
Autor und Hansa-Fan Marco Bertram Autor und Hansa-Fan Marco Bertram: "Ich kann verstehen, wenn jemand sagt - ich lass' es mal"
Die Anhänger von Hansa Rostock haben sich nicht nur in den vergangenen Monaten einen schlechten Ruf erarbeitet. Vor dem Spiel gegen Energie Cottbus verrät Autor und Hansa-Fan Marco Bertram, wie sicher das Stadion-Erlebnis ist.
Herausgerissene Sitze und zerstörte Toiletten in Aachen, Gewalt- und Randale-Exzesse beim Heimspiel gegen Dynamo Dresden, Attacken auf einen Fanzug von Rot-Weiss Essen - so lesen sich nur einige der Schlagzeilen, die Anhänger von Hansa Rostock in den zurückliegenden Monaten verursacht haben. Die Vereinsführung verurteilt die Vorfälle und scheint doch machtlos. Autor und Hansa-Fan Marco Bertram gibt im Gespräch mit rbb|24 eine Einschätzung zu den Vorkommnissen.
rbb|24: Herr Bertram, würden Sie uneingeschränkt jedem Fußball-Fan gegenüber behaupten, es sei sicher, zu Spielen von Hansa Rostock zu gehen?
Marco Bertram: Wenn man als Gästefan erkennbar ist, sollte man nicht durch die Stadt spazieren und in den Gästeblock gehen. Das gilt nicht nur für Rostock, aber eben auch.
Im Stadion selbst wird dann in der Regel keinerlei Notiz von den Gästefans genommen. So habe ich das zumindest in den 15 Jahren, die ich zu Heimspielen von Hansa gehen, erlebt. Ausnahmen sind die Spiele gegen Hertha, St. Pauli oder Dresden. Aber in der Regel passiert nichts.
Beim letzten Hertha-Gastspiel in der vorigen Zweitliga-Saison waren immer wieder Fan-Stimmen zu vernehmen, die auf die Fahrt nach Rostock aus einem Gefühl der Unsicherheit heraus lieber verzichtet haben.
Bei Spielen, bei denen ich weiß, dass es heikel werden könnte, kann ich verstehen, wenn jemand sagt: 'Ich lass’ es mal'. Weil es bei diesen Spielen ja auch innerhalb des Gästeblocks zu einer Dynamik kommt, der man ausgeliefert ist. Man steht mit drin. Man ist gefangen. Auch, weil es in Rostock keine angrenzenden Bereiche gibt, in die die Auswärtsfans ausweichen könnten.

Am kommenden Wochenende tritt Energie Cottbus in Rostock an [Samstag, 10. Mai, 14 Uhr - live im rbb|24 Livestream].
Da wird es in erster Linie um das Sportliche gehen. Es gibt natürlich eine Rivalität aus gemeinsamen Erstliga-Zeiten, dazu sind beide Klubs sowas wie Flaggschiffe des Ost-Fußballs. Aber wenn ich zum Beispiel an das Hinspiel denke, das war total entspannt. Tolle Atmosphäre, gute Stimmung auf beiden Seiten. So war es auch bei den Spielen davor, die ich in Erinnerung habe. Natürlich ist da Brisanz drin. Das ist was anderes, als wenn Heidenheim kommt. Aber das war immer eine gute Stimmung.
Also alles ganz normal bei Hansa - und die Vorfälle von Vandalismus wie Ende März in Aachen, als Hansa-Anhänger 700 Sitzschalen herausrissen und die Toiletten verwüsteten, sind singuläre Phänomene?
Es ist schon eine sehr spezielle Fanszene, sehr geschlossen. Wenn es ungemütlich wird, gibt es bei Hansa schon eine scharfe Dynamik. Sobald die Stimmung kippt, kann es sicher ein anderes Level haben als bei anderen Vereinen. Dass die Stimmung immer häufiger immer schneller umschlägt, scheint mir aber ein generelles Problem zu sein.
Die Vereinsführung ist immer schnell dabei, das Fehlverhalten zu verurteilen, kündigt dann auch häufig Maßnahmen an. Kritiker sagen, es bleibt zu oft bei Ankündigungen.
