Collage mit Europafahne, NBA Logo und Spieler
analyse

Machtkampf im Basketball Die Europa-Pläne der NBA

Stand: 30.04.2025 15:40 Uhr

Welche Pläne verfolgt die NBA mit einer eigenen Basketball-Liga in Europa? Es gibt viele offenen Fragen und Spekulationen, die Spurensuche führt auch in den arabischen Raum und zum Machtkampf im europäischen Basketball.

Im europäischen Basketball könnten bald ganz neue Zeiten anbrechen. Zumindest wenn man den Verlautbarungen aus der NBA glaubt: Die übermächtige US-Profiliga hat angekündigt, die Gründung einer eigenen Basketball-Liga in Europa vorantreiben. NBA-Commissioner Adam Silver stellte Ende März gemeinsam mit Andreas Zagklis, Generalsekretär des Basketball-Weltverbands FIBA, auf einer Pressekonferenz in New York die Pläne für eine neue NBA-Europaliga vor: Eine Liga mit zwölf Klubs, die einen festen Startplatz haben, wie in der NBA. Dazu vier weitere Klubs, die auf anderem Weg hinzukommen sollen, über eine wie auch immer ausgestaltete sportliche Qualifikation.

NBA und FIBA schmieden Pläne für Europa

Sportschau

Schon beim NBA-Gastspiel im Januar in Paris hatte Silver davon gesprochen, dass die kommerzielle Entwicklung des Basketballs in Europa der immens gestiegenen Popularität hinterherhinken würde. Die NBA habe das Ziel, die wirtschaftlichen Möglichkeiten besser zu nutzen. Man habe dazu viele Gespräche geführt, mit "Stakeholdern und großen Klubs", sagte Silver nun in New York. Er sprach von neuen Basketball-Arenen, aber auch von neuen Teams. Als mögliche künftige Partner nannte der NBA-Boss dabei auch die großen Marken aus dem europäischen Fußball.

PSG und Manchester City - bald auch als NBA-Franchise?

Einen konkreten Zeitplan oder einen Starttermin für die neue Liga nannte Silver nicht. Doch es reichte allemal, um für Unruhe in der europäischen Basketball-Landschaft zu sorgen - und für viele Spekulationen: Über einen neuen NBA-Klub in Paris zum Beispiel, als Basketballabteilung von Paris Saint-Germain. Qatar Sports Investments, der Mehrheitseigner von PSG, bestätigte gegenüber "The Athletic", dass es eine Anfrage wegen einer NBA-Franchise in Paris gegeben habe. Sie hätten ihr Interesse bekundet, hieß es von den PSG-Besitzern.

Als möglicher neuer NBA-Standort wird auch immer wieder Manchester genannt, zugleich die Firmenzentrale der City Football Group (CFG): das globale Fußballkonsortium, das sich im Besitz der Herrscherfamilie des Emirats Abu Dhabi befindet. Neben Manchester City und einer Reihe anderer Fußballklubs unterhält die Football Group in Manchester praktischerweise auch schon eine Indoor-Arena mit 20.000 Plätzen, gleich neben dem Stadion.

Dass ein weltweit operierender Fußballkonzern wie Manchester City ein Basketballteam mit in sein Portfolio nehmen könnte, "ergibt aus wirtschaftlicher Sicht absolut Sinn", sagt Kieran Maguire, Finanzwissenschaftler von der Universität Liverpool und spricht von einer "Multi-Sport-Ownership-Strategie", wie sie auch andere Investoren wie etwa die Fenway-Gruppe (FC Liverpool) betreiben, die ihr Geld in Klubs und Teams aus verschiedenen Sportarten investieren. "Ein Fußballklub wie Manchester City könnte mit einem eigenen Basketballteam zusätzliche Einnahmen generieren und den Markenwert steigern."

