Protest des DFB-Teams vor dem WM-Spiel gegen Japan.

FIFA WM 2022 Deutsche Spieler mit Protest gegen FIFA

Stand: 23.11.2022 21:30 Uhr

Manuel Neuer spielt gegen Japan ohne "One Love"-Binde, die deutsche Mannschaft hat das Vorgehen der FIFA bei der WM 2022 in Katar trotzdem kritisiert: Vor dem Anpfiff gegen Japan hielten sich die Spieler symbolisch den Mund zu.

Unmittelbar vor dem Anpfiff im Khalifa International Stadium von Ar-Rayyan stellte sich die deutsche Startelf zum Teamfoto auf - alle hielten sich dabei demonstrativ den Mund zu. 

Vorausgegangen war eine tagelange Diskussion um die "One Love"-Binde. Die FIFA hatte den europäischen Nationen, deren Kapitäne die bunte Armbinde bei der WM tragen wollten, mit Sanktionen gedroht. Neuer trug stattdessen die von der FIFA vorgegebene "No Discrimination"-Binde, die gegen Diskriminierung jeder Art stehen soll.

DFB: "Uns die Binde zu verbieten, ist wie den Mund zu verbieten."

Der DFB bezog zu der Aktion wenig später Stellung. Bei der "One Love"-Binde gehe es nicht um eine politische Botschaft, hieß es. "Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Das sollte selbstverständlich sein. Ist es aber leider immer noch nicht. Deshalb ist uns diese Botschaft so wichtig. Uns die Binde zu verbieten, ist wie den Mund zu verbieten. Unsere Haltung steht."

Bundesinnenministerin Faeser mit "One Love"-Binde neben Gianni Infantino

Bundesinnenministerin Nancy Faeser trug auf der Tribüne die von der FIFA verbotene "One Love"-Binde. Die SPD-Politikerin zeigte die Binde, die sie zunächst unter ihrem pinken Blazer trug, im Verlauf der ersten Halbzeit, als sie den Blazer auszog. Zeitweise war sie mit der Binde neben FIFA-Präsident Gianni Infantino zu sehen.

Nancy Faeser sitzt mit der One-Love-Binde neben Gianni Infantino.

Nancy Faeser sitzt mit der One-Love-Binde neben Gianni Infantino.

Auch Belgiens Außenministerin Hadja Lahbib trat beim Spiel ihrer Mannschaft gegen Kanada mit der Binde am Arm auf und befand sich auf der Tribüne ebenfalls neben FIFA-Präsident Infantino.

Belgiens Außenministerin Hadja Lahbib mit FIFA-Präsident Gianni Infantino

Belgiens Außenministerin Hadja Lahbib mit FIFA-Präsident Gianni Infantino

Neuendorf: "FIFA drohte mit Gelben Karten und mehr"

Der Deutsche Fußball-Bund hat sich erstmals konkret zu den Strafen für das Tragen der von der FIFA verbotenen "One Love"-Armbinde geäußert. Eine Gelbe Karte sei die Mindestsanktion, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf der Sportschau.

Das gehe aus einem offiziellen Schreiben der FIFA hervor, das der DFB am Mittwoch (23.11.2022) erhalten habe. In dem Schriftstück werde aber auch betont, dass die Bestrafung über eine Verwarnung hinausgehen könnte.

Glaubwürdigkeit verloren? Neuendorf: "Eine schwierige Situation für mich"

In einem Interview vor dem Spiel gegen Japan zeigte sich Neuendorf zudem vom Vorgehen der FIFA überrumpelt. "Wir haben nicht damit gerechnet, dass die FIFA uns überhaupt keine Antwort gibt und in dieser Form agiert", sagte er. Neuendorf bezog sich darauf, dass der Antrag auf das Tragen der Binde seit September bei der FIFA lag und bis kurz vor dem ersten Spiel nicht beantwortet wurde.

Neuendorf hatte stets gesagt, dass der DFB entschlossen sei, die Binde zu nutzen. Unter Androhung von Gelben Karten und möglicherweise weiteren sportlichen Sanktionen sagte der DFB die Aktion zunächst ab. Auf die Frage, ob er glaube, selbst an Glaubwürdigkeit verloren, sagte Neuendorf: "Das ist für mich eine schwierige Situation. Aber ich stehe zu dem was ich gesagt habe", sagte Neuendorf und nahm wohl Bezug auf die Forderung, dass die FIFA einen Entschädigungsfonds für Gastarbeiter einrichten soll und dass sich die FIFA an eigene Menschenrechtsvorgaben halten solle.

"Wir sind in der Opposition zur FIFA. Es ist wichtig, dass das deutlich wird", so Neuendorf. "Wir müssen überlegen, welche Schlüsse wir daraus ziehen."

Dänemark will Infantino bei Wiederwahl nicht unterstützen

Kritische Stimmen gab es auch aus Dänemark. Sportdirektor Peter Möller nannte dieses Verhalten des Weltverbands "inakzeptabel. Wir distanzieren uns entschieden von den Methoden der FIFA", sagte der frühere Nationalstürmer. "Allein die Tatsache, dass wir keine klare Antwort zu den möglichen Strafen bekommen haben, sagt doch alles."

Als Konsequenz aus dem Umgang mit den Kapitänsbinden will der dänische Verband FIFA-Präsident Infantino ab sofort nicht mehr unterstützen. Die DBU hofft darauf, bis zur Wiederwahl im März 2023 doch noch einen Gegenkandidaten für den Schweizer zu finden, obwohl die Bewerbungsfrist bereits abgelaufen ist. "Es gibt nur einen Kandidaten und wir müssen sehen, ob es doch noch einen neuen Kandidaten gibt. Denn es ist noch etwas Zeit", sagte der DBU-Vorsitzende Jesper Möller.

Klar sei: "Dänemark wird den derzeitigen Präsidenten nicht unterstützen. Wir müssen jetzt reagieren. Und wir haben das Gefühl, dass wir das wirklich müssen. Es ist zutiefst verwerflich, was da zuletzt passiert ist."

Binde als Zeichen für Toleranz

Die FIFA hatte dem Deutschen Fußball-Bund und sechs weiteren europäischen Verbänden verboten, eine Kapitänsbinde mit einem Herz vor bunten Farben und der Aufschrift "One Love" zu tragen. Die Teams wollten damit ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt sowie gegen Ausgrenzung setzen.

CAS: Noch kein DFB-Schreiben eingegangen

Der DFB hatte wegen des Verbots der Kapitänsbinde am Dienstag (22.11.2022) angekündigt, rechtliche Schritte und einen möglichen Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) zu prüfen. Der CAS erklärte auf Sportschau-Anfrage am Mittwoch (23.11.2022), dass bisher noch kein entsprechender Antrag des DFB eingegangen sei.

Gemeinsam mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf verfolgte Faeser die Partie. Auch Neuendorf war gemeinsam mit Infantino zu sehen.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf (r.) im Gespräch mit FIFA-Präsident Gianni Infantino (l.) während des WM-Spiels Deutschland gegen Japan.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf (r.) im Gespräch mit FIFA-Präsident Gianni Infantino (l.) während des WM-Spiels Deutschland gegen Japan.

Internationale Spielergewerkschaft solidarisiert sich

Die internationale Spielergewerkschaft FIFPRO solidarisierte sich mit der deutschen Mannschaft. "FIFPRO protestiert mit der deutschen Mannschaft gegen die Entscheidung der FIFA, Manuel Neuer das Tragen der "One Love"-Binde zu verbieten", hieß es in einem Tweet.