Grafik: Die Trainer der abstiegsbedrohten Bundesligsten (v.l. Frank Kramer, Sandro Schwarz, Thomas Reis)

Bundesliga-Saison 2022/23 Tradition schützt vor Abstiegssorgen nicht

Stand: 03.08.2022 16:42 Uhr

In der Fußball-Bundesliga beginnt die Saison 2022/23 - und mit ihr das große Zittern. Bei der Hertha, bei Aufsteigern und Beinahe-Absteigern - ein Überblick.

Über den 1. FC Union sprechen sie bei Hertha BSC nicht so gerne, man kann das schon verstehen. Union hat seit vielen Jahren denselben Trainer und Erfolg, von der Hertha kann man das nicht behaupten. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, wenn Herthaner über den Stadtrivalen sprechen müssen, nennen sie ihn selten beim Namen. Sie sagen lieber "Köpenick", wie der Stadtteil, in dem Union beheimatet ist.

Sandro Schwarz, 43, ist seit einigen Wochen Trainer von Hertha BSC. Berliner ist Schwarz nicht, aber das mit Hertha und Union, das hat er schon verstanden. Vor einigen Tagen sollte Schwarz über den Bundesliga-Auftakt sprechen und über den Gegner. Den Namen des Klubs sprach Schwarz nicht aus, er nannte ihn nur "Köpenick".

Auf Schwarz wartet in Berlin keine leichte Aufgabe. In der vergangenen Saison hatten Geschichten über die Hertha oft einen spöttischen Ton, der Klassenerhalt gelang nur über die Relegation. Nun ist der Trainer neu und der Kader ausgewogener besetzt, doch im DFB-Pokal flog Hertha unglücklich gegen Zweitligist Braunschweig raus.

Prognose: Natürlich sind da Hoffnungen auf eine Saison ohne Sorgen, doch die Realität der Hertha aus Berlin dürfte auch 2022/23 der Abstiegskampf in der Fußball-Bundesliga sein. Immerhin für den Klassenerhalt wird es reichen.

VfB Stuttgart - viele Fragezeichen vor dem Start

Am Ende war Jubel. Den Klassenerhalt in der Bundesliga hat der VfB Stuttgart in der vergangenen Saison so eben noch geschafft, nicht viele hatten das noch für möglich gehalten. Vor dem letzten Spieltag hatte Stuttgart drei Punkte Rückstand auf die Hertha, am Ende mussten die Berliner in die Relegation. In Stuttgart stürmten sie den Platz und übergossen sich mit Bier.

Und nun? Zweieinhalb Monate sind vergangen, und in Stuttgart hoffen sie, dass sich das mit der Dramatik und den Sorgen in der neuen Saison nicht wiederholen wird. Optimismus schadet nie, Sinn für Realität aber auch nicht: Der VfB hat in Orel Mangala (Nottingham Forest) einen Stammspieler verloren, der Verbleib der Leistungsträger Borna Sosa und Sasa Kalajdzic ist unsicher. Besser ist der Kader nicht geworden.

Prognose: Viel wird davon abhängen, ob Sosa und Kalajdzic in Stuttgart bleiben. Ohne sie dürfte der VfB es sehr schwer haben, in der Tabelle zwei oder gar drei Mannschaften hinter sich zu lassen.

FC Augsburg - für Aufbruchstimmung sorgt nur der Trainer

In Augsburg haben sie mal wieder den Neuanfang ausgerufen. Nichts soll mehr erinnern an die vergangene Saison, an deren Ende es gerade so zum Klassenerhalt reichte. An den Konflikt zwischen Sportchef Stefan Reuter und Trainer Markus Weinzierl, der nach dem letzten Spiel im Fernsehen seinen Abschied verkündete. An den Fußball, der so oft zaghaft aussah und manchmal auch planlos.

Neuer Trainer beim FCA ist Enrico Maaßen, 38, er hat zuletzt die Reserve von Borussia Dortmund in der 3. Liga trainiert. Der Fußball dort war nie planlos und selten zaghaft, und in Augsburg hoffen sie nun, dass Maaßen das auch in der Bundesliga gelingt. Einfach wird das nicht.

