Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg (2.v.l.) klatscht nach dem 4:0-Sieg mit Giulia Gwinn ab.

Duell zwischen zwei Turnierfavoriten Deutschland will Spanien vor Probleme stellen

Stand: 12.07.2022 16:48 Uhr

Nach dem nahezu perfekten Start ins Turnier trifft Deutschland heute im zweiten EM-Gruppenspiel auf Spanien. Der Sieger des Duells könnte bereits den Einzug ins Viertelfinale klarmachen. Beide Teams müssen jedoch wichtige Spielerinnen ersetzen.

Von Florian Neuhauss (London)

Dabei scheint das Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg den Weg zwischen selbstbewusstem und demütigem Auftreten vor dem Duell mit den Ibererinnen gefunden zu haben. "Wir wissen, dass wir jeden Gegner schlagen können und wollen alle drei Gruppenspiele gewinnen", sagte Torhüterin Merle Frohms. Das 4:0 gegen Dänemark hat eindrucksvoll gezeigt, was die Mannschaft zu leisten imstande ist. Allerdings warnte Abwehrchefin Marina Hegering vor den Spanierinnen: "Die werden uns ganz anders fordern."

Voss-Tecklenburg: Als Team noch näher zusammenstehen

Zudem muss das deutsche Team auf Stürmerin Lea Schüller verzichten. Sie wurde am Tag vor der Partie positiv auf das Coronavirus getestet. Als Ersatz für den freien Platz im Angriff steht Kapitänin Alexandra Popp bereit, auch Laura Freigang von Eintracht Frankfurt ist eine Option. Voss-Tecklenburg reagierte gefasst auf den Ausfall der Bundesliga-Torschützenkönigin: "Für uns heißt das in erster Linie, dass wir als Team noch näher zusammenstehen und für Lea spielen. Wichtig ist, dass es Lea gut geht", sagte die 54-Jährige vor dem zweiten Gruppenspiel am Dienstag (12.07.2022 / 21 Uhr MESZ live im Ersten und bei sportschau.de).

DFB-Team trägt Masken - Infektionsrisiko besteht trotzdem

"Wir testen weiterhin, aber ich muss sagen, dass wir ohnehin schon sehr verantwortungsvoll mit der Situation umgehen. Wir können das Risiko nicht zu 100 Prozent minimieren", erklärte Voss-Tecklenburg vor dem Aufeinandertreffen der beiden Titelkandidaten. Die Bundestrainerin betonte nochmals, dass das komplette Team in den Innenräumen Maske trage, auch bei Besprechungen und bei der Anfahrt zum Stadion. Aber es gebe eben keine Blase bei der EM und sie gehe nicht davon aus, dass die Teams das Virus komplett draußen halten können.

"Hier denkt man gefühlt, dass es kein Covid mehr gibt", sagte sie bei der Abschlusspressekonferenz über die äußeren Umstände in England und übte Kritik an der Europäischen Fußball-Union (UEFA), die vor dem Turnier eine allgemeine Kaderaufstockung auf 26 Spielerinnen wie bei der anstehenden Männer-WM verweigert hatte: "Das entspricht nicht meinem Fairplay-Gedanken."

Freitesten frühestens nach fünf Tagen möglich

Schüller kann sich nach DFB-Angaben mit Verweis auf das UEFA-Protokoll nach fünf Tagen freitesten - wenn sie ohne Symptome ist. Die deutsche Auswahl hat ihr letztes Gruppenspiel am Samstag (16.07.2022 / 21 Uhr MESZ) gegen Finnland.

Voss-Tecklenburg: "Spanien hat eine super Mannschaft"

Die spanische Auswahl dürfte für die deutsche Mannschaft auf jeden Fall auch ohne die verletzt fehlenden Alexia Putellas, die am Spieltag am Kreuzband operiert werden soll, und Jennifer Hermoso eine andere Hausnummer sein als Dänemark. "Sie haben trotzdem eine super Mannschaft", betonte Voss-Tecklenburg. "Aber wir haben Schwächen entdeckt, die wir für uns nutzen wollen. Wir werden unsere Mittel und Lösungen finden, Spanien vor Probleme zu stellen."

