Außenseiter ärgert Premier-League-Stars Schottland gewinnt britisches Derby - moralisch

Stand: 19.06.2021 00:04 Uhr

Wie man mit einem 0:0 "gewinnen" kann, zeigten die Schotten im britischen Derby bei der EURO 2020 gegen die hoch favorisierten Engländer. Auf dem Platz und auf den Tribünen waren die "Bravehearts" dominant.

Erst einmal demonstrierten die Kontrahenten Einigkeit: Englands und Schottlands Spieler setzten vor dem Anpfiff ein gemeinsames Zeichen gegen Rassismus und gingen gemeinsam auf die Knie. Und ernteten von den Fans in der Arena lauten Applaus und Jubel. Diesen Sieg konnten beide schon einmal für sich verbuchen.

Britisches Wetter, britische Härte

Das war es dann aber auch vorerst mit den Brüderlichkeiten zwischen den Erzrivalen. Als der spanische Referee Mateu Lahoz die Partie bei herrlich britischem Dauerregen und 14 Grad Lufttemperatur anpfiff, dauerte es gerade 30 Sekunden, bis die Schotten anzeigten, in welche Richtung sie die Partie zu lenken gedachten: Stürmer Lyndon Dykes vom englischen Zweitligisten Queens Park Rangers rammte Englands Außenverteidiger Luke Shaw gleich einmal Knie und Ellbogen in die Rippen. Schottland war im Spiel.

Das war auch auf der Tribüne so. Die rund 3.000 schottischen Fans, die sich die nur karg für Schottland zur Verfügung stehenden Tickets gesichert hatten, stimmten ein ums andere Mal lautstark "Flower of Scotland" an. Jene in England verpönte Hymne, die den ständigen Freiheitskampf der jungen Schotten symbolisieren soll.

Schottland kämpft, England wackelt

Die schottischen Akteure ließen sich offenbar inspirieren, denn über den Kampf fanden sie - zumindest in den ersten 45 Minuten - auch ins Spiel. Gegen seltsam passive Engländer, die nur bei einem Pfosten-Kopfball von Abwehrmann John Stones in der Startphase gefährlich wurden, übernahmen die Außenseiter das Kommando.

Und hätte Außenverteidiger Stephen O'Donnell in der 30. Minute ein wenig genauer gezielt, hätte er mit seinem Schuss aus 13 Metern halbrechter Position für die verdiente Führung der Schotten gesorgt.

England findet nicht ins Spiel

So ging das dann auch im zweiten Abschnitt weiter - England verkrampfte zunehmend, die Schotten kämpften erfolgreich. Und hätten den Sieg verdient gehabt. Dykes scheierte nach einer guten Stunde nur um Haaresbreite, Reece James rettet in letzter Not für England auf der Linie. Und es blieb die Frage nach der offenkundigen Schwäche der Engländer.

Englands Kapitän Harry Kane angefressen

"War sicher nicht unsere beste Leistung", raunzte Stürmerstar Harry Kane nach der Partie in die TV-Kameras. Der vermeintliche Star enttäuschte auch diesmal. War nur 19 Mal am Ball und wurde in der 74. Minute ausgewechselt.

Ein Schotte ist "Man of the Match"

Man of the Match - natürlich ein Schotte: Billy Gilmour kam zu seinem ersten EM-Einsatz. Am 11. Juni wurde er 20 Jahre alt, er ist nun Schottlands jüngster Spieler bei einer EM oder WM und löst Duncan Ferguson ab. Der Youngster spielte beherzt und hatte beim Zeitpunkt der Auswechslung in seinem Team die meisten Ballkontakte (47).

Die Schotten, die zum Auftakt 0:2 gegen Tschechien verloren hatten, belohnten sich für ihre kämpferische Leistung mit einem Punkt beim Nachbarn und dürfen auch weiter auf den Einzug in die nächste Turnierphase hoffen.

Selbst bei einem Sieg gegen Kroatien wird's eng

Im heimischen Hampden Park in Glasgow brauchen die "Bravehearts" am Dienstag gegen Kroatien aber einen Sieg. England tritt in seinem abschließenden Gruppenspiel gegen Tschechien an.

Pikant an der Tabellensituation in Gruppe D: Spielen Tschechien und England remis, wären beide als Erster und Zweiter sicher im Achtelfinale. Im Duell zwischen Kroatien und Schottland ginge es für den Sieger maximal noch um Gruppenplatz drei - und dann würde für die Schotten das Warten beginnen, ob sie dann auch zu den besten Gruppendritten gehören.