Lukas Lämmel (Jena) gegen Artur Mergel (Erfurt)

Fußball | Regionalliga Krisen-Derby: Erfurt und Jena hoffen auf den Befreiungsschlag

Stand: 30.09.2023 13:46 Uhr

Am Sonntagnachmittag steht für viele Fans des FC Rot-Weiß Erfurt und FC Carl Zeiss Jena das Highlight der Saison an: Im ausverkauften Erfurter Steigerwaldstadion findet das ebenso traditionsreiche wie hitzige Thüringenderby statt. Neben den Vorfreudebekundungen werden alle Beteiligten aber auch nicht müde zu betonen, dass es vordergründig um Punkte geht – und die haben beide zuletzt kriselnden Teams bitter nötig.

Von Jakob Schmidt

"Erfolg ist wie ein scheues Reh", sagt FCC-Trainer Rene Klingbeil im sonnendurchfluteten Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena. "Du musst es immer wieder einfangen." Klingbeil spielt damit beim SpiO-Talk vor dem Thüringenderby auf den unerwarteten Leistungsabfall seiner Mannschaft seit der Sommerpause an. Nach sechs Punkten aus den ersten acht Spielen soll nun das heiß ersehnte Duell gegen Rot-Weiß Erfurt für die Wende sorgen.

Jena seit Sommer kaum wiederzuerkennen

In der vergangenen Saison gelang Jena eine bärenstarke Rückrunde, in der man von Platz sieben auf Platz zwei springen konnte. Auch fußballerisch hat der FCC, wie Klingbeil es nennt, eine "Duftmarke" gesetzt. Und obwohl Leistungsträger wie die beiden Innenverteidiger Burim Halili und Bastian Strietzel oder Flügelstürmer Maximilian Krauß über den Sommer hinaus gehalten wurden, konnte das Team kaum an die Leistungen des Frühlings anknüpfen.

Rot-Weiß Erfurt vs. Carl Zeiss Jena – eine Reise in die Vergangenheit

"Wir hatten vielleicht die Erwartungen, dass es genauso wie in der letzten Saison weiter geht, aber der Fußball hat wieder gezeigt, dass es immer bei Null losgeht", sagt Klingbeil. Jenas erster Saisonsieg gelang erst am 6. Spieltag gegen Luckenwalde und so findet sich der Vorjahres-Vize vor dem Derby gegen den Vorjahres-Dritten überraschender Weise auf einem möglichen Abstiegsplatz anstatt im Aufstiegsrennen wieder. Jetzt soll ausgerechnet das ausverkaufte Steigerwaldstadion zur Bühne für den Jenaer Befreiungsschlag werden. "14.000 bis 15.000 Zuschauer in der Regionalliga Nordost! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen", sagt Klingbeil. "So ein Derby kann den Knoten auseinander zwirbeln. Und genau das haben wir vor."

Als Carl Zeiss Jena letztmals bei Rot-Weiß Erfurt gewann

13 Jahre nichts zu holen

Dabei liegt Jenas letzter Sieg in Erfurt schon eine gefühlte Ewigkeit zurück. Der einzige Startelfspieler aus diesem Spiel im März 2010, der noch nicht seine Profikarriere beendet hat, ist der mittlerweile 33-jährige Soufian Benyamina, der zum damaligen 3:0-Endstand traf und aktuell für den Greifswalder FC spielt. Endlich wieder drei Punkte aus der Landeshauptstadt mitzunehmen, würde der FCC-Fan-Seele nicht nur tabellarisch guttun. Das weiß auch Klingbeil: "Das ist ein Spiel, wo wir viele Herzen gewinnen können."

Eilenburg luchst Erfurt einen Punkt ab

Die Erfurter Fan-Seele brodelt

Aber nicht nur für die Gäste steht viel auf dem Spiel. In Erfurt ist nach zuletzt drei sieglosen Partien in Serie der aussichtsreiche Saisonstart verpufft. Nach dem unglücklichen Remis gegen Eilenburg vergangene Woche musste sich die Mannschaft eine Standpauke von den mitgereisten Fans abholen. "Wo ist euer verdammter Charakter?", wurde den Spielern unter anderem entgegengeschrien.

Bei beiden Mannschaften ist ordentlich Druck auf dem Kessel. Jena-Trainer Rene Klingbeil | SpiO-Talk

Bei einer Niederlage gegen den kriselnden Rivalen aus Jena könnte die Atmosphäre der gut 12.000 Heimfans am Sonntag ungemütlich werden. Bei RWE-Kapitän Artur Mergel überwiegt trotzdem die Vorfreude. Im SpiO-Interview schwärmte er von der Stimmung in der Stadt und erklärte, was sich im Vergleich zu den letzten Spielen ändern müsse: "Fußball-Spielen können wir. Wir müssen einfach aktiver werden und uns in jeden Ball rein schmeißen".

"Ich freue mich riesig auf das Spiel"

Formkurven

FC Rot-Weiß Erfurt: 2 S, 2 U, 1 N (8 Punkte)

FC Carl Zeiss Jena: 1 S, 1 U, 3 N (4 Punkte)

"Das Derby ist wie ein Pokal-Fight"

Rotiert Gerber weiter?

Den strauchelnden Gegner zu unterschätzen, würde RWE-Trainer Fabian Gerber natürlich nicht in den Sinn kommen. "Ich lege wenig Wert auf die letzten Spiele, Ergebnisse oder den Tabellenstand. Ein Derby ist eine ganz andere Situation", erklärte er im SpiO-Interview.

Der 43-Jährige überraschte letztes Wochenende indem er die eigentlich gesetzten Stammkräfte Maximilian Pronichev und Malcolm Badu nur von der Bank brachte. Der Rotations-Denkzettel sollte den Konkurrenzkampf in der Mannschaft nach dem enttäuschenden Auftritt gegen Meuselwitz anfachen. Ohne die beiden gelang dem RWE trotzdem kein Tor gegen den klar unterlegenen Aufsteiger FC Eilenburg. Es ist also durchaus denkbar, dass sowohl Pronichev als auch Badu am Sonntag wieder in der Startelf stehen.

Feuerwerk der Erfurter Fans zum Spielbeginn

Choreo der RWE-Fans vor dem Heimspiel gegen Chemie Leipzig. Gegen Jena könnte die Atmosphäre ungleich hitziger werden.

Hitzige Atmosphäre erwartet

Auch Abseits des Platzes wird sich auf ein besonderes Spiel vorbereitet. Von der Polizei heißt es, man gehe "aufgrund der traditionell herrschenden Fanfeindschaft" von einem "erhöhten Konfliktpotential und Störungen" aus. Mehrere hundert Polizisten aus Thüringen, Sachsen und der Bundespolizei werden laut Bundespolizei im Einsatz sein. Am Dienstag wurden in mehreren Thüringer Städten Wohnungen von Fußballfans beider Lager durchsucht. Beim letzten Derby kam es zu einer Massenschlägerei, 25 Anezeigen und einen verletzten Polizisten.