Die halb-automatische Abseitserkennung soll dem Schiedsrichterteam die Arbeit erleichtern.

Fußball | WM 2022 Abseitstechnik - entscheidender Test für die WM 2022

Stand: 29.11.2021 09:30 Uhr

Die FIFA testet aktuell die halb-automatische Abseitserkennung. Die Technik soll dem Video-Assistenten anzeigen, ob sich ein Spieler im Abseits befindet und so wertvolle Zeit sparen. Ob die Technik bei der Fußball-WM 2022 zum Einsatz kommt, entscheidet sich laut FIFA nun auch bei einem Vorbereitungsturnier.

"Es gibt Teile des Video-Assistenten, die noch verbessert werden können. Und Abseits gehört ganz sicher dazu", sagte FIFA-Schiedsrichterchef Pierluigi Collina in einem vom Fußball-Weltverband am Montag (29.11.2021) verbreiteten Interview. "Wir sind uns im Klaren, dass die Überprüfung manchmal zu lange dauert, besonders bei knappen Entscheidungen. Auch die Genauigkeit der Linien ist nicht immer hundertprozentig."

Die Lösung, die die FIFA nun für beide Probleme liefern will, heißt: halb-automatische Abseitserkennung. Sie soll Abseitsstellungen schneller und genauer auflösen.

Das Prinzip: Technik schickt Signal, Schiedsrichterteam entscheidet

Die Technik würde die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter sowie den Video Assistant Referee (VAR) von der grundsätzlichen Frage nach einer Abseitsstellung befreien. Die Technik wird "halb-automatisch" genannt, weil die Technik nur die grundsätzliche Abseitsstellung anzeigt.

"Abseits erkannt" - die halb-automatische Abseitserkennung im Einsatz

"Abseits erkannt" - die halb-automatische Abseitserkennung im Einsatz

Der Video-Assistent muss diese Angaben bestätigen, der Schiedsrichter entscheidet dann, ob die Abseitsstellung strafbar ist - beispielsweise bei den Fragen nach passivem Abseits oder ob der Ball möglicherweise von einem Gegenspieler kam. Komplett automatisch läuft die Entscheidung über eine Abseitsstellung also nicht. "Die Entscheidung bleibt beim Schiedsrichter", sagte Collina.

An bis zu 29 Punkten des Skeletts werden Daten gesammelt

So funktioniert es:

Johannes Holzmüller, Direktor für Fußball-Technologie und Innovation bei der FIFA

Johannes Holzmüller, Direktor für Fußball-Technologie und Innovation bei der FIFA

  • Mit künstlicher Intelligenz werden 50 Mal pro Sekunde jeweils bis zu 29 Punkte am Skelett eines jeden Spielers auf dem Platz überwacht, dazu natürlich der Ball. "Wir werden unter dem Dach jedes Stadions zehn bis zwölf Kameras installieren lassen", sagte Johannes Holzmüller, Direktor für Football Technologie und Innovation.
  • Die Daten werden dem Video-Assistenten übermittelt. Die berechnete Abseitslinie und der Zeitpunkt der Ballabgabe stehen "nahezu in Echtzeit zur Verfügung", so die FIFA.
  • Der Video-Assistent kann damit nun die grundsätzliche Abseitsstellung klären, ohne wie bisher Abseitslinien selbst anlegen zu müssen - das spart Zeit. Die Dauer der Überprüfung war ein häufig genannter Kritikpunkt.
  • Zudem soll eine andere Streitfrage gelöst werden. "Wir hoffen, dass wir mit der Technik den exakten Moment der Ballabgabe ermitteln können", sagt der aus Bayern stammende Holzmüller. Es gab immer wieder Kritik, dass bei besonders knappen Abseitsentscheidungen die Grundlage fehle, da die verwendete Kameratechnik zu ungenau sei.

FIFA Arab Cup "ist der wichtigste Test bislang", sagt Collina

Beim FIFA Arab Cup, der am Dienstag (30.11.2021) in Katar beginnt, soll die halb-automatische Abseitserkennung erstmals offiziell eingesetzt werden. Bei dem Vorbereitungsturnier für die WM spielen 16 arabische Teams aus Asien und Afrika mit. Der Confederations Cup ist als bislang üblicher Testlauf abgeschafft geworden.

Weitere Tests gab es bei der Klub-WM in Katar zu Jahresbeginn 2021, sowie in mehreren anderen Ländern. In Spanien, England und auch in Düsseldorf arbeitete die FIFA eigenen Angaben zufolge an dem System. Das arabisch geprägte Turnier in Katar ist aber nun der möglicherweise vorentscheidende Einsatz. "Das ist der wichtigste Test bislang", sagte Collina. Ein weiterer könnte bei der kommenden Klub-WM im Februar in den Vereinigten Arabischen Emiraten folgen.

Tests für die halb-automatische Abseitserkennung in Düsseldorf

Tests für die halb-automatische Abseitserkennung in Düsseldorf

In England hatte die "Times" berichtet, dass dem Technik-Dienstleister Hawk-Eye zufolge einem Einsatz der Technik bei der WM nichts mehr entgegenstehe. Das bestätigte die FIFA auf Anfrage der Sportschau nicht.

Regelhüter müssen dem System nicht zustimmen

Die Fußball-Regelhüter des International Football Association Boards (IFAB) müssen einer Einführung der halb-automatischen Abseitserkennung nicht gesondert zustimmen. Die Spielregeln müssten nicht geändert werden, da die Technik Teil des VAR-Protokolls, nicht aber der Spielregeln wäre.

FIFA-Schiedsrichterchef Pierluigi Collina

FIFA-Schiedsrichterchef Pierluigi Collina

Eine Veränderung der Technik kann die FIFA vornehmen, solange sie die Regeln nicht verändert und auch das VAR-Protokoll grundsätzlich unverändert bleibt. Die FIFA hatte im Juli 2020 die weitgehende Kontrolle über die VAR-Angelegenheiten vom IFAB übernommen.

Ein Fall für die Bundesliga? Auch eine Kostenfrage

Dass die Technik - sofern sie von der FIFA eingeführt wird und sich bewährt - nach der WM auch in der Bundesliga zum Einsatz kommen wird, ist allerdings nicht sicher. Denn mit der Technik wären weitere Kosten verbunden. Die Klubs der 2. Bundesliga entschieden sich zuletzt beispielsweise aus Kostengründen gegen die Torlinientechnik. Die Klubs müssten einer Einführung zustimmen.