Fußball | Corona-Krise Zuschauer in Fußballstadien - Politik kündigt Einschränkungen an

Stand: 30.11.2021 11:21 Uhr

Immer mehr Politiker drängen darauf, die Zuschauerzahlen bei Sportveranstaltungen zu reduzieren. Eine Krisensitzung dürfte heute die Richtung vorgeben, vielerorts werden wohl Geisterspiele kommen.

Nach einem Bundesliga-Wochenende mit einem Spiel ohne Zuschauer in Leipzig, einem voll ausgelasteten Stadion in Köln und allerlei Lösungen dazwischen ist die Zuschauerfrage offener denn je. Die Corona-Fallzahlen steigen auf immer neue Rekordhöhen, und die neue Virusvariante Omikron bereitet zusätzliche Sorgen. Heute um 13 Uhr beraten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Nachfolger Olaf Scholz mit den Ministerpräsident:innen in einer Schalte über Verschärfungen der Corona-Maßnahmen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte im Vorfeld bereits an, sich für Geisterspiele im ganzen Bundesgebiet einzusetzen. "Es macht auf absehbare Zeit keinen Sinn, wieder Zuschauer zuzulassen", sagte er am Dienstagmorgen dem Bayerischen Rundfunk. "Es ist eine wichtige Forderung, dass wir heute bundeseinheitlich beschließen, dass wir künftig keine Zuschauer mehr machen. Wenn das auf Bundesebene nicht funktioniert, würden wir das für Bayern allein machen."

Ob es tatsächlich zu einer bundesweit einheitlichen Regelung kommt, ist unklar. Die Inzidenzwerte variieren weiterhin stark. So lag Sachsen am Dienstag bei 1.268, Schleswig Holstein bei 150.

Bundesweiter Konsens scheint dagegen zu sein, dass die Maßnahmen verschärft werden müssen. "Auch wenn ich Fußball-Fan bin: In den Größen, in denen die Stadien jetzt besetzt sind, geht das nicht", sagte FDP-Parteichef Christian Lindner am Sonntagabend in der ARD-Talkshow Anne Will. Bereits zuvor hatte Arne Braun, Sprecher von Baden-Württembergs Landesregierung, angekündigt: "Es ist klar, dass im Profifußball Geisterspiele kommen."

Bilder von vollem Kölner Stadion lösen Kritik aus

Besonders polarisiert hatten am Samstag die Bilder vom komplett gefüllten Kölner Stadion beim rheinischen Derby zwischen dem FC und Borussia Mönchengladbach. "Volle Fußballstadien. Ich frage mich, was die, die auf Intensiv arbeiten, von diesem Land denken, wenn sie das übermüdet und am Ende der Kraft sehen", twitterte Katrin Göring-Eckardt, Co-Fraktionschefin der Grünen, am Samstag.

Die Stadt Köln hatte wenige Tage vor der Partie erlaubt, dass auch die Stehplätze des 50.000 Zuschauer fassenden Stadions voll besetzt werden dürfen. Nordrhein-Westfalens neuer Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sprach im ARD-Interview von einer "angemessenen Entscheidung" mit Verweis darauf, dass überall im Freizeitbereich die 2G-Regelung gelte, "also auch im Stadion an der frischen Luft". Am Montag schlug Wüst im Mittagsmagazin andere Töne an und sagte, volle Stadien und eingeflogene Patienten aus anderen Bundesländern passten nicht zusammen.

Omikron verändert die Lage

FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle argumentierte damit, dass bisher kaum Ansteckungen in Fußballstadien nachgewiesen worden seien. Er hatte zuletzt gegenüber dem WDR auf entsprechende Zahlen verwiesen, die die Deutsche Fußball Liga (DFL) in der laufenden Saison erhoben hat. Details bleiben allerdings unklar, da die DFL diese Zahlen noch nicht veröffentlicht hat. Ob sie dies jemals tun wird, sei noch nicht klar, sagte die DFL auf Sportschau-Anfrage.

Die neue Omikron-Virusvariante mischt die Karten ohnehin neu. Sie war laut Stadt Köln auch der Grund dafür, dass 90 Minuten vor Spielbeginn die Maskenpflicht noch schnell verschärft wurde, fortan auch am Platz galt.

Virus-Variante als Rechtfertigung

Wie ansteckend die in Südafrika entdeckte Variante ist, welche Symptome sie auslöst und wie gut die Impfstoffe gegen sie wirken, muss noch erforscht werden.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat das von Omikron ausgehende weltweite Risiko als insgesamt "sehr hoch" eingestuft und ihre Mitgliedsstaaten aufgerufen, Maßnahmen zur Eindämmung durchzuführen. Das könnte eine Vorlage für Landesregierungen sein, auch Maßnahmen zu rechtfertigen, die manche Politiker:innen bisher ausgeschlossen hatten.

Anreisen und Feiern als größte Gefahren bei Stadionbesuchen

Dass man die Lage in Fußballstadien neu bewerten müsse, sagt auch Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen. Stadionbesuche seien bei niedriger Inzidenz unter 2G-Regelungen, also nur mit geimpften und genesenen Zuschauern, zwar weitgehend sicher. "Bei diesen hohen Infektionszahlen und vor dem Hintergrund neuer und besorgniserregender Mutationen sind sie jedoch insbesondere ohne Masken und ausreichend Abstand einfach zu gefährlich", sagte der Arzt und Bundestagsabgeordnete am Sonntag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Dahmens SPD-Kollege Karl Lauterbach verwies außerdem auf die Gefahren im Umfeld der Spiele. "Viele Menschen reisen gemeinsam in einem Auto an, infizieren sich gegenseitig und tragen die Infektion danach in andere Gruppen", sagte Lauterbach im WDR.

Bremens Innensenator fordert Unterbrechung

Wie breit das Meinungsspektrum bei der Frage nach den angemessenen Maßnahmen ist, zeigt ein Beispiel aus Bremen. Der dortige Innensenator Ulrich Mäurer forderte am Freitag auch mit Blick auf begrenzte Polizeikapazitäten sogar einen Spielstopp. "Wir müssen auf die DFL einwirken, den Spielbetrieb umgehend zu unterbrechen oder zumindest vorerst nur Geisterspiele anzusetzen. Es gilt, in der Krise Prioritäten zu setzen. Ein Fußballspiel abzusichern, gehört definitiv nicht dazu."