PSG-Präsident Nasser al-Khelaifi (l.), City-Vorstandschef Khaldoon al-Mubarak

Mögliche neue Partner für die NBA: Klubbosse Nasser al-Khelaifi (PSG), Khaldoon al-Mubarak (Manchester City)

NBA sucht nach neuen Einnahmequellen - auch im arabischen Raum

Die NBA wiederum könnte sich die neue Europaliga ins Schaufenster stellen, um Investoren anzulocken: Laut NBA-Statuten dürfen Klubeigner nicht mehr als eine Franchise besitzen, diese Beschränkung gelte auch für die neuen NBA-Teams in Europa, betonte Liga-Commissioner Silver. An den Einnahmen aus dem neuen Europa-Geschäft könnten die bestehenden Franchises aber kollektiv beteiligt werden. Er habe von den Teambossen "begeisterte Unterstützung" für die Europa-Pläne erfahren, so Silver.

"Die NBA-Verantwortlichen sind sich im Klaren darüber, dass sie auch auf internationalen Märkten wachsen müssen", sagt Sportökonom Maguire. "Wir haben eine globalisierte Sportwelt, mit einem weltweiten Zugang zu Märkten, auch wegen der Entwicklung beim Streaming. Eine NBA-Franchise nach Europa zu exportieren, ist absolut vorstellbar, es könnte kommerziell sehr erfolgreich sein."

Nach einem Bericht von ESPN, die sich auf Ligaquellen berufen, hat die NBA bereits Investoren an der Hand. Dabei dürften die milliardenschweren Staatsfonds aus dem arabischen Raum von besonderem Interesse sein, sagt auch Maguire, der seit Jahren die Finanzströme im englischen Sport untersucht: "Sie verfügen finanziell über nahezu unbegrenzte Mittel und sind auch in der Lage, erwartbare Anfangsverluste aus dem Expansionsgeschäft auszugleichen."

Verbindungen in die Emirate und nach Katar - auch in der NBA

Die NBA hat schon mehrere Preseason-Games nach Abu Dhabi verkauft. Die Boston Celtics, amtierender NBA-Champion, und die New York Knicks haben einen gut dotierten Sponsorendeal mit dem Tourismus- und Kulturministerium von Abu Dhabi. Geführt wird die Behörde von Mohamed Al Mubarak, dem Bruder des Vorsitzenden der City Football Group aus Manchester - hier könnte sich also der Kreis schließen. Minister Mubarak hat auch schon in der Vergangenheit Interesse bekundet, sich in einen NBA-Klub einzukaufen.

Bei den Washington Wizards hält die Qatar Investment Authority bereits einen Minderheits-Anteil. Bislang dürfen Investmentgesellschaften, hinter denen zum Beispiel auch Staatsfonds aus autoritär geführten Ländern stecken können, maximal 20 Prozent an einem NBA-Team erwerben. Private-Equity-Firmen könnten ihr Geld künftig aber zusätzlich bei NBA-Filialen in Europa anlegen.

Athen, Belgrad, Kaunas: Leidenschaft und Tradition, wenig Ertragschancen

Die NBA hat dabei vor allem die lukrativen europäischen Märkte im Visier: Neben Paris und London nannte NBA-Generalsekretär Mark Tatum auch Metropolen wie Berlin und Rom als mögliche Standorte für eine neue Liga. Weitaus weniger attraktiv, zumindest aus Investorensicht, erscheinen dagegen die Traditionsklubs des europäischen Basketballs: Olympiakos Piräus, Panathinaikos Athen, Roter Stern und Partizan Belgrad. Oder auch Zalgiris Kaunas aus Litauen, wo Basketball Nationalsport ist.

Hinzu kommt, dass es die NBA dort mit machtbewussten, teils eigenwilligen Klubeignern zu tun hätte. Und mit einer lautstarken Fankultur - alles Dinge, die Sportvermarkter aus den USA eher abschrecken dürfte, weil sie es schwer kontrollieren können.

Fans von Panathinaikos beim Euroleague Final Four

Panathinaikos-Fans in der Euroleague: Zu wild für die NBA?

Europas Top-Klubs spielen in der Euroleague

Brisant dabei ist, dass die besten Klubs Europas international gar nicht in den FIBA-Wettbewerben spielen. Sie sind fast alle unter dem Dach der Euroleague versammelt, einer privatwirtschaftlichen Organisation, die die zwei wichtigsten europäischen Klub-Wettbewerbe vermarktet. Die Euroleague wird von aktuell 13 Gesellschafter-Klubs getragen, darunter auch der FC Bayern, die einen garantierten Startplatz haben. Mit dem Europaverband FIBA liegt die Euroleague-Organisation seit Jahren im Streit, unter anderem wegen der Abstellung von Nationalspielern für Länderspiele während der Saison.

