Analyse zum 4:2-Sieg über Portugal DFB-Team begeistert - weil Löw an den richtigen Stellen justiert

Stand: 19.06.2021 21:22 Uhr

Joachim Löw ändert nichts - und doch so viel. Der Bundestrainer gab der deutschen Nationalmannschaft den richtigen Plan an die Hand, um gegen Portugal in der Offensive zu begeistern.

"Ein großes Lob an den Bundestrainer. Das war auch ein großer Sieg für Jogi." Bundestrainer Joachim Löw nahm das Kompliment von Bastian Schweinsteiger ohne Regung hin. Aber es wird ihm schon gefallen haben, denn die Meinung des Sportschau-Experten dürfte Konsens unter allen Fußballfans sein, auch unter denen, die es nicht so gut mit dem Bundestrainer meinen.

Änderungen - nur nicht in der Startelf

Beim 4:2 im zweiten Gruppenspiel der EURO 2020 passte vieles, das gegen Frankreich noch nicht gepasst hatte. Löw hatte nach dem 0:1 zum Auftakt Änderungen angekündigt, die für Schwung in der Offensive sorgen sollten. Er hielt Wort, ohne Änderungen in der Startelf und der Grundformation vorzunehmen. Es waren die Aufgaben, die anders verteilt wurden, der Plan, der erfolgreich geändert worden war.

Tor lieber nicht mehr angeschaut

In der Trinkpause der ersten Halbzeit wurde das 0:1, die Führung für Portugal nach einem ganz schlecht abgesicherten Konter, nochmals auf den großen Bildschirmen unter dem Stadiondach gezeigt. Joachim Löw schaute nach oben, um die Fehler in der Entstehung zu erkennen. Nach dem Querpass von Diogo Jota drehte er den Kopf weg, das erste Tor Cristiano Ronaldos gegen Deutschland wollte er dann doch nicht mehr sehen.

Kurz vor der Halbzeit drehte sich dann Ronaldo wütend ab. Er hatte den Ball nochmal haben wollen, aber seine Kollegen nahmen das Tempo aus dem Angriff, der Pausenpfiff folgte wenig später.

"Alle zwei, drei Meter weiter vorne"

Das Spiel hatte sich gedreht. Deutschland führte nun mit 2:1, mit demselben Ergebnis endete auch zweite Halbzeit.

"Wir haben ein paar Veränderungen von den Positionen her vorgenommen. Alle waren zwei, drei Meter weiter vorne", sagte Thomas Müller, der eine hervorragende Leistung zeigte, auch wenn ihm weder ein Tor noch eine Vorlage gelangen.

Aber er bewegte sich viel und viel besser in den Räumen als gegen Frankreich, wurde angespielt, ließ sofort prallen oder spielte nach einem Kontakt ab. Da auch Toni Kroos - und zwar mehr als zwei oder drei Meter - weiter vorne spielte, ergaben sich Kombinationsmöglichkeiten, die zum Auftakt noch fehlten.

Ginter sorgt rechts für Überzahl

Hilfreich war auch, dass Matthias Ginter als rechter der drei Innenverteidiger im Aufbau auf die Seite schob, um dort eine Überzahl herzustellen. Die Stärken von Kimmich im rechten Mittelfeld kamen so viel besser zur Geltung.

Viele Angriffe liefen nach dem Schema, dass Deutschland auf der rechten Seite kombinierte, immer mehr Portugiesen auf die Seite zog und so Raum auf der anderen Seite schuf. Diesen Raum sollte Gosens, hinter dem sich der linke Innenverteidiger Antonio Rüdiger offensiv zurückhielt, besetzen.

Gegner aus der Ordnung gezwungen

Dass Robin Gosens mit zwei Vorlagen und einem Treffer zum "Spieler des Spiels" gewählt wurde, ist dem Plan und der hervorragenden Umsetzung geschuldet. Die Seitenverlagerungen wurden häufiger und präziser eingesetzt als bei der Niederlage gegen Frankreich, der Gegner viel besser aus der Ordnung gezwungen.

Thomas Müller gab aber auch zurecht zu bedenken, dass die Franzosen defensiv viel besser spielten als der Europameister aus Portugal, der fast ausschließlich über Konter gefährlich wurde.

Defensive weniger stabil

Die deutsche Defensive wirkte dabei weniger stabil als zu Beginn gegen den Weltmeister. Das Verhalten beim 0:1 war sogar grob fahrlässig, denn eine Seite des Spielfeldes wurde auf Anweisung der deutschen Trainerbank freigeräumt: Robin Gosens sollte rechts Kai Havertz bei der Konterabsicherung unterstützen, fehlte dann aber links bei Diogo Jota, der völlig frei für Ronaldo querlegen konnte.

Der brillanten Offensive war an diesem Abend geschuldet, dass dieses taktische Fehlverhalten letztlich folgenlos blieb: Es drehte sich noch alles zum Guten für die Auswahl des DFB, weil der Bundestrainer an den richtigen Stellen feinjustiert hatte.