Voss-Tecklenburg: "Jetzt heißt es, noch mehr zusammenstehen"

Sportschau, 11.07.2022 17:00 Uhr

Rauch: Vorzeichen haben sich nicht groß verändert

Durch den souveränen Auftritt gegen die Däninnen wird das deutsche Team in der Öffentlichkeit ganz anders wahrgenommen. Für die Spielerinnen selbst hat sich allerdings nicht viel verändert. "Ich habe uns von Beginn an zum Favoritenkreis gezählt", betonte Linksverteidigerin Felicitas Rauch. Und auch das Duell mit Spanien habe keine anderen Vorzeichen bekommen: "Wenn zwei so große Nationen aufeinandertreffen, ist immer Respekt da - und zwar auf beiden Seiten."

Künzer geht von verändertem Matchplan aus

Und doch hat sich im Vergleich zum jüngsten Auftreten bei EM und WM etwas Entscheidendes verändert. "Da ist Deutschland jeweils sehr verkrampft ins Turnier gestartet", sagte Sportschau-Expertin Nia Künzer. "Und wenn man ehrlich ist, hat sich diese Verkrampfung bis zum Ende auch nicht gelöst."

Bei der EM 2017 unter der damaligen Bundestrainerin Steffi Jones und bei der WM 2019, dem ersten Turnier unter Voss-Tecklenburg, sei es der Mannschaft nie gelungen zu zeigen, was sie kann. "Gegen Dänemark ist das aber wirklich gelungen - mit großer Intensität und begeisterndem Fußball."

Deutschland hat gegen Dänemark begeisternden Fußball gezeigt.
Sportschau-Expertin Nia Künzer

Künzer rechnet fest damit, dass die Bundestrainerin ihren Matchplan anpassen wird. "Die Spanierinnen haben die Qualität, das hohe Pressing zu umspielen - und dann kann es gefährlich werden", erklärte die Weltmeisterin von 2003. "Gleichzeitig muss Deutschland unbedingt Zugriff auf das Spiel bekommen, sonst laufen die Spielerinnen die ganze Zeit dem Ball hinterher." Bei auch am Abend noch vorhergesagten 28 Grad in London wohl keine allzu angenehme Vorstellung.

Fokus auf Innenverteidigerinnen Hegering und Hendrich

Hegering ist sich der Gefahren sehr bewusst: "Wir müssen sehr gutes Pressing spielen und kompakt bleiben, weil die Spanierinnen mit ihrem Kurzpassspiel da gerne reinspielen", warnte die Verteidigerin, die nach der EM vom FC Bayern München zum VfL Wolfsburg wechselt.

Dort wird sie in der Abwehr wie bei dieser Europameisterschaft an der Seite von Kathrin Hendrich verteidigen. Dass gegen Dänemark hinten die Null stand, war auch ein Verdienst dieses Duos und kam nicht von ungefähr. "Wir ergänzen uns sehr gut", freute sich Hendrich, die viel Tempo einbringt. Ihre Partnerin ist noch ein bisschen zweikampf- und vor allem kopfballstärker.

Und auch da könnte die deutsche Abwehr gefordert werden. Denn die Ibererinnen, die sonst eher dazu neigen, den Ball ins Tor zu tragen, erzielten überraschend gegen Finnland (4:1) drei ihrer vier Tore per Kopf. "Das können sie jetzt auch noch", sagte Künzer lachend.

Magull fit - Lohmann wohl nicht dabei

Gute Nachrichten gab es vom Abschlusstraining am Montagabend. Lina Magull konnte nach Oberschenkelproblemen die komplette Einheit absolvieren und wird wohl wieder von Beginn an auflaufen. Sydney Lohmann, die leichte Kniebeschwerden plagen, trainierte erneut nur dosiert. Voss-Tecklenburg will noch den Spieltag abwarten, die Tendenz geht aber eher dahin, dass Lohmann pausiert.

Magull, die Spielerin des Spiels gegen Dänemark, will auch gegen die Spanierinnen wieder vorangehen. "Wir haben ein richtig starkes Zeichen gesendet und gleichzeitig die Messlatte sehr hoch gelegt", meinte Magull. "Wir sollten den Fokus weiter auf uns legen. Denn es macht richtig Spaß, wenn wir als Team performen."

Je nach Ausgang des anderen Spiels in Gruppe B zwischen Dänemark und Finnland am frühen Abend, könnte Deutschland mit einem Sieg gegen Spanien bereits den Einzug ins Viertelfinale perfekt machen.

Mögliche deutsche Startelf gegen Spanien:

Frohms - Gwinn, Hendrich, Hegering, Rauch - Magull, Oberdorf, Däbritz - Huth, Popp, Bühl