Die 13 Gesellschafter-Klubs in der Euroleague
Panathinaikos Athen
Olympiakos Piräus
FC Barcelona
Real Madrid
Baskonia Vitoria-Gasteiz
Anadolu Efes Istanbul
Fenerbahce Istanbul
Olimpia Mailand
Zalgiris Kaunas
Maccabi Tel Aviv
ASVEL Lyon-Villeurbanne
FC Bayern München
ZSKA Moskau (aktuell keine Teilnahme aufgrund des Ukraine-Kriegs)

Euroleague: "Bedrohung für Tradition des europäischen Basketballs"

Bei den Planspielen von NBA und FIBA blieb die Euroleague bislang fast demonstrativ außen vor. Die Reaktion der Euroleague fiel entsprechend aus: Die Pläne von NBA und FIBA seien "eine Bedrohung für die langjährige Tradition des europäischen Basketballs", hieß es in einer Mitteilung des Vorstands.

Die Euroleague nimmt die angekündigte Europa-Expansion der NBA nun zum Anlass, sich als Schutzmacht der europäischen Basketball-Tradition zu positionieren. Dabei galt Europas beste Liga bislang als elitäre, geschlossene Gesellschaft, bei der sich die Klubs um Aufnahme bewerben mussten, indem sie das entsprechende Budget mitbrachten.

Dazu passen auch jüngste Meldungen, dass den zwei Klubs aus Belgrad, die bislang nur mit einer Wildcard in der Euroleague mitspielen, ein Angebot unterbreitet worden sein soll, ein garantiertes Startrecht für drei Jahre zu erwerben. Für eine Gebühr von mehreren Millionen Euro, wie der Präsident von Partizan Belgrad gegenüber serbischen Medien publik machte.

Alba-Geschäftsführer Baldi über NBA-Pläne: "Berlin ist Schlüsselmarkt"

Ein entsprechendes Angebot soll auch Alba Berlin vorliegen. Die Berliner gelten seit Jahren als Anwärter auf eine Dauerlizenz in der Euroleague. Inzwischen stellt Alba aber einen Verbleib in Europas Königsklasse offen in Frage. Geschäftsführer Marco Baldi bezeichnet den gegenwärtigen Kurs der Euroleague als nicht profitabel. "Die Klubs verlieren im Jahr annähernd 200 Millionen Euro", sagt Baldi der Sportschau. Es gebe sehr viel Uneinigkeit über den künftigen Kurs, so Baldi: "Die Euroleague hat derzeit keine Orientierung und keinen Plan für eine wirklich nachhaltige Entwicklung der Liga, die über die nächsten ein, zwei Jahre hinausreicht."

Von einer möglichen Kooperation zwischen FIBA und der wirtschaftlich erfolgreichen NBA verspricht sich Baldi mehr Stabilität. Dazu sollten auch Verpflichtungen gehören, dass die US-Profiliga sich finanziell stärker an der Ausbildung der Talente in Europa beteiligt. In den vergangenen Jahren kamen immer mehr NBA-Megastars wie Nikola Jokic, Luka Doncic oder Giannis Antetokounmpo aus den europäischen Nachwuchsakademien.

Dazu zählt auch das viel beachtete, mit Schulkooperationen gestützte Nachwuchsprogramm von Alba Berlin, das auch die Weltkarrieren von Franz und Moritz Wagner auf den Weg gebracht hat. Berlin sei "ein Schlüsselmarkt in Europa, auch für die NBA", sagt Marco Baldi. Den Verhandlungen über eine neue europäische Top-Liga blickt er deshalb auch "optimistisch" entgegen.

Franz und Moritz Wagner (r.) beim Besuch der BBL-Finalserie 2024 in Berlin

NBA-Karrieren aus dem Alba-Nachwuchs: Franz und Moritz Wagner (r.)

