
Leichtathletik | Jubiläum Erste Frau unter 11 Sekunden – DDR-Sprintstar Renate Stecher wird 75
Drei Olympiasiege, fünf Europameistertitel und 17 Weltrekorde. Renate Stecher gehört zweifelsohne zu den besten deutschen Leichtathleten aller Zeiten. An diesem Montag feiert die ehemalige DDR-Sprinterin ihren 75. Geburtstag.
Ostrau, 7. Juni 1973: Wie gewohnt bereitet sich Renate Stecher am Startblock auf die vor ihr liegenden 100 Meter vor – der Blick ist auf den Boden gerichtet, das Ziel im Fokus. Mit dem Startsignal setzt die am 12. Mai 1950 im sächsischen Süptitz geborene DDR-Sprinterin an, um Geschichte zu schreiben: 100 Meter in handgestoppten 10,9 Sekunden – Stecher ist die erste Frau der Welt, die die kürzeste Sprintdistanz unter elf Sekunden läuft.

Renate Stecher bei der Siegerehrung nach dem Weltrekord 1973.
Erfolgsreichste deutsche Olympia-Leichtathletin
Stecher gehörte in den 1970er Jahren zu den weltbesten Sprinterinnen. Mit ihren 70 Kilogramm auf 1,70 Meter Körpergröße galt sie als neuer Sprintertyp. Ihr kraftvoller Antritt sowie ihre enorm hohe Schrittfrequenz machten die beim damaligen SC Motor Jena zum Star gereifte Läuferin auf Jahre hin nahezu unschlagbar. Für die DDR-Auswahl gewann sie bei den Olympischen Spielen 1972 in München über 100 und 200 Meter sowie 1976 in Montreal mit der 4x100-Meter-Staffel die Goldmedaille.
Fünf weitere goldene Edelmetalle bei Europameisterschaften sowie bahnbrechende 17 Weltrekorde runden ihre eindrucksvolle Laufbahn ab. Bis heute ist sie die erfolgreichste deutsche Leichtathletin bei olympischen Spielen. Anlässlich des 50. Jubiläums ihres Doppelsiegs in München wurde sie 2022 mit dem Pegasos-Preis in der Kategorie "Legenden des Sports" ausgezeichnet.

2022 wurde Renate Stecher (mi.) zusammen mit Ulrike Nasse Meyfarth und Heide Ecker Rosendahl als "Legende des Sports" ausgezeichnet.
Dopingvorwürfe: "Ich kann das nicht mehr hören!"
Trotz ihrer außergewöhnlichen Leistungen begleitete die Karriere der studierten Sportwissenschaftlerin stets ein negativer Beigeschmack: Nicht erst seit ihrer Aufnahme in die "Hall of Fame" des deutschen Sports 2011 wurde Stecher mit Dopingvorwürfen konfrontiert. Ihr 2002 verstorbener Trainer Horst-Dieter Hille gab zu, auf Anweisung der DDR-Sportführung Anabolika an Athleten verteilt zu haben.
"Ich kann das nicht mehr hören! Eine Aufarbeitung nach den Unterlagen betraf immer nur die damalige DDR und nicht die BRD. Inzwischen steht aber auch fest, dass Doping in der BRD stärker praktiziert wurde, als bisher bekannt. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen", betonte sie bereits vor zehn Jahren.

1972 gewinnt Renate Stecher in München bei den Olympischen Spielen Gold.
Der 75. wird "in mehreren Etappen gefeiert"
Nach Olympia 1976 in Montreal beendete Stecher ihre Karriere. "Vielleicht etwas zu früh", wie sie später wissen ließ: "Doch das war damals so. Du wolltest nicht nur Sport machen, sondern wolltest richtig im Leben stehen". Nach ihrer Karriere arbeitete sie zunächst als Sportlehrerin im Hochschuldienst. Im wiedervereinigten Deutschland dann später als Angestellte im Studentenwerk sowie für die Anti-Doping-Kommission des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV).
Ihren 75. Geburtstag feiert die in Nordsachsen geborene Stecher "in Etappen, weil der Montag nicht der ideale Tag zum Feiern ist". Wie zu ihren aktiven Zeiten wird mit Freunden und Familien der Staffelstab weitergegeben. In fünf Jahren ist bereits die Chance zur nächsten großen Party, "wenn wir gesund und fit bleiben. Wollen wir es hoffen, dann ist es nicht die Frage", sagte die einstige Spitzenathletin anlässlich ihres Ehrentages im Interview mit MDR SACHSEN.
jar/dpa/sid