
Fußball | Bundesliga RB Leipzig zwischen hohen Ansprüchen und bitterer Wirklichkeit
Durch einen seltsam lethargischen Auftritt bei Werder Bremen verspielt RB Leipzig auch die letzte Chance auf die Champions League. Es ist der negative Höhepunkt einer durch und durch verkorksten Saison.
Nach dem Abpfiff im Weserstadion sanken die Spieler von RB Leipzig zu Boden, während sich neben die Enttäuschung auch eine große Portion Ratlosigkeit in die Gesichter mischte. Das schmeichelhafte 0:0 bei Werder Bremen war nicht nur ein Spiegelbild dieser Spielzeit, sondern brachte auch die endgültige Gewissheit: Die nächste Saison in der Champions League findet ohne RB Leipzig statt. Zweifellos zu wenig für die Ansprüche des hochambitionierten Vereins, der seit dem Bundesliga-Aufstieg 2016 Dauergast auf der größten europäischen Fußballbühne war, zuletzt sechs Jahre in Folge.
Schäfer: "Dann haben wir es nicht verdient"
"Natürlich haben wir gewisse Ansprüche und Ziele. Das muss aber auch mit harter Arbeit hinterlegt werden", legte Sportchef Marcel Schäfer den Finger in die Wunde. Die über 90 Minuten ideen- und vor allem mutlose Vorstellung gegen Bremen war "einmal mehr eine Bestätigung, dass wir im Moment da stehen, wo wir stehen. Nämlich nicht in der Champions League. Wenn wir heute ehrlich zu uns selbst sind, dann haben wir es nicht verdient". Doch nicht nur die Partie gegen Werder zeigte auf, dass RB in dieser Saison den hochgesteckten Zielen weit hinterherhinkt.

Rat- und Fassungslosigkeit bei RB Leipzigs Xavi Simons nach dem Remis in Bremen.
Vor dem letzten Spieltag beträgt der Rückstand auf Meister Bayern München 28 Punkte, im DFB-Pokal war im Halbfinale Schluss. In der Champions League schied man nach einer beispiellosen Niederlagenserie sang- und klanglos in der Ligaphase aus. Im schlimmsten Fall droht sogar eine Spielzeit ganz ohne Europapokal. Vor dem Bundesliga-Saisonfinale gegen DFB-Pokalfinalist Stuttgart liegt RB nur noch auf Tabellenplatz sieben. Das würde nicht einmal die Qualifikation für die Conference League bedeuten.
Blasser Auftritt gegen Bremen
Dass gegen Bremen überhaupt ein Punkt zustande kam, war fast schon symptomatisch für das aktuelle Auftreten der Sachsen. Gegen Werder agierte einzig Torwart Peter Gulacsi in Normalform. Der Rest der Mannschaft schleppte sich seltsam passiv über den Platz, ließ Gier und die nötige Bereitschaft vermissen, die Spielzeit doch noch zu einem versöhnlichen Ende zu bringen. Es passte ins Bild, dass RB in der ersten Halbzeit nicht einen Schuss aufs gegnerische Tor zustande brachte.
"Die Saison war für uns alle schwierig. Wir waren nicht so stabil wie in den Jahren zuvor", meinte Gulacsi hinterher: "Natürlich hatten wir viele neue junge Spieler und Pech mit Verletzungen, aber trotzdem haben wir die Qualität für einen besseren Tabellenplatz."
Die Saison ist so gelaufen, wie das Spiel heute. Es gab zu viele Ups and Downs. Wir haben es am Ende nicht verdient, unter die ersten vier Vereine zu kommen. RB-Kapitän Peter Gulacsi |
Saison voller Formschwankungen
Nur brachte RB eben diese zweifelsohne vorhandene Qualität viel zu selten auf den Rasen. Die Formschwankungen der in der vergangenen Saison noch konstant starken Xavi Simons und Lois Openda stehen beispielhaft dafür. So blieb auch Gulacsi am Ende des Tages nur ein ernüchterndes Fazit: "Die Saison ist so gelaufen, wie das Spiel heute. Es gab zu viele Ups and Downs. Wir haben es am Ende nicht verdient, unter die ersten vier Vereine zu kommen."
Rose-Aus brachte keinen Schub
Egal, wie das letzte Spiel gegen Stuttgart endet - RB Leipzig ist schon jetzt eine der großen Enttäuschungen dieser Spielzeit. Die Trennung von Trainer Marco Rose verpuffte. Zsolt Löw konnte das Team nur kurz stabilisieren und wird sein kurzes Intermezzo als Cheftrainer in durchwachsener Erinnerung behalten. "Es gibt eben Zeiten, in denen nicht alles perfekt funktioniert", meinte der Ungar, wohl wissend, "dass der Verein die richtigen Schlüsse ziehen muss".
Trainerfrage nach wie vor offen
Löw wird dann allerdings nur noch im Hintergrund agieren. Dass der 46-Jährige nach der Saison wieder als "Head of Soccer Development" unter Jürgen Klopp bei Red Bull arbeiten wird, ist bereits klar. Wer dann an der Seitenlinie von RB Leipzig steht, hingegen nicht. Mit Cesc Fabregas, Roger Schmidt, Oliver Glasner und auch Sandro Wagner geistern zumindest genügend Namen durch die Medien.
Sicher ist hingegen, dass am Cottaweg einiges auf den Prüfstand gestellt wird. "Es bedarf gewisser Veränderungen, damit wir wieder den Fußball spielen, den man von RB gewohnt ist", sagte Sportchef Schäfer. Sprich eine "hohe Intensität mit und gegen den Ball, ein hohes Energielevel, die gewisse Mentalität und eine gute Balance in der Kaderstruktur."
Umbruch ja - aber wie groß?
An letzterem Punkt wird sich auch Schäfer messen lassen müssen. Einen XXL-Umbruch wie vor zwei Jahren wird es zwar wohl nicht geben, dennoch dürfte sich das Gesicht des Teams im Sommer auf einigen Positionen verändern. Von der Transferphilosophie "jung, hungrig, entwicklungsfähig" werde man aber nicht abweichen, stellte Schäfer klar.
Gleichzeitig richtete er den Blick nach den jüngsten Enttäuschungen so positiv wie möglich in die Zukunft: "Ich sehe es auch als Chance, weil wir die Dinge verändern, die wir eh schon gesehen haben. Wir werden versuchen, sie mit aller Konsequenz anzugehen und auch umzusetzen. Dass wir mehr verändern müssen, als man zum Anfang der Saison gedacht hat, liegt auf der Hand."
jsc