Fußball | WM 2022 Homosexuelle WM-Besucher? Katars Emir fordert "Respekt für unsere Kultur"

Stand: 20.05.2022 21:02 Uhr

Der Emir von Katar hat nach einem Besuch bei Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigt, dass bei der WM "alle Menschen willkommen seien", auch Homosexuelle. Tamim bin Hamad al Thani sagte aber zugleich: "Wir erwarten Respekt für unsere Kultur." Homosexuelle Handlungen sind in Katar strafbar.

"Wir werden niemanden aufhalten, zu kommen und Fußball zu schauen", sagte al Thani. "Wir heißen jeden willkommen, aber wir erwarten, dass unsere Kultur respektiert wird." Der Emir äußerte sich bei einem gemeinsamen Medientermin mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin, mit dem er zuvor unter anderem über Gaslieferungen Katars nach Deutschland gesprochen hatte.

Katar richtet vom 21. November bis 18. Dezember 2022 die Fußball-WM aus. Neben der Ausbeutung von Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern und der mutmaßlichen Korruption bei der Vergabe des Turniers stehen bei der Kritik an dem WM-Ausrichter auch die Rechte von Frauen und Homosexuellen im Mittelpunkt. Homosexuelle Handlungen sind in Katar strafbar. Die Strafen sehen Auspeitschen, Inhaftierung oder sogar die Todesstrafe vor - wobei letztere zumindest nach Erkenntnissen von Menschenrechtsorganisationen bislang nicht vollstreckt worden ist.

Katarischer Arzt: "Ich musste finanzielle Sicherheit, Heimat, Familie und Teile meiner Identität opfern"

Offen homosexuell zu leben, ist in Katar nicht möglich. Dr. Nasser Mohamed, ein Arzt aus Katar, sprach in einem Interview mit der BBC von der Angst, "sein Leben zu riskieren", wenn seine Homosexualität in seiner Heimat bekannt geworden wäre. "Jeden Tag in Furcht aufzuwachen, ist eine Strapaze." Er arbeitet mittlerweile in San Francisco und hat in den USA Asyl beantragt.

Sein Coming-out in den USA habe für ihn Folgen gehabt. "Ich musste meine finanzielle Sicherheit, meine Heimat, meine Familie und Teile meiner Identität opfern." Es gebe viele homosexuelle Menschen in Katar, sagte Mohamed. Eine Chance, jemals wieder nach Hause nach Katar zurückzukehren, sei für ihn unwahrscheinlich. Dort leben seine Geschwister und seine Eltern.

Skandinavische Medien: Hotelbuchungen homosexueller Menschen abgelehnt

Bei einer gemeinsamen Recherche der drei skandinavischen öffentlich-rechtlichen TV-Sender NRK (Norwegen), DR (Dänemark) und SVT (Schweden) in der vergangenen Woche zeigte sich, dass Homosexuelle und andere Menschen der LGBTQI+-Gemeinschaft damit rechnen müssen, in einigen Hotels auch während der WM keine Zimmer zu bekommen.

Journalisten hatten sich demnach als homosexuelles Paar ausgegeben und bei insgesamt 69 offiziellen WM-Hotels des Fußball-Weltverbandes FIFA nach einem Zimmer angefragt. 59 Hotels antworteten, drei davon lehnten die Anfrage direkt ab. 20 weitere Hotels wollen demnach nicht, dass die Gäste offen ihr Schwulsein zeigen. 33 Hotels hatten keine Einwände. Die FIFA versprach, erneut auf einen "diskriminierungsfreien Empfang der Gäste" hinzuweisen.

Katarischer Generalmajor: "Es gibt keinen Grund, die Regenbogenfahne zu zeigen"

Ein katarischer Sicherheitsverantwortlicher hatte sich im April zudem in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Associated Press gegen das Zeigen von Regenbogenfahnen bei der WM ausgesprochen. Falls ein Fan "die Regenbogenfahne zeigt, und ich sie ihm wegnehme, geschieht dies nicht, weil ich sie wirklich nehmen will, um ihn zu beleidigen, sondern um ihn zu schützen", sagte Generalmajor Abdulasis Abdullah Al Ansari. "Weil wenn nicht ich es bin, könnte ihn jemand attackieren. Ich kann nicht für das Verhalten aller Menschen garantieren. Und ich werde ihm sagen: 'Bitte, es gibt keinen Grund, die Fahne hier zu zeigen.'"

Al Ansari ist unter anderem der Vorsitzende des Nationalen Terrorismusbekämpfungs-Komitees im katarischen Innenministerium. Er sagte, wer seine Ansichten zur LGBTI-Situation demonstrieren wolle, solle das in einer Gesellschaft tun, "in der das akzeptiert wird". Die Regenbogenfahne steht weltweit als Symbol für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.

Infantino: "Jeder wird willkommen sein, auch wenn wir über LGBTQ+ sprechen"

FIFA-Präsident Gianni Infantino sagte kürzlich: "Jeder wird sehen, dass jeder hier in Katar willkommen ist, auch wenn wir über LGBTQ+ sprechen." Die FIFA erklärte auf Anfrage erneut, dass Regenbogenfahnen im Stadion erlaubt seien. Die katarischen WM-Organisatoren erklärten, dass sie Richtlinien des Weltverbandes diesbezüglich respektieren würden.

Aus einem anlässlich zur FIFA-Klub-WM verfassten PR-Dokument, das der Sportschau vorliegt, geht hervor, dass dem katarischen WM-OK bewusst ist, dass die harten Gesetze nicht zu einer "fantastischen Fan-Erfahrung" passen, die Katar der Welt präsentieren möchte. Dem Dokument zufolge sollen mit einer PR-Strategie in der Öffentlichkeit "Geschichten" erzählt werden, die zeigen, dass Katar bereit sei, Fans aus der ganzen Welt zu begrüßen. Damit soll der "Mythos" zerstreut werden, dass die Gesetze gegen Homosexualität auch für die Gäste bei der WM gelten.

Human Rights Watch forderte zuletzt, Katar müsse Freizügigkeit und Nicht-Diskriminierung unabhängig von sexueller Orientierung und Genderidentität für alle Menschen in Katar versprechen - und nicht nur WM-Touristen für einige Tage.