Wie gesagt, ich gehe seit 15 Jahren zu Hansa-Spielen, seitdem wird das Sicherheitskonzept immer weiter verfeinert. Die Zäune, die Netze, die Zugänge - alles wird immer wieder überprüft und angepasst. Natürlich kann man jetzt noch die Auswärtskarten nur begrenzt und nur an Mitglieder ausgeben, so wie es nach Aachen angekündigt wurde. Aber würde ich den Verein führen - ich wüsste nicht, was ich noch anders machen würde.
Die Social-Media-Plattform "Kogge auf Abwegen" hat sich der "Dokumentation 'unpolitischer' Umtriebe im Umfeld des F.C. Hansa Rostock" verschrieben. Scrollt man sich durch die Beiträge auf X, entsteht der Eindruck, der Klub habe ein gehöriges Nazi-Problem.
Nicht übermäßig. Es klingt platt, aber da greift das Motto "Politik raus aus dem Stadion". Egal von welcher Seite. Klar gibt es eine Klientel aus Vorpommern, die jetzt eher nicht aus der linken Ecke kommt. Und es gibt bundesweite Wahlergebnisse, die kennen wir alle. Die spiegeln sich auch im Stadion wieder wieder. Aber es ist definitiv kein Sammelbecken für politische Kräfte. Das ist explizit nicht gewollt innerhalb der aktiven Fanszene.

Das deckt sich mit den Erkenntnissen des Journalisten Julius Geiler, der zum ähnlichen Phänomen im Umfeld von Hertha BSC recherchiert hat. Dennoch geraten Hansa-Fans seit 2006 immer wieder in die Schlagzeilen. Seit sie nach der Absage eines Spiels eine "Spur der Zerstörung" in der Stadt hinterlassen hatten, wie das Magazin "Der Spiegel" damals schrieb. Warum kam es zu dieser Eruption, die in Teilen der Hansa-Fanszene noch immer gefeiert wird?
Die Bundesliga-Jahre zuvor [1995-2005; Anm. d. Red.] waren aus Fan-Sicht eine richtig gemütliche Zeit. Dann setzte eine parallele Entwicklung ein. Auf der einen Seite der sportliche Absturz. Auf der anderen Seite das Aufkommen der Ultra-Kultur, die immer mehr Wucht entfaltete. Eine Wucht, die sich in Stendal als Wut entlud.
Eine Wut worauf?
Auf die Polizei. 2006 gab es im Vorfeld der Weltmeisterschaft in Deutschland viele Fälle polizeilicher Maßnahmen, bei denen man das Gefühl hatte, die Ordnungskräfte nehmen das als Übungsfeld. Fast jeder aus der aktiven Fanszene hat dabei mal einen abbekommen. Das blieb im Hinterkopf. Der Zug, der aus Schwerin in Richtung Braunschweig unterwegs war, war gnadenlos überfüllt. Stendal sollte eigentlich nur als Umsteigebahnhof dienen. Dann kam die Nachricht, dass das Spiel ausfällt. Es kam einfach alles zusammen und ist völlig aus dem Ruder gelaufen.
Kai-Uwe Theede, Hansa-Fan und Präsident des Rostocker Oberlandesgerichts, sagte unlängst, der Verein habe 28.000 Mitglieder, von den 27.000 hinter den Werten des Klubs stünden. Und auch wenn die überragende Mehrheit der Hansa-Fans also friedlich zu sein scheint, wirkt es oft so, als würde Ihnen das Image des Klubs als Raubein des deutschen Fußballs gefallen.
Ja. Man hat keine Fan-Freundschaften, sieht sich ein bisschen als ungemütlich an. Ich glaube aber auch, dass der Lokalpatriotismus im Fußball generell zugenommen hat. Und Hansa ist präsent, von Parchim bis nach Rügen. Mecklenburg-Vorpommern und noch ein bisschen von Brandenburg - das ist einfach Hansa. Gerade für junge Leute ist das ein Anker. Die Zeiten sind nicht die einfachsten. Da gibt so ein Verein einfach Halt. Bei Gewalt oder Vandalismus hört es für die allermeisten auf. Aber sonst, wenn es um Choreos, spezielle Aktionen oder Pyro-Shows geht, höre ich meistens: 'Ist halt Hansa.'
Sendung: rbb24, 05.05.2025, 22 Uhr