Der Kader zählt zu den schwächeren in der Bundesliga - und er ist eher nicht besser geworden. Ein Beispiel: Michael Gregoritsch, Augsburgs bester Torschütze der vergangenen Saison, spielt nun in Freiburg. Den umgekehrten Weg ging Ermedin Demirovic, er hatte 2021/22 zwei Tore in der Liga erzielt.

Prognose: Der Fußball in Augsburg wird sich ändern, das schon. Auch wenn dieses Vorhaben durch den Ausfall von Schlüsselspieler Niklas Dorsch (Mittelfußbruch) erschwert wird. Doch um den Klassenerhalt wird der FCA bis zum letzten Spieltag zittern müssen.

Werder Bremen - immer wieder Werner

Die Bilanz von Ole Werner, 34, ist beeindruckend. Ende des Jahres 2021 hat Werner den Trainerposten bei Werder Bremen übernommen und seitdem im Schnitt 2,3 Punkte pro Spiel geholt, das reichte für den Aufstieg. In der Bundesliga wird Werner diesen Schnitt nicht halten können, in Bremen werden sie es verschmerzen können.

Natürlich ist Werder mehr als nur der Trainer Werner. Nach dem Aufstieg hat Bremen Spieler wie Niklas Stark, Amos Pieper oder Jens Stage verpflichtet, sie werden die Mannschaft mittelfristig verstärken. Und die Leistungsträger Niclas Füllkrug, Marvin Ducksch oder Marco Friedl blieben Werder treu. Es sieht gut aus für alle, die es mit den Bremern halten.

Prognose: Ganz frei von Abstiegssorgen wird Werder Bremen nicht sein, aber welchem Aufsteiger gelingt das schon? Am Ende aber muss Bremen nicht mehr zittern, der Klassenerhalt gelingt souverän.

Schalke 04 - Fragen, nicht nur nach Terodde

Die Bilanz war natürlich beeindruckend: In der vergangenen Saison hat Simon Terodde in 30 Spielen 30 Tore erzielt, nur war das in der 2. Liga. Da hat Terodde immer schon gerne getroffen. Nun spielt Terodde mit Schalke in der Bundesliga, und ein bisschen ist es mit dem Torjäger wie mit seinem Arbeitgeber. Man fragt sich das schon: Können die das?

Auf Schalke setzen sie natürlich auf die Tore von Terodde, sie haben zusätzlich auch noch Sebastian Polter verpflichtet, der in der vergangenen Saison immerhin zehn Bundesligatore für Bochum erzielt hat. Trotzdem sagt der Sportdirektor Rouven Schröder: "Das Jahr wird elementar schwer." Man möchte ihm nicht widersprechen.

Prognose: Schalke muss lange zittern, schafft aber den Klassenerhalt. Auch weil Terodde zeigt, dass er sehr wohl Bundesliga kann.

VfL Bochum - Realismus anne Castroper

Realismus können sie in Bochum. Vor einiger Zeit ist der Trainer Thomas Reis gefragt worden, was für den VfL Bochum, der in der vergangenen Saison als Aufsteiger so oft überrascht hatte, denn in der neuen Spielzeit möglich sei. Reis sagte, er erwarte ein "brutal schweres Jahr".

Reis muss fortan ohne die Tore von Sebastian Polter auskommen und ohne die Überraschungsmomente von Milos Pantovic, auch die beiden honchveranlagten Innenverteidiger Armel Bella-Kotchap und Maxim Leitsch sind weg. Philipp Hofmann, Philipp Förster oder Ivan Ordets müssen erst beweisen, dass sie als Ersatz taugen. Und auch sonst wird es nicht leicht für Bochum.

Prognose: Einen krassen Außenseiter wie zuvor die Spielvereinigung Greuther Fürth gibt es nicht, die Aufsteiger Schalke 04 und Werder Bremen bringen mehr individuelle Qualität mit. Bochum wird zittern müssen. Es wäre schon eine große Überraschung, wenn dem VfL erneut der Klassenerhalt gelingen würde.