Herthas Ibrahim Maza bejubelt sein Tor. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)

Wechsel nach Leverkusen Was der Abgang von Ibrahim Maza für Hertha BSC bedeutet

Stand: 01.05.2025 10:56 Uhr

Mit Ibrahim Maza verliert Hertha BSC ein Ausnahmetalent und Aushängeschild des sogenannten Berliner Wegs. Und doch ist es ein Abschied, der niemanden böse, sondern stolz machen wird. Dafür haben der Klub und Maza gesorgt. Von Marc Schwitzky

Es war letztendlich nur eine Frage der Zeit. Den Verantwortlichen und Fans von Hertha BSC wird schon seit längerem bewusst gewesen sein, dass sie ihren Goldjungen nicht lange werden halten können. Stattdessen galt es, jedes Spiel, das Ibrahim Maza noch für den Hauptstadtverein macht, zu genießen. Der Abschied würde schon bald kommen – und ist nun offiziell: Maza wechselt am Saisonende zu Bayer Leverkusen, dem noch amtierenden deutschen Meister und Pokalsieger.
 
Allein der aufnehmende Verein dürfte bereits ein Indiz dafür sein, welch Potenzial der Fußball Maza zuschreibt. Rein sportlich wird es derzeit kaum größer in Deutschland – Maza katapultiert sich mit dem Wechsel schlagartig in den nationalen Olymp und auch internationalen Spitzenfußball.

Ibrahim Maza, Hertha BSC
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"Ein Talent von Gott"

Ein gebürtiger Berliner, seit neun Jahren im Verein, Herthaner durch und durch, dazu ein begnadeter Fußballer mit der Berliner Käfigkicker-Attitüde – Maza kommt heraus, wenn Sportdirektor Benjamin Weber und der kürzlich zurückgetretene Leiter Lizenzspielabteilung und Akademie Andreas "Zecke" Neuendorf sich einen Spieler hätten backen dürfen, der perfekt für den eingeschlagenen "Berliner Weg" steht.
 
Der offensive Mittelfeldspieler ist eines dieser Eigengewächse, das schon Jahre vor dem Profi-Debüt von sich reden machen lässt. "Passt auf, da kommt bald einer durch, der ist unglaublich" – dieser Satz fällt bei einigen Talenten, so auch bei Maza. Doch während bei vielen jener Jugendspieler Ernüchterung der übergroßen Erwartungshaltung weicht, weil sie auf Profi-Ebene meist dann doch recht "normale" Kicker sind, wurde nach wenigen Ballkontakten des heute 19-Jährigen klar: Maza ist tatsächlich unglaublich.

Bereits im April 2023 debütierte er im Alter von gerade einmal 17 Jahren in der Bundesliga, erzielte in seinem zweiten Erstligaspiel schon sein erstes Profi-Tor – er ist damit jüngster Torschütze in Herthas Vereinsgeschichte. "Ibo war schon in der U16 mein Spieler", berichtete Mazas erster Profi-Förderer Pal Dardai damals. Er habe "ein Talent wie kein anderer beim Nachwuchs von Hertha BSC. Das ist unbeschreiblich. Ein Talent von Gott."

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Nach zwei Profi-Einsätzen schon nicht mehr zu ersetzen

Das göttliche Talent konnte auch nicht von der ersten schweren Verletzung in Mazas noch junger Karriere aufgehalten werden. Eine Meniskusverletzung setzte den Spielmacher die ersten 20 Partien der Vorsaison außer Gefecht. Dass ein Jugendspieler mit gerade einmal zwei Profi-Einsätzen längere Zeit fehlt, ist normalerweise kein großer Faktor – doch bei Maza ist es eben etwas anderes.
 
Schon damals war sein Fehlen eine schmerzhafte Wunde in Herthas Kader. Das Genie von Maza war nicht zu ersetzen, den Blau-Weißen mangelte es in der Hinrunde 2023 sichtlich an dem, was den Berliner Jungen mit algerischen und vietnamesischen Wurzeln ausmacht. Am 11. Februar 2024 feierte Maza sein Comeback – und war seitdem nicht mehr wegzudenken.

Erinnerungen an Marcelinho

Hertha-Fans mussten auch in den letzten Jahren viel Schlechtes ertragen, doch wenn sie Maza spielen sehen, geht in ihnen die Sonne auf. Wenn der Ballkünstler zum Dribbling ansetzt, ist für einen Moment alles gut. Maza ist einer dieser Spieler, für die Fußballliebhabende ins Stadion gehen. Er hat nicht nur die technischen Fähigkeiten, jeden Gegner auf dem Feld alt aussehen zu lassen, sondern auch den Mut, genau jene Aktionen immer wieder zu suchen.
 
"Was ihn auszeichnet, ist die Liebe zu diesem Spiel. Er braucht nicht viel, er braucht nur den Ball, das macht ihn glücklich", schwärmte Dardai-Nachfolger Cristian Fiél. Technik, Spielwitz, Flair und auch eine überraschende Robustheit machen Maza in manchen Momenten unaufhaltsam.
 
Er kann jederzeit das ganz Besondere kreieren, das ein Stadion raunen lässt. Wenn er über den Rasen schwebt, mit einer unnachahmlichen Bewegung plötzlich einen ganzen Raum öffnet, sich durch eine "Betreten verboten"-Zone des Gegners beinahe schon cartoonartig schlängelt oder einen Schuss aus beinahe 30 Metern ins Tor nagelt - dann werden Erinnerungen an Zeiten Marcelinhos wach. Die Definition eines Unterschiedsspielers. Die geborene Nummer zehn.

Herthas Ibrahim Maza im Dribbling. (Foto: IMAGO / Contrast)

Herthas Ibrahim Maza im Dribbling. (Foto: IMAGO / Contrast)

Auch der Kopf spielt mit

Maza macht auf wie neben dem Feld seine Leichtigkeit aus. Er muss sich wohl fühlen, Vertrauen bekommen und darf nicht zu sehr in ein taktisches Korsett gepresst werden, um 100 Prozent seiner Leistungsfähigkeit zeigen zu können. Er ist jemand, der Fußball vielmehr fühlt als denkt – und dafür braucht er Freiheiten. Ist er glücklich, verzaubert er die Fans nicht nur mit Dribblings, sondern auch mit einem ansteckenden Grinsen, das so viel von seinem Gesicht einnimmt, dass es die Augen zum Zukneifen zwingt. Ein Junge, dem man nicht böse sein kann.
 
So werden die Hertha-Fans ob seines Abschieds auch nicht böse, sondern nur traurig sein. Maza hatte mit seiner Vertragsverlängerung im August 2024 nicht nur eine weitere Saison bei seinem Heimatverein, sondern auch eine hohe Ablösesumme im sicheren Falle des Wechsels garantiert. Anders als Eigengewächse wie Bence Dardai, Lazar Samardzic, Luca Netz oder Lukas Ullrich band er sich langfristig an den Verein, um in Leistung und Geld etwas für seine Entwicklung und das entgegengebrachte Vertrauen zurückzuzahlen.

Weber und Neuendorf gelang es, das Ausnahmetalent von einem gemeinsamen Weg zu überzeugen, von dem alle profitieren sollten. Maza erhielt in den letzten eineinhalb Jahren elementar wichtige Spielzeit für seine Entwicklung, durfte sich auf Profi-Niveau entfalten, war unangetasteter Stammspieler und konnte sich so in einem natürlichen Tempo für höhere Aufgaben empfehlen. Er wird auf 50 Profi-Einsätze und fast 20 direkte Torbeteiligungen für Hertha kommen.

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Maza-Verkauf sichert Hertha finanziell ab

So verliert Hertha zwar seinen Goldjungen, erhält im Gegenzug aber viel Gold für die eigene Schatulle. Laut Medienberichten soll der Maza-Verkauf an Leverkusen aufgrund einer Ausstiegsklausel zwölf Millionen Euro einbringen. Das macht den 19-Jährigen zum fünftteuersten Abgang der Berliner Vereinsgeschichte. Das Geld hat eine immense Bedeutung für die "alte Dame", die damit bereits das angepeilte Transferplus für den kommenden Sommer erreicht. So sichert Maza seinen Ausbildungsverein mit seinem Abgang finanziell ab.
 
Zwar wird Hertha nur wenig von der Ablösesumme direkt wieder in den Kader investieren, aber sich den Luxus leisten können, bei etwaigen anderen Abgangskandidaten wie Fabian Reese oder Michael Cuisance seelenruhig zu pokern. Eine Situation, in der die stets klammen Blau-Weißen schon lange nicht mehr waren – und ein Paradebeispiel dafür, wie der "Berliner Weg" den Verein wieder gesunden lassen soll.
 
Bei aller wirtschaftlichen Vernunft und dem Verständnis für seinen Schritt zu einem deutschen Topklub wird da aber auch eine Wehmut bleiben. Einen Fußballer wie Ibrahim Maza wird Hertha BSC lange nicht mehr haben, spielerisch hinterlässt er eine kaum zu schließende Lücke. Die Hoffnungen liegen auf der Berliner Akademie. Damit es irgendwann wieder heißt: "Passt auf, da kommt bald einer durch, der ist unglaublich."