Real Madrid und FC Barcelona als mögliche "Gamechanger"

Der Vorstoß der NBA kommt für Baldi zu einem logischen Zeitpunkt: Im Jahr 2026 endet die bestehende Lizenzvereinbarung der Euroleague und ihrer Anteilseigner. Offiziell demonstriert man im Euroleague-Headquarter in Barcelona Geschlossenheit. Auch beim FC Bayern, dem einzigen deutschen Gesellschafter-Klub, gab Geschäftsführer Marko Pesic zuletzt ein klares Bekenntnis zur Euroleague ab.

Doch hinter den Kulissen heißt es, dass mehrere der bisherigen Gesellschafter zögern sollen, die neue Rahmenvereinbarung zu unterzeichnen, mit der sie sich für weitere zehn Jahre an die Euroleague binden würden. Darunter sind, nach Informationen der spanischen Zeitung El Pais, auch Real Madrid und der FC Barcelona. Die zwei spanischen Großklubs gelten als mögliche "Gamechanger", die eine Kettenreaktion auslösen könnten, sollten sie der Euroleague tatsächlich den Rücken kehren.

Angesprochen auf die Euroleague, verkündete FIBA-Generalsekretär Zagklis, er betrachte "alle Klubs, die in Europa spielen", als Klubs der FIBA. Dies konnte man durchaus auch als Kampfansage an die Euroleague verstehen. Die FIBA wollte sich auf Sportschau-Anfrage nicht näher zu den Plänen über die NBA-Kooperation äußern. Und ließ auch weitere Fragen unbeantwortet, zum Beispiel ob und wie sich das amerikanische Ligenmodell überhaupt auf den europäischen Markt exportieren lässt.

Mario Hezonja von Real Madrid im Duell mit Barcelonas Jabari Parker (re.)

Top-Marken in der Euroleague: Mario Hezonja von Real Madrid (l.), Barcelonas Jabari Parker

NBA-Liga in Europa - ein Fall für den Europäischen Gerichsthof?

NBA-Commissioner Silver bekräftigte, man werde in Europa keine Liga ohne die aus der NBA bekannten Kontrollmechanismen betreiben, hinsichtlich des "sportlichen Wettbewerbs und eines Maximums für Spielergehälter". Sobald die neue Liga, unabhängig davon, ob sie aus den USA geführt wird oder nicht, aber Spiele in Europa austrägt, wäre sie an europäisches Recht gebunden, sagt Kartellrechtsexperte Mark E. Orth. Schon das Festlegen einer "Salary Cap", einer verbindlichen Obergrenze für das Gehaltsbudget eines Teams, könnte kartellrechtlich angreifbar sein, so Orth.

Besonders problematisch, aus EU-rechtlicher Sicht, ist dabei der stark geregelte Spielermarkt: In der NBA, wie auch in den anderen US-Profiligen, werden Spieler im Rahmen eines Tauschgeschäftes ("Trade") zwischen zwei oder auch mehreren Teams transferiert. Ein weiteres wesentliches Element, um die Wettbewerbsgleichheit zu regeln: Die schlechtesten Teams der Vorsaison bekommen ein Vorzugsrecht im "Draft" und können die begehrtesten Talente verpflichten.

Das US-Modell sei ein "geschlossener Arbeitsmarkt", so Rechtsexperte Orth, "mit einer starken Bindung der Spieler an eine Franchise. Dies bekommt man nicht mit europäischem Recht vereinbart, auch nicht durch entsprechende Ausgestaltung". Spieler müssten im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit die Möglichkeit haben, einen Vertrag zu kündigen und zu einem anderen Klub wechseln zu können. Dass Profis ohne Mitspracherecht zwischen zwei NBA-Klubs getradet werden, wie es zum Beispiel Nationalmannschaftskapitän Dennis Schröder in der abgelaufenen Saison mehrfach passierte, wäre "ein klarer Verstoß gegen das EU-Recht".

Gut möglich also, dass der Machtkampf im europäischen Basketball am Ende dort entschieden wird, wo auch schon die berüchtigte Superleague im Fußball gelandet ist: vor dem Europäischen Gerichtshof.