Geschäftsführer Thomas E. Herrich wird Hertha BSC am Saisonende verlassen. (Foto: IMAGO / Jan Huebner)

2. Bundesliga Warum Thomas Herrich Hertha verlassen muss und was sein Rücktritt bedeutet

Stand: 30.04.2025 18:41 Uhr

Das Personal-Beben bei Hertha BSC geht weiter. Geschäftsführer Thomas E. Herrich wird den Verein am Saisonende verlassen. Sein Aus hat sich durchaus angebahnt, doch nun muss der Verein beweisen, aus der Vergangenheit gelernt zu haben. Von Marc Schwitzky

Es ist nun knapp sechs Wochen her, dass Fußball-Zweitligist Hertha BSC eine "schonungslose Analyse" der sportlichen Situation ankündigte. "Hertha BSC, das Wohl des Vereins, steht über allem", hieß es Mitte März in einer Mail an die Vereinsmitglieder. Damals steckte der Hauptstadtklub noch knietief im Abstiegskampf und erwartete das so wichtige Aufeinandertreffen gegen Eintracht Braunschweig.
 
Seitdem hat sich die sportliche Lage deutlich entspannt. Hertha gewann das Kellerduell in Braunschweig fulminant mit 5:1, ist seit sechs Spielen ungeschlagen und hat den Klassenerhalt seit dem letzten Spieltag offiziell sicher. An der Schärfe der angekündigten Analyse hat dieser Aufschwung ganz offensichtlich nichts geändert.
 
Nur eineinhalb Wochen nach dem Aus von Andreas "Zecke" Neuendorf tritt nun auch Herthas Geschäftsführer Thomas E. Herrich zurück – allerdings erst zum Saisonende.

Hertha-Geschäftsführer Thomas E. Herrich (Quelle: imago images/mix1)
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Hertha hat verstanden

Wie auch schon Neuendorf kommt Herrich seiner Demission wohl zuvor. "Nachdem das Präsidium beschlossen hatte, die Strukturen von Hertha BSC für die kommenden Herausforderungen gezielt weiterzuentwickeln und wichtige personelle Veränderungen vorzunehmen, hat Tom Herrich als Reaktion sein Handeln angeboten, um die Pläne des Präsidiums im Sinne des Vereins zu unterstützen", verriet Präsident Fabian Drescher in der Pressemitteilung. Kurzum: Herrich spürte das verloren gegangene Vertrauen.
 
Dass Hertha trotz des jüngsten sportlichen Auftriebs weiterhin konkreten Handlungs- und Veränderungsbedarf sah, spricht dafür, dass die Verantwortlichen verstanden haben. Sie haben verstanden, dass sich die Führungsriege abseits kurzfristiger sportlicher Schwankungen nachhaltig neu aufstellen muss. Dass Trainer Stefan Leitl in den letzten Wochen nur den Super-GAU verhindert hat, hat die Entscheidungstragenden nicht geblendet.

Denn Fakt bleibt: die letzten beiden Jahre in Liga zwei sind sportlich enttäuschend verlaufen. In diesem Bereich wurden deutlich mehr schlechte als gute Entscheidungen getroffen. Und so wurden aus der angepeilten Erstliga-Rückkehr Platz neun und aktuell Platz elf. Zwar erbten die aktuell Verantwortlichen mehr als undankbare Altlasten ihrer Vorgänger, vor allem finanzieller Natur, doch die Stagnation der letzten zwei Saisons resultiert eben auch aus eigenen Fehlern. Dem fällt nun nicht nur "Zecke" Neuendorf, sondern auch Herrich zum Opfer.

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Das fehlende Korrektiv

Zwar wurden die Entscheidungen im sportlichen Bereich von Neuendorf, seines Zeichens Leiter Lizenzspielerabteilung und Akademie, und Sportdirektor Benjamin Weber getroffen, womit eine Hauptlast auf ihren Schultern zu finden ist, doch sind die beiden Namen unumgänglich mit dem von Herrich verbunden. Als (längere Zeit alleiniger) Geschäftsführer und damit Vorgesetzter der beiden hätte der 61-Jährige als Korrektiv zu ihren Entscheidungen fungieren müssen. Dem wurde Herrich jedoch mangels eigener sportlicher Kompetenz nicht gerecht.
 
Vielmehr verzettelte sich Herrich in eigenen unglücklichen Auftritten und Entscheidungen. Beispielsweise als er auf der Mitgliederversammlung im November 2024 sagte, Trainer Christian Fiél habe die Erwartungen des Vereins "nicht nur erfüllt, sondern übertroffen". Der Hauptstadtverein hatte davor empfindliche Niederlagen gegen Köln und Darmstadt kassiert, stand mit 17 Punkten nach zwölf Spielen nur auf Rang elf der 2. Bundesliga. Schon damals redete der Verein vermutlich an der Realität vieler vom Saisonverlauf eher ernüchterter Hertha-Fans geradewegs vorbei. Wenige Monate später war Fiél offiziell Geschichte.

Die verfrühte Lobeshymne auf Fiél, das voreilige Verlängern der Verträge von Weber und Neuendorf vor der damals so wichtigen Mitgliederversammlung, das Zurückrudern Herrichs von seiner Aussage, der Aufstieg 2025 sei "alternativlos" – all das vermittelte das Bild, dass er große Probleme hatte, sportlich zu führen, messbare Ziele zu formulieren und eine klare Handschrift erkennen zu lassen. So ist das Versagen von Weber und Neuendorf auch Herrichs Versagen.

Herrich hat Hertha auch gerettet

Nun ist es allerdings auch nicht Herrichs alleinige Schuld, dass es bei Hertha lange Zeit außer ihm keinen weiteren Geschäftsführer oder ein Präsidium mit mehr sportlicher Kompetenz als brauchbares Gegengewicht zu Neuendorf und Weber gegeben hat. Hier liegen tiefgreifende strukturelle Probleme vor, was sich allein schon in der mehr als unglücklichen Entwicklung zeigt, dass erst im März 2024 – trotz einiger intern geäußerter Bauchschmerzen - längerfristig mit Herrich verlängert wurde und er nur ein Jahr später vorzeitig gehen muss.
 
In den Bereichen, in denen die Expertise des gelernten Betriebswirts und Juristen liegt, leistete Herrich hingegen gute Arbeit. 2022 stieg er nach bereits 20 Jahren in verschiedenen Positionen in die Geschäftsführung auf. Als Hertha personell auseinanderfiel, in die 2. Bundesliga abstieg und sich die fürchterliche wirtschaftliche Lage des Vereins offenbarte, blieb Herrich an Bord – und krempelte die Ärmel hoch.

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Er leitete als zwischenzeitlich einzig verbliebener Geschäftsführer eine kompromisslose Konsolidierung ein, die den existenziell bedrohten Verein die Kurve bekommen und weiter im Profi-Fußball stattfinden ließ. Es ist keine steile These, zu behaupten, dass es Hertha ohne Herrichs Sparkurs in der jetzigen Form nicht mehr geben würde.
 
Und das war Herrich anzumerken. Zwar kam der 61-Jährige seinem Aus mit dem Rücktritt zuvor, die Bremse zu betätigten, wird ihm jedoch nicht völlig ungelegen kommen. Er arbeitete in einem fast ungesunden Rahmen an der Rettung des Vereins. "Jetzt ist der Moment gekommen, an dem ich zum ersten Mal an mich und meine Familie denken muss", erklärte er. "Die letzten Jahre haben Kraft gekostet. Daher muss ich jetzt erstmal Energie tanken, um wieder für neue Herausforderungen bereit zu sein."

Die Frage nach der Nachfolge

So verlässt mit Herrich ein verdienter Mitarbeiter den Verein. Ein gewissenhafter Konsolidierer, der Hertha finanziell wieder auf den richtigen (wenn auch immer noch unsicheren) Pfad führte. Doch kein Gestalter, der eine Vision und echten Antrieb vorleben kann – Qualitäten, die bei der "alten Dame" derzeit händeringend gesucht werden. Zumal mit Ralf Huschen im Sommer 2024 ein ausgewiesener Finanzexperte in Herthas Geschäftsführung einstieg und jenen Bereich nahtlos übernehmen kann.
 
Wie das Aus von Herrich zu bewerten ist, wird sich erst in den kommenden Tagen und Wochen zeigen. Sein vor Saisonende verkündeter Rücktritt legt nahe, dass Hertha bereits konkrete Pläne für die interne Neuaufstellung und das Hinzuholen eines Geschäftsführers mit klaren sportlichen Kompetenzen hat. Sollte beispielsweise ein intensiv bei Hertha gehandelter Jonas Boldt in Berlin aufschlagen, wäre klar, dass Hertha strukturiert und mit Nachdruck einen Kurswechsel vorantreibt.

Ex-HSV-Manager Jonas Boldt ist bei Hertha BSC im Gespräch. (Foto: IMAGO / Ulrich Hufnagel)

Ex-HSV-Manager Jonas Boldt ist bei Hertha BSC im Gespräch. (Foto: IMAGO / Ulrich Hufnagel)

Sollten nun jedoch Wochen ergebnislos vergehen und keine direkte wie überzeugende Nachfolge für Herrich präsentiert werden, entstünde das Bild, dass sich Herthas Gremien von der Öffentlichkeit haben treiben lassen und es keinen anderen Plan außer "Hauptsache neu" gegeben hat – eine deutlich schlechtere Alternative zur zumindest personellen Stabilität mit Herrich. Und ein Aktionismus, den sich der kaum stabile Verein nicht leisten kann. Es werden also spannende Tage an der Hanns-Braun-Straße, die unmittelbar entscheiden werden, wohin es den Klub in den kommenden Jahren verschlagen wird.

Sendung: rbb24, 30.04.2025, 21.45 Uhr