestrebte gemeinsame Bewerbung von Spanien und Portugal soll auch bei der UEFA favorisiert werden. Zudem wollen Uruguay, Argentinien, Chile und Paraguay eine gemeinsame südamerikanische Bewerbung für die WM-Endrunde 2030 stemmen - exakt 100 Jahre nach der ersten Weltmeisterschaft in Uruguay, dies hätte sicherlich eine besondere Strahlkraft.

Seitenhieb auf die FIFA - "Unsicherheiten und offene Fragen"

FA-Vorstand Bellingham sprach aber auch von weiteren "Unsicherheiten", die am Ende den Ausschlag gegen eine WM-Kampagne gaben: "Es gibt viele offene Fragen. Etwa was den Zeitplan angeht und den künftigen Turnier-Zyklus." Ein deutlicher Seitenhieb auf den Weltverband FIFA, der ja weiter unbeirrt an seinem Plan festhält, die WM künftig alle zwei Jahre auszurichten. Die UEFA wird da auf der Insel offensichtlich als der verlässlichere Partner eingeschätzt. Zumal die prognostizierten Gewinne bei beiden Groß-Events unter dem Strich ungefähr gleich wären, wie die FA angab. Doch für die EM sprächen eben ein "klarer Zeitplan und ein klares Prozedere bei der Bewerbung", so Bellingham.

Spiele auch in Nordirland

Die gemeinsame Bewerbung für die EM 2028 wird von allen Verbänden mitgetragen, auch vom nordirischen Verband. Obwohl es in Nordirland kein Stadion gibt, das die Mindestanforderungen der UEFA für ein großes Turnier erfüllt. Doch es gibt bereits eine Planungsgenehmigung für ein neues Stadion, der Casement Park in Belfast, Heimat des Fußball- und Hurlingklubs Antrim, soll modernisiert und ausgebaut werden, für 35.000 Zuschauer. "Wir wollen eine echte Rolle spielen. Wir werden alles dafür tun, EM-Spiele nach Nordirland zu holen", sagte Patrick Nelson, Geschäftsführer des nordirischen Fußball-Verbands in der BBC.

Dass Nordirland als Ausrichter dabei ist, hätte auch politisch einen enorm hohen Symbolwert, nicht zuletzt für den angeschlagenen britischen Premier. Die negativen Folgen von Johnsons Brexit-Politik, Einfuhrkontrollen und Versorgungsengpässe, bekamen die Menschen in Nordirland besonders zu spüren, es kam wieder vermehrt zu Spannungen und Gewalt in der eigentlich befriedeten "Unruheprovinz". Sollte ausgerechnet Nordirland bei einer gemeinsamen EM als einziges Land keine Spiele bekommen, wäre dies ein verheerendes Signal an den unionstreuen Teil der nordirischen Bevölkerung, die sich ohnehin von London im Stich gelassen sehen.

Fristende für EM-Bewerbung: 23. März

Die FA hat die Londoner Zentralregierung bereits um die Unterstützung für die neuen EM-Pläne gebeten, stellvertretend für die anderen Verbände. Westminster reagierte zunächst zurückhaltend. Man akzeptiere die Entscheidung, hieß es in einer Erklärung des zuständigen Ministeriums für Sport und Kultur, eine WM für das Vereinigte Königreich und Irland bleibe aber weiter das große Ziel. Bis zum 23. März hat die britische Regierung noch Zeit, dann läuft die Bewerbungsfrist für die EM ab.