Greta Beccaglia

Fußball | Sexualisierte Gewalt Live im Fernsehen - Sexuelle Gewalt gegen Sportjournalistin

Stand: 29.11.2021 21:30 Uhr

Die Sportjournalistin Greta Beccaglia ist bei einem Fußballspiel in Italien sexuell belästigt worden. Die Szene war live zu sehen, ein Moderator reagierte unangemessen. Der Täter ist identifiziert, gegen ihn wird ermittelt.

Die Belästigung der Frau durch einen Fan passierte im Rahmen der Berichterstattung aus der Stadt Empoli in der Toskana. Dort spielte der FC Empoli am Samstagnachmittag (27.11.2021) in der Serie A gegen den AC Florenz. Während Greta Beccaglia in einem Gespräch mit dem Lokalsender "Toscana TV" über das Spiel berichtete, näherte sich ein Mann von hinten. Er deutete an, sich in die Hand zu spucken und berührte die Frau anschließend am Gesäß.

Die sichtbar verstörte Frau versuchte, zu reagieren und sagte: "Entschuldigung, das dürfen Sie nicht tun." Aus dem Studio gab Moderator Giorgio Micheletti den Ratschlag: "Sei nicht böse."

Fan erhält Stadionverbot und Anzeige, er will um Entschuldigung bitten

Am Montag erstattete Beccaglia Anzeige gegen den Fan, der sie vor laufender Kamera demütigte. Der Mann ist inzwischen ermittelt. Er ist 45 Jahre alt, kommt aus der Provinz Ancona und ist ein Fan von AC Florenz. Gegen ihn wird nun offiziell wegen sexueller Gewalt ermittelt, ein Stadionverbot wurde vom Präfekten von Florenz erlassen.

In der Lokalzeitung "Corriere Fiorentino" äußerte sich der Mann zu seiner Tat und sagte, dass diese "absolut kein Akt von Sexismus" sei. "Wir hatten verloren und ich machte diese Geste in einem Moment des Ärgers und aus Scherzhaftigkeit. Ich habe nicht über alles nachgedacht. Mein Anwalt wird den Anwalt der Journalistin kontaktieren, ich möchte offiziell um Entschuldigung bitten."

Beccaglia: "Eine Entschuldigung reicht in diesen Fällen nicht aus"

Beccaglia reicht das nicht. "Wenn er sich entschuldigt, tut dieser Mann das Nötigste", sagte sie bei "Rai News". "Aber eine Entschuldigung reicht in diesen Fällen nicht aus. Die Gerechtigkeit muss ihren Lauf nehmen und feststellen, dass diese beschämende Geste falsch ist. Diese Gesten sollten niemals gemacht werden. Genug!"

Der Sender Toscana TV sicherte Beccaglia "unsere ganze Solidarität" zu. Der Sender verwies darauf, dass die Journalistin von weiteren Männern "auf unterschiedliche Weise belästigt" worden sei. "Ein anderer Fan kam zu mir und berührte mich im Intimbereich", bestätigte Beccaglia. "Ich hatte Probleme während der Live-Übertragung. Sie können es in meinem Gesicht sehen."

Auch gegen diese Person könnte ermittelt werden. Der Sender teilte mit, Beccaglia einen Rechtsbeistand zur Verfügung zu stellen. "Wir werden sie in jeder Form unterstützen, menschlich und finanziell."

Chefredakteur von Beccaglias Sender: "Wir müssen wachsam sein"

Auch die Reaktion des Moderators Micheletti war in sozialen Netzwerken Gegenstand großer Kritik. Marco Talluri, Chefredakteur von Toscana TV, bezeichnete die Reaktion des Moderators als falsch.

"Wir müssen wachsam sein und jede Verharmlosung dieses Vorfalls verurteilen", sagte Talluri. Micheletti gab an, dass er mit seinen Worten verhindern wollte, dass schlimmere Dinge passieren. Er bedauere nun seine Wortwahl, sagte er.

Serie A macht derzeit auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam

Der Vorfall ereignete sich an einem Spieltag, an dem die Serie A auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam machte. Viele Spieler malten sich aus Solidarität rote Farbe ins Gesicht.

Die Liga teilte mit: "Gewalt gegen Frauen ist in all ihren Formen hinterhältig und kann nicht gewinnen. Unser Engagement hört sicherlich nicht auf: Wir sind dabei und werden immer in der ersten Reihe stehen." Zu dem Vorfall in Empoli äußerte sich die Liga bislang nicht.

Belästigung und Herabwürdigungen: Alltag für viele Frauen im Sportjournalismus

Für Frauen sind Belästigung und Herabwürdigungen im Sportjournalismus kein neues Phänomen. Ende Dezember 2020 löschte Karen Carney ihren Twitter-Account, nachdem sie dort zahlreich Hassbotschaften erhielt. Die frühere englische Nationalspielerin, die für den Streamingdienst Amazon prime Spiele analysierte, hatte über Leeds United gesagt, dass der Aufstieg des Teams auch auf die Umstände der Coronavirus-Pandemie zurückzuführen sei.

Der offizielle Account des Klubs mit Hunderttausenden Followern stellte diese Einschätzung in Frage, die Folge waren zahlreiche Hassnachrichten gegen die Frau. Dem Klub wurde danach ein verantwortungsloses Handeln vorgeworfen.

Shitstorm gegen Claudia Neumann

In einer Diskussionsrunde im Deutschlandfunk berichtete die ZDF-Sportreporterin Claudia Neumann über ihre Erfahrungen. 2016 kommentierte sie bei der Europameisterschaft als erste Frau im deutschen Fernsehen ein Männer-Spiel bei einem großen Fußballturnier. Darauf folgte ein Shitstorm im Netz. Ihr sei vorher klar gewesen, dass es solche Beleidigungen geben würde, sagte Neumann. Frauen seien heute ein fester Teil der Sportberichterstattung, so Neumann. "Das Rad lässt sich definitiv nicht mehr zurückdrehen."