
17-Jähriger begeistert Lamine Yamal - die große Show des Wunderkindes
Lamine Yamal wird in Barcelona schon als Messi-Nachfolger gefeiert. Im Halbfinale der Champions League gegen Inter Mailand zeigte der 17-Jährige eine spektakuläre Partie. Und seine wilde Genialität.
20 Minuten vor Anpfiff der Partie gegen Inter fuhr Hansi Flick und seinen Leuten ein Schreck in die Glieder. Lamine Yamal unterbrach das Aufwärmprogramm, griff sich an den linken Oberschenkel und ging in die Kabine. Musste das 17-jährige Wunderkind des FC Barcelona etwa passen? Ausgerechnet gegen die Defensivkünstler von Inter?
Die Entwarnung folgte kurz vor Anpfiff, als Yamal fröhlich wie immer auf das Spielfeld trat und seine gewohnte Aufstellung auf der rechten Außenbahn nahm. "Ich denke, dass meine größte Qualität ist, dass ich Situationen auf dem Feld früher erkenne als andere", hat Yamal in den Tagen vor dem ersten Halbfinalspiel gesagt.
100. Spiel für Barcelona - mit 17
Selbstbewusste Worte aus dem Mund eines 17-Jährigen. Erst am 13. Juli wird der spanische Nationalspieler volljährig. Erstmals spielte er für Barcelona, da war er noch nicht einmal 16. Das Spiel gegen Inter war bereits das 100. Pflichtspiel, das er für die "Blaugrana" bestritt. Yamal hat dabei eine Reife erlangt, nach der andere Jahre später noch suchen.
Für was er einmal in Erinnerung bleiben wolle, wenn seine Karriere dereinst vorbei ist, wurde Yamal auf der Pressekonferenz am Dienstag noch gefragt. Er wolle als "guter Spieler in Erinnerung bleiben", antwortete Yamal. Und fügte hinzu: "Als einer, der respektvoll und respektiert war." Worte eines 17-Jährigen.
0:2 - dann zündet Yamal den Turbo
Dass Yamal aber nicht nur das Zeug zum Fußball-Philosophen in sich trägt, sondern vor allem gerade als sensationeller Spieler daherkommt, bewies er gegen den italienischen Meister auf dem Platz. Nichts war's mit Verletzung. Als Barca früh 0:2 zurück lag und es im alten Olympiastadion oben auf dem Berg Montjuic verdächtig still wurde, zündete Yamal seinen ganz persönlichen Turbo.

Nach 26 Minuten ließ er zunächst seinen Wachhund Federico Dimarco links liegen, wackelte anschließend auf engstem Raum Henrik Mkhitaryan aus und schlenzte die Kugel im Lauf aus 15 Metern an den linken Innenpfosten - es stand nur noch 1:2.
"Am ersten Gegenspieler kommt er immer vorbei"
Und das Stadion war wieder da. Und kochte beinahe über, als Yamal nur 60 Sekunden später erneut den bedauernswerten Dimarco aussteigen ließ und den Ball aus spitzem Winkel an die Querlatte setzte - Inters Keeper Yann Sommer hatte irgendwie noch die Fingerspitzen an den Ball bekommen.
"Am ersten Gegenspieler kommt er immer vorbei", hat Teamkollege Pedri jüngst über seinen noch jüngeren Teamkollegen Yamal gesagt. "Was dann passiert weiß man nie so genau", so Pedri.
Dimarco entnervt vom Feld, Inzaghi begeistert
Es ist eben so, dass Yamal auf dem Fußballplatz irgendwie alle Türen offen zu stehen scheinen. Wenn er den ersten Gegenspieler überwunden hat (was tatsächlich immer gelingt) wählt er aus: Er geht ins Dribbling gegen den nächsten Gegner, schießt selbst auf's Tor oder setzt einen Mitspieler gewinnbringend ein. Die ganze Palette. Die auch Inter am Mittwochabend kennenlernen durfte.
Gegenspieler Dimarco ging nach gut 55 Minuten vom Feld, ließ sich auswechseln. Bis dahin hatte Yamal ein halbes Dutzend erstklassiger Barca-Torchancen vorbereitet und einen Treffer selbst erzielt. Simone Inzaghi, Inters Trainer, zeigte sich nach dem Spiel beeindruckt: "Wir haben Yamal gedoppelt, aber selbst das hat nicht ausgereicht. Ich habe seit acht oder neun Jahren keine Spieler mehr derartiger Klasse gesehen."
Barcelona - vorn glänzend, hinten porös
Yamals Wundertaten waren aber auch absolut notwendig, um seinen Klub überhaupt im Spiel zu halten. Denn gegen die cleveren Inter-Spieler offenbarte sich ein ums andere Mal Barcelonas großes Problem: Bei allem Glanz in der Offensive hapert es doch deutlich hinten. Vor allem bei gegnerischen Standards. Inter hätte an diesem Abend deutlich mehr als drei Tore gegen Barcas poröse Defensive erzielen können.
Bei Raphinhas anschließendem Tor zum 3:3-Ausgleich ließ Yamal als entscheidender Vorbereiter die Kugel einfach an sich vorbeilaufen. Und sein Mitspieler hatte freie Bahn. "Ich sehe Spielsituationen eher als andere" - wir erinnern uns.
Zweiter Lattentreffer - Krönung bleibt Yamal versagt
In der 87. Minute hätte Yamal seine Vorstellung um ein Haar gekrönt. Sein Lupfer aus 15 Metern halblinker Position fiel aber nicht ins Tor, sondern klatschte an die Querlatte. So endete die spektakuläre Partie ohne Sieger. Wobei: Lamine Yamal durfte sich schon irgendwie als Gewinner fühlen - sowie alle, die ihm an diesem Abend wieder beim Spielen zuschauen durften.