Fußball | Bundesliga Aderlass und Umbruch bei RB Leipzig - Schon drei Schlüsselspieler weg

Stand: 02.07.2023 17:19 Uhr

In der Euphorie der DFB-Pokal-Titelverteidigung wurde bei RB Leipzig bereits vom Angriff auf die Meisterschale gesprochen. Doch durch viele Abgänge könnte sogar das Minimalziel Champions-League-Quali in Gefahr geraten.

Nach zwei Jahren ohne echten Sportchef geht Fußball-Pokalsieger RB Leipzig mit einer Doppelspitze in die neue Saison: Rouven Schröder als Sportdirektor und Max Eberl als Geschäftsführer Sport zeichnen sich für den Kader des Pokalsiegers verantwortlich – und damit zwei echte Bundesliga-Fachmänner. Der Klub erlebt dennoch den größten Aderlass an Leistungsträgern seiner noch jungen Geschichte.

Trio Nkunku, Laimer und Szoboszlai schon weg

Drei Leistungsträger haben die Leipziger bereits verloren: Christopher Nkunku (zum FC Chelsea), Konrad Laimer (zu Bayern München) und Dominik Szoboszlai (zum FC Liverpool).

Zudem verdichten sich die Anzeichen, dass Josko Gvardiol den Klub verlässt. Verschiedene englische Medien und deutsche Medien spekulieren über eine 100-Millionen-Ablöse und Manchester City als neuen Verein - obwohl Eberl im Januar einen Gvardiol-Wechsel noch ausgeschlossen hatte.

Abgänge in jedem Mannschaftsteil

Abwehr, Mittelfeld und Offensive – in jedem Mannschaftsteil könnte RB künftig ein Schlüsselspieler fehlen. Wie schwer ein Abgang des Quartetts wiegt (im Falle von Gvardiol wiegen würde), zeigt ein Blick in die Statistik: Nkunku war in der vergangenen Saison an 32 Toren von RB beteiligt, 23 davon schoss er selbst, neun legte er vor. Alle 85 Minuten hatte der französische Nationalspieler seinen Anteil an einem RB-Tor. Und, obwohl er verletzungsbedingt bei neun Bundesliga-Spielen fehlte, wurde er gemeinsam mit dem Bremer Niclas Füllkrug Bundesliga-Torschützenkönig.

RB Leipzig gegen Schalke - Jubel RB Nkunku

Christopher Nkunku mit der Torschützen-Kanone.

Top-Statistiken für RBL-Abgänge

Szoboszlai, seit 2021 bei RB, wurde in der vergangenen Saison zum wertvollsten Spieler der Leipziger: Der Ungar ist nicht nur einer der laufstärksten Spieler der Bundesliga (863 Sprints), mit 46 Einsätzen und davon 39 Spielen in der Startelf kam der 22-Jährige mit der besonderen Schusstechnik in der vergangenen Saison zu den zweitmeisten Spielminuten bei RB (hinter Willi Orban). Beim Kreieren von Chancen spielte sich "Szobo" so in die Top 5 der Bundesliga. Mit Gvardiol würde einer der zweikampfstärksten und passsichersten Spieler von RB den Klub verlassen. Der erst 21-jährige Nationalspieler zählt mit 91 Prozent Passquote zu den Top 10 der Bundesliga. Und Laimer wurde noch im Frühjahr von RB-Trainer Marco Rose für seine "unfassbare Dynamik im Ballgewinn und beim Umschalten" sowie "Qualitäten, die man nicht oft im europäischen Fußball hat", gelobt.

Josko Gvardiol (m.) und Dominik Szoboszlai (r.) nach dem Hinspiel gegen Manchester City

Szoboszlai (re.) mit Gvardiol.

Spieler brauchen Anlaufzeit bei RB

So glänzend die RB-Abgänge zuletzt spielten, alle brauchten ihre Zeit zur Entwicklung. Laimer kam 2017 als 20-Jähriger nach Leipzig, Nkunku 2019 als 21-Jähriger, Szoboszlai 2021 als 20-Jähriger und Gvardiol 2021 mit 19 Jahren. Alle vier brauchten etwas, um bei RB Fuß zu fassen. Laimer etwa spielte die gesamte Hinserie 2017/18 nur einmal über 90 Minuten und stand nur viermal in der Startelf. Nkunku, 2022 zum Bundesliga-Spieler der Saison gewählt, kam in seiner Anfangszeit in Leipzig lange Zeit nur zu Kurzeinsätzen – bei denen er allerdings bereits als Top-Vorlagengeber glänzte.

Einnahmeplus von bis zu 100 Millionen Euro?

Finanziell bringen die Abgänge RB viel - und das könnte von Bedeutung sein. Erst recht, nachdem im Frühjahr "Sportbild" und die "Süddeutsche Zeitung" darüber berichtet hatten, dass der Klub im Sommer Transfererlöse von 100 Millionen Euro ("Sportbild") bzw. 150 Millionen Euro ("Süddeutsche") erwirtschaften müsse, um die Vorgaben des "Financial Fairplay" zu erfüllen. RB-Sport-Geschäftsführer Max Eberl dementierte im "Kicker" zwar kurz darauf: "Financial Fairplay war und ist für uns kein Problem." Doch Eberl sagte auch, dass der Klub sehr wohl Transferüberschüsse erwirtschaften wolle: "Wir haben unsere eigenen Aufgaben, die wir sportlich, aber auch finanziell erfüllen wollen. Für uns als Klub sind Transfereinnahmen schon immer eine wichtige Einnahmesäule gewesen."

Ausstiegsklauseln von Mintzlaff verhandelt

Möglich, dass Eberl mit dieser Aussage auch Oliver Mintzlaff vor Kritik schützen will: Denn, dass Laimer ablösefrei sowie Szoboszlai und Nkunku den Pokalsieger zu festgeschriebenen Summen verlassen können, liegt auch am früheren RBL-Geschäftsführer Mintzlaff. Auf Wechselabsichten Laimers mit Ablöse hatte Mintzlaff im Sommer 2022 ablehnend reagiert, die Festpreis-Ablösen für Nkunku und Szoboszlai aber zugelassen.

Sportdirektor Max Eberl, RB Leipzig und Oliver Mintzlaff

Sportdirektor Max Eberl (li.) und und Ex-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff.

Wie lange brauchen die Neuzugänge?

Sportlich werfen die drei feststehenden und der sich anbahnende Wechsel die Leipziger deutlich zurück. Denn die nötige Anlaufzeit für das RB-Spiel werden sicher auch die Neuzugänge brauchen. Die beiden aus Salzburg kommenden Benjamin Sesko und Nicolas Seiwald und der Ex-Hoffenheimer Christoph Baumgartner sind zwar mit dem von RB favorisierten intensiven und auf Umschaltmomente getrimmte Spiel vertraut. Baumgartner gehörte in der zurückliegenden Saison zudem zu den zweikampfstärksten Spielern der Bundesliga.

Christoph Baumgartner

Kommt mit der Erfahrung von 121 Bundesliga-Spielen: Christoph Baumgartner.

Aber: Der 20-jährige Angreifer Sesko und sein 22-jähriger Mittelfeldkollege Seiwald konnten ihre Qualitäten bisher nur in der österreichischen Bundesliga zeigen. Und die Beispiele der Ex-Salzburger wie Hee-chan Hwang, Bernardo oder Hannes Wolf zeigen, dass der Sprung von der einen Bundesliga zur anderen Bundesliga doch zu groß sein kann.

Carvalho-Leihe ohne Ausstiegsklausel

Ein besonders großes Fragezeichen steht hinter Mittelfeldspieler Fabio Carvalho, der von Liverpool ausgeliehen wurde. Der 20-Jährige kam zwar bereits in 17 Premier-League-Spielen zum Einsatz, seit November 2022 stand er für die "Reds" aber insgesamt nur in elf Premier-League-Minuten auf dem Platz.

Ein Risiko ist die Carvalho-Leihe zudem, da RB Leipzig für den Portugiesen keine Kaufoption aushandeln konnte. Nach einem halben Jahr Gewöhnung und einem halben Jahr, in dem der Offensivmann RB helfen könnte, droht dann schon wieder der Abgang.

Leipzigs Lukas Klostermann gegen Liverpools Fabio Carvalho.

Carvalho (li.) spielt eine Saison für RBL.

Kampfansage von Kampl

Es könnte also schwierig werden, die Kampfansage von RB-Mittelfeldspieler Kevin Kampl umzusetzen. In der Euphorie des Pokaltriumphes hatte der 32-Jährige beim Fanfest in die jubelnde Fanmenge gesagt: "Nach der Sommerpause kommen wir wieder und versuchen, diesen verdammten Meistertitel zu holen."

Dirk